2. September 2014

Streit um Turnnote

Das Kind erhält eine schlechte Note, die Eltern beschweren sich. Das ist Courant normal. Aber nicht, wenn der Vater einer Jungathletin wegen einer knapp genügenden Turnnote an die Tessiner Regierung gelangt. Und schon gar nicht, wenn der Staatsrat die Ablehnung des Rekurses auf sechs Briefseiten begründet und der erboste Vater nun an das Tessiner Verwaltungsgericht appellieren will. Hierbei geht es um Zukunftsperspektiven: Wegen der Turnnote 4 kann die 14-jährige Tochter nicht ins Nationale Sportzentrum in Tenero wechseln, um die Matura für den Profisport-Nachwuchs zu absolvieren.



Note 4 für Jungathletin, Bild: haz.de


Jungathletin mit Turnnote 4, NZZ, 2.9. von Peter Jankovski




Das Mädchen nahm vor einigen Monaten an den Europameisterschaften im Kunstturnen teil. Für ihre Resultate erhielt sie einen Lobesbrief von Staatsrat Manuele Bertoli, Chef des Departements für Erziehung, Kultur und Sport. Er spricht darin von einem positiven Beispiel für alle Tessiner Jugendlichen. Für solches Lob arbeitet die Jungsportlerin hart: Sie trainiert 30 Stunden pro Woche und nimmt zeitweise nur selten am gewöhnlichen Turnunterricht teil. Deswegen habe die Lehrerin die Kunstturnerin anhand weniger Beobachtungen beurteilen müssen, so die Tessiner Regierung. Laut deren Schreiben war der eigentliche Schwachpunkt ausgerechnet eine musikalische Bewegungsstudie: Für den praktischen Teil erhielt das Mädchen bloss ein Genügend, für den theoretischen gar ein Ungenügend.

Die simple psychologische Erklärung hierfür liegt auf der Hand, doch die Schuldirektion hat eine andere parat. Unter «Turnen» sei viel mehr zu verstehen als einst, so dass überdurchschnittliche Sportleistungen nicht automatisch gute Noten bedeuteten. Dazu führt die Schulleitung pädagogische Grundsatz-Erwägungen ins Feld - und wenn es um Grundsätzliches geht, müssen sich Erziehungsdirektor Bertoli und seine Regierungskollegen standfest geben. Das ist institutionelle Psychologie.

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