Die Spitzen der EDK halten nichts vom Kompromiss, Bild: Gaetan Bally
Sprachenstreit: Jetzt spannen SP und SVP zusammen, Tages Anzeiger, 18.9. von Anja Burri
Die
Debatte um das Frühfranzösisch ist längst keine pädagogische Diskussion mehr.
Seit sich das Thurgauer Parlament und die Nidwaldner Regierung dafür
ausgesprochen haben, das Frühfranzösisch abzuschaffen, ist sie zu einer
delikaten politischen Frage geworden. «Krieg der Sprachen» titelte die
Westschweizer Zeitschrift «L’Hebdo». Auch im eidgenössischen Parlament ist der
Fremdsprachenstreit Thema. Politiker aller Parteien versuchen, mit Vorstössen
Einfluss zu nehmen.
Nun
unternimmt eine ungewöhnliche Allianz aus den Reihen der SP und der SVP den Versuch, die Wogen zu
glätten. Ihr Ziel: ein Eingreifen des Bundes und damit die wahrscheinliche
nationale Volksabstimmung über das Frühfranzösisch, eine Art
Röstigrabenabstimmung, wenn möglich zu verhindern. SVP-Nationalrat Peter Keller und SP-Nationalrat
Jean-François Steiert schlagen einen Kompromiss vor: Jene Kantone, die in der
Primarschule nur noch eine Fremdsprache unterrichten wollen, dürfen dies tun.
«Dann sollte es aber eine Landessprache sein», sagt Keller. Den anderen
Kantonen stehe es frei, weiterhin zwei Fremdsprachen in der Primarschule
anzubieten – so wie es die kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) eigentlich
beschlossen haben.
«Dringend
nötiger Minimalkompromiss»
Angesichts der hängigen
Volksinitiativen und Bestrebungen in vielen Kantonen, die zweite Fremdsprache
aus der Primarschule zu streichen, sei dieser «Minimalkonsens» dringend nötig, glauben
die beiden Parlamentarier. «Die Kantone haben offensichtlich Mühe, sich zu
einigen», sagt Steiert. Es sei an der Zeit, dass die Befürworter und Gegner des
Französischunterrichts in der Primarschule freiwillig einen Schritt aufeinander
zu machten. Nur so würden der Bildungsartikel in der Verfassung und das
Sprachengesetz eingehalten.
Bisher vertraten die SVP
und die SP weit auseinanderliegende Positionen in der Frage. Die SVP regte in
verschiedenen Kantonen die Streichung des Frühfranzösisch an oder unterstützt
sie; die SP macht sich für den Lehrplan 21 und zwei Fremdsprachen in der
Primarschule stark. Es werde nicht einfach, alle zu überzeugen, räumen Steiert
und Keller ein. Sie suchen zurzeit das Gespräch vor allem mit den
Entscheidungsträgern in den Kantonen. Auf Verständnis stossen sie beim
Nidwaldner Bildungsdirektor Res Schmid (SVP). «Ich persönlich könnte gut leben
mit diesem Kompromiss», sagt er. Allerdings müssten alle Kantone mitziehen,
sonst mache die Umstellung keinen Sinn. Die Nidwaldner Regierung hatte sich vor
wenigen Wochen noch dafür ausgesprochen, den Französischunterricht auf die
Sekundarstufe zu verschieben. Sie reagierte damit auf die hängige
Volksinitiative, die nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule verlangt.
Lehrer
dafür
Die Lehrerverbände
dürften im Grundsatz mehrheitlich hinter der Idee aus Bern stehen. Kürzlich
sprach sich die Präsidentenkonferenz des Schweizerischen Lehrerverbands (LCH)
deutlich dafür aus, dass die erste Fremdsprache überall eine Landessprache sein
müsse. Das bisherige Modell des Fremdsprachenunterrichts müsse aufgrund der
Praxiserfahrungen und der Widerstände in den Kantonen angepasst werden, sagt
LCH-Präsident Beat Zemp. Das EDK-Modell, spätestens in der dritten und fünften
Klasse mit je einer Fremdsprache zu beginnen, könne gerettet werden, wenn
verschiedene Bedingungen erfüllt seien. Dazu gehöre, dass alle Kantone ab der
dritten Klasse mit einer Landessprache als erster Fremdsprache begännen. Weiter
sollten alle Kantone spätestens ab der fünften Klasse Englisch als Wahlfach
anbieten. Sprachschwache Schüler könnten stattdessen Förderkurse in Deutsch
oder Französisch erhalten.
Nichts
hält EDK-Präsident Christoph Eymann vom Kompromissvorschlag der
Politiker. «Das Parlament wäre gut beraten, die Kantonshoheit in dieser
Bildungsangelegenheit zu beachten», sagt er. Der Sprachenkompromiss aus dem
Jahr 2004 gelte nach wie vor. Die EDK werde wie geplant im Sommer 2015 Bilanz
ziehen. Bis dann brauche es vor allem Gelassenheit. Ähnlich äussern sich die
Bildungsdirektoren der Kantone Luzern und St. Gallen, wo
Fremdspracheninitiativen zustande gekommen oder lanciert worden sind.
Französisch
ohne Benotung?
Auch
der Schaffhauser Bildungsdirektor und Präsident der Deutschschweizer EDK
Christian Amsler hält «sehr wenig» vom Vorschlag aus dem Bundeshaus und
plädiert dafür, Ruhe zu bewahren. Aus seiner Sicht könnte die Polemik um das
Frühfranzösisch mit einer einfachen Massnahme entschärft werden: Bis zum Ende
der obligatorischen Schulzeit soll der Französischunterricht von der Benotung
und der Promotionswirkung befreit werden.
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