Noch ist vieles unklar, doch im Oktober soll die überarbeitete Fassung des Lehrplans 21 an die Kantone übergeben werden, Bild: Landbote
Volksschule nicht neu erfunden, aber anders akzentuiert, Landbote, 7.10. von Matthias Scharrer
Für
den Entscheid zuständig ist die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Sie
befindet Ende August über die Freigabe des Lehrplans 21. Je näher der Termin
rückt, umso mehr werden Zweifel laut: Im Aargau wurde Ende August eine
Volksinitiative gegen den Lehrplan 21 lanciert, und die Kantonsregierung schob
dessen Einführung aufs Schuljahr 2020/21 hinaus – frühestens.
Auch Solothurn zögert: Nicht vor 2018/19 werde der neue Lehrplan eingeführt, sagte Bildungsdirektor Remo Ankli Mitte September. Eine Woche später forderte die SVP im Zürcher Kantonsrat, das Parlament müsse über den Lehrplan 21 entscheiden. Ihr Vorstoss scheiterte aber, sodass weiterhin der kantonale Bildungsrat entscheidet. Die Zürcher Regierung will den Lehrplan 21 ab 2017/18 einführen, zuvor jedoch das von der EDK freigegebene Werk nochmals einer Vernehmlassung unterziehen.
Systematischere Persönlichkeitsbildung
Auch Solothurn zögert: Nicht vor 2018/19 werde der neue Lehrplan eingeführt, sagte Bildungsdirektor Remo Ankli Mitte September. Eine Woche später forderte die SVP im Zürcher Kantonsrat, das Parlament müsse über den Lehrplan 21 entscheiden. Ihr Vorstoss scheiterte aber, sodass weiterhin der kantonale Bildungsrat entscheidet. Die Zürcher Regierung will den Lehrplan 21 ab 2017/18 einführen, zuvor jedoch das von der EDK freigegebene Werk nochmals einer Vernehmlassung unterziehen.
Systematischere Persönlichkeitsbildung
Auf Kritik
stösst neben Einzelaspekten wie Sexualkunde, Gewichtung der Schweizer
Geschichte, der Informatik, Medienkunde oder Wirtschaft eine
Akzentverschiebung: Weg von der reinen Stoffvermittlung hin zur Vermittlung von
Kompetenzen. Macher des Lehrplans 21 erklärten kürzlich im Rahmen eines
Hintergrundgesprächs in Zürich, was damit gemeint ist.
«Die Auflistung von Lerninhalten wurde
zurückgefahren. Dafür wurden zu erreichende Kompetenzniveaus hervorgehoben»,
sagte Kurt Reusser, Pädagogikprofessor an der Uni Zürich und Präsident des
Fachbeirats Lehrplan 21. Er betonte, Wissen und Kompetenz seien keine
Gegensätze: «Kompetenz ist zu 90 Prozent Wissen. Es kommt auf die Qualität des
Wissens an.» Kompetenz lasse sich trainieren, auch durch die Auseinandersetzung
mit Fragen wie «Was ist eigentlich ein Atom? Ein Molekül? Ein Ozonloch?». Auch
die Persönlichkeitsbildung werde mit dem neuen Lehrplan systematischer
behandelt.
Keine Neuerfindung
Keine Neuerfindung
Wie dies im
Unterricht konkret aussehen kann, erläuterte Silvia Vogel. Die Primarlehrerin
und Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Luzern hat den Lehrplan 21 als
Vertreterin der Primarstufe mitentwickelt. «Die klassische Prüfung hat
ausgedient – oder deckt die Kompetenzen nicht vollständig ab», so Vogel. An
ihre Stelle träten zum einen Prüfungen, die auch Kompetenzen testen. Zum
anderen Portfolios, in denen Kinder ihren Wissenserwerb selber
dokumentieren.
So habe sie eine erste Primarklasse
Berufsleute über ihre Berufe befragen lassen. Die Kinder mussten zuerst
untereinander aushandeln, wer welche Berufe erforscht; dann lernen, wie man
fremde Menschen begrüsst und verabschiedet; Interviewtermine mit den
Berufsleuten abmachen; Tonbandaufzeichnungen von den Gesprächen anfertigen;
gruppenweise einen Vortrag über den erforschten Beruf vorbereiten und in der
Klasse präsentieren. Dann beurteilte die Klasse den Vortrag, und die Lehrerin
gab eine Beurteilung ab. Neben dem Wissen über Berufe eigneten sie sich so
Sozialkompetenzen im Umgang mit fremden Menschen sowie im gemeinsamen Arbeiten
an, zudem Kompetenzen wie Sprachfluss und Blickkontakt beim Vortrag.
«Es geht darum, Wissen mit einer realen Handlungssituation zu verbinden», fasste Vogel den Ansatz zusammen. Das sei keine Neuerfindung. Und es lasse sich auch nicht in allen Fachbereichen gleich gut umsetzen. Doch mit dem Lehrplan 21 werde diese Haltung gestärkt.
«Es geht darum, Wissen mit einer realen Handlungssituation zu verbinden», fasste Vogel den Ansatz zusammen. Das sei keine Neuerfindung. Und es lasse sich auch nicht in allen Fachbereichen gleich gut umsetzen. Doch mit dem Lehrplan 21 werde diese Haltung gestärkt.
In Finnland sind Lehrkräfte angesehen
wie Ärzte
Um die
Kompetenzen der Kinder zu entdecken, brauche es indes viel gemeinsame Zeit mit
ihnen. Vogel plädierte daher dafür, dass Lehrer wieder grössere Pensen in ihren
Klassen haben. Pädagogikprofessor Reusser sprach sich für eine Aufwertung des
Volksschullehrerberufs aus: «In Finnland sind Lehrer ausgebildet und angesehen
wie Ärzte. Wir leisten uns immer noch eine dilettantische Lehrerausbildung.»
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