23. September 2014

Bildungsrat soll über Lehrplan entscheiden

Der Zürcher Kantonsrat findet, dass Lehrpläne nicht zum Spielball politischer Interessen werden sollen und lehnt deshalb eine Mitsprache beim Lehrplan 21 ab.




Klassenzimmer soll vor politischen Übergriffen geschützt bleiben, Bild: Karin Hofer

Falsche Adresse für Lehrplan-Debatte, NZZ, 23.9. von Walter Bernet



Der Kantonsrat will den Entscheid über Lehrpläne weiterhin dem von ihm gewählten Bildungsrat überlassen. Er hat am Montag mit 105 zu 63 Stimmen eine parlamentarische Initiative von Anita Borer (svp., Uster) abgelehnt, welche die Beschlussfassung über den Lehrplan der Volksschule dem Kantonsrat übertragen und dem Volk mittels Referendum das letzte Wortes geben sollte. Das Ergebnis konnte erwartet werden. In der vorberatenden Kommission für Bildung und Kultur hatten sich nur der EDU- und der EVP-Vertreter - der seinen anders denkenden Kollegen vertrat - auf die Seite der SVP geschlagen.
Richtplandebatte im Quadrat
Kommissionspräsident Ralf Margreiter (gp., Zürich) erinnerte daran, dass die Romandie bereits seit einiger Zeit über einen gemeinsamen Lehrplan verfügt. Nun soll im Sinne der vom Volk gutgeheissenen Harmonisierung auch die Deutschschweiz eine gemeinsame Grundlage für den Unterricht und für die Erarbeitung von Lehrmitteln bekommen: den Lehrplan 21. Diesen den kantonalen Bedürfnissen anzupassen und mit einer Stundentafel zu versehen, ist im Kanton Zürich gemäss Bildungsgesetz Aufgabe des Bildungsrats.
Während die SVP mit ihrer Initiative diese Kompetenzordnung unterlaufen wolle, traue eine Kommissionsmehrheit dem gesellschaftlich ausgewogen zusammengesetzten Fachgremium eine angemessene Überarbeitung zu, sagte Margreiter. In deren Rahmen gebe es genügend Gelegenheit, Kritik anzubringen. Das Gros der Lehrpersonen stehe hinter dem Lehrplan 21. Margreiter stellt sich eine Lehrplan-Debatte wie eine Richtplandebatte im Quadrat vor. Im Unterschied zum Richtplan sei der Kantonsrat aber im Fall des detaillierten Lehrplans klar das falsche Gremium. Die Konsistenz des Lehrplans würde leiden, und er würde zum Spielball punktueller politischer Interessen.
Initiantin Anita Borer konterte, es gehe um die Abstützung des Lehrplans im Volk, schliesslich bilde dieser die Grundlage für die Ausrichtung der Schule in den nächsten Jahrzehnten. Sie wolle im Kanton nicht dasselbe Debakel erleben wie beim Lehrplan 21. Es habe zwar eine Konsultation in der ganzen Deutschschweiz gegeben, aber die Kritik sei heruntergespielt worden. Viele Eltern und Lehrer hätten sich von der Mitsprache und der politischen Einflussnahme ausgeschlossen gefühlt. Beim Lehrplan 21 handle es sich um ein Konstrukt ohne Bezug zur Realität. Mit seinen über 500 Seiten sei er viel zu umfassend, und die detaillierten Vorschriften untergrüben die Bildungshoheit der Kantone. Mit der ursprünglichen Idee der Harmonisierung habe er wenig zu tun. Ihr gehe es um die demokratische Mitsprache aller Betroffenen. Die Bevölkerung müsse das letzte Wort haben.
Für Schulleiterin Theres Agostini Monn (sp., Turbenthal) braucht die Schule Beständigkeit und Ruhe. Mit seinem breiten Blick auf Bildung und mit seinen Koordinationsfunktionen sei der Bildungsrat das richtige Entscheidungsgremium. Auch Sabine Wettstein (fdp., Uster) will den Lehrplan nicht einer politischen Debatte unterwerfen. Der Kantonsrat habe auf das Thema andere Einflussmöglichkeiten: auf die Zeitplanung, die Stundentafeln, die Mittel für Weiterbildung und andere. Die FDP unterstütze den Lehrplan 21 weiterhin kritisch und konstruktiv.
Das Heft in der Hand behalten
Res Marti (gp., Zürich) bezeichnete es als Widerspruch, wenn einerseits der Lehrplan 21 als zu komplex dargestellt werde, anderseits das Volk ihn beurteilen solle. Christoph Ziegler (glp., Elgg) vermutete, dass der Kantonsrat eine Sondersession einberufen müsste, wollte er den Lehrplan behandeln. Stefan Hunger (bdp., Mönchaltorf) hält die Diskussion des Projekts für nötig, sein Erlass soll aber beim Bildungsrat bleiben. Und Corinne Thomet (cvp., Kloten) glaubt, dass die Befürworter der Initiative es nur auf ein Hinauszögern oder die Verhinderung des Lehrplans 21 abgesehen hätten. Für die Initiative sprach sich neben SVP-Vertretern einzig Hans Peter Häring (edu., Wettswil am Albis) aus. Er will das Heft in der Hand behalten, um sicher zu sein, dass die christlichen Grundwerte im Lehrplan verankert bleiben.

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