31. August 2014

"Wir wollen Französisch stärken"

Der Nidwaldner Erziehungsdirektor Res Schmid (SVP) äussert sich in einem Interview zum Beschluss seiner Regierung, Frühfranzösisch an die Oberstufe zu verschieben.




Deutsch und Mathematik sollen aufgestockt werden, Bild: Keystone

"Wir würden den nationalen Zusammenhalt sogar stärken", Tages Anzeiger, 30.8. von Raphaela Birrer






Herr Schmid, der Nidwaldner Regierungsrat will das Frühfranzösisch abschaffen. Werden sich die Nidwaldner künftig in Englisch mit den Romands unterhalten? 
Nein, auf keinen Fall. Im Gegenteil: Wir wollen Französisch als Landessprache stärken. Die zwei Wochenlektionen, die in der fünften und der sechsten Klasse wegfallen, würden wir stattdessen in der Sekundarschule aufstocken. Das heisst, anstatt auf fünf Schuljahre wären die insgesamt rund 500 Französischlektionen neu auf drei Schuljahre verteilt. Der Effekt wäre ein intensiverer Lernprozess: Wenn jeden Tag Französisch auf dem Stundenplan steht, profitieren wegen der regelmässigen Wiederholung auch die schwächeren Schüler. Unser Konzept stützt sich auf Analysen und Abklärungen zum Sprachenerwerb und zu den Bedürfnissen der Schüler, Lehrer und Eltern. Es tritt nur in Kraft, wenn die SVP-Initiative, die eine Reduktion auf eine Fremdsprache auf Primarstufe fordert, angenommen wird.

Mehr Französischlektionen auf der Stundentafel in der Sekundarschule bedeuten weniger Kapazitäten für andere Fächer. Wo werden Sie abbauen? 
Das Französisch wird nicht auf Kosten von anderen Fächern aufgestockt. Wir planen einen Lektionenausbau in der Sekundarschule. Das schadet den Schülern nicht – schliesslich müssen sie sich nach der Oberstufe in der Lehre direkt in einer 42-Stunden-Woche bewähren. Denkbar wäre beispielsweise, einen Teil der Wahlpflichtfächer neu mit Französischstunden zu belegen.

Mit welchen Kosten wäre der Lektionenausbau verbunden? 
Das haben wir noch nicht abschliessend berechnet. Konkreter werden die Pläne ohnehin erst, wenn die SVP-Initiative angenommen wird. Aber wir möchten den Stimmbürgern bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein Konzept vorlegen, was sich bei einer Annahme des Volksbegehrens ändern würde.

In der fünften und der sechsten Klasse würden dadurch zwei Wochenlektionen frei. Welchen Fächern käme das zugute? 
Das klären wir zurzeit noch ab, wahrscheinlich werden es aber Deutsch und Mathematik sein. Rückmeldungen aus der Lehrerschaft legen nahe, dass die Zeit in diesen beiden Fächern nicht ausreicht, um den Pflichtstoff hinreichend zu vermitteln. Zudem wurden die Fremdsprachen in der Primarschule auf Kosten dieser beiden Fächer eingeführt. Insofern wäre eine Aufstockung eine Korrektur.

Der Regierungsrat will die Nidwaldner Sekschüler auch in einen Sprachaufenthalt schicken. Wie lange würde dieser Austausch dauern? 
Der Sprachaufenthalt fände nach einem intensiven Jahr mit fünf Wochenlektionen Französisch in der achten oder neunten Klasse statt. Er würde zwei bis vier Wochen dauern und wäre verbindlich. Es wäre ein Austausch: Unsere Schüler würden in einer welschen Familie wohnen, während deren Kind zeitlich verschoben bei der Nidwaldner Familie wäre. In der Romandie würden sie die reguläre Schule besuchen – ohne ihre Deutschschweizer Klassenkameraden. Auf diese Weise würden neben der Sprachpraxis auch der interkulturelle Austausch und der nationale Zusammenhalt gestärkt.

Reicht das aus, um das Welschland zu besänftigen, das im schwelenden Sprachenstreit die nationale Kohäsion gefährdet sieht? 
Wir hoffen, dass die Romandie unsere Absicht erkennt: Wir wollen den Französischunterricht lediglich verdichten und zeitlich verschieben, nicht schwächen. Mit dem geplanten Schüleraustausch würden wir den nationalen Zusammenhalt sogar stärken, indem wir eine Brücken bauende Situation schaffen. Unsere Pläne sind kein Affront für die Romands. Unsere Schüler würden Französisch auf dem gleichen oder sogar noch höheren Niveau beherrschen. Das ist eine Nidwaldner Frohbotschaft für die Romandie.

Bildungsminister Alain Berset kündigte aber bereits an, er werde es nicht tolerieren, wenn die Deutschschweizer Kinder in der Primarschule nur noch Englisch lernten. Notfalls werde er korrigierend eingreifen. Damit würde der Bundesrat Ihre Pläne stoppen. 
Klar, das Bundesgesetz steht über der kantonalen Gesetzgebung. Wir müssten uns fügen, wenn der Bundesrat eingreifen würde. Aber ich gehe nicht davon aus, dass die Hoheit der Kantone eingeschränkt wird, solange diese ihren Bildungsauftrag erfüllen. Und das tun wir: Nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit hätten unsere Schüler Grundkenntnisse der französischen Sprache. Mehr noch: Wir würden mit einem guten Beispiel voran gehen, indem wir mit dem Sprachaufenthalt die Kontakte über den Röstigraben hinweg intensivieren würden. Wenn der Bundesrat einschreiten sollte, dann müsste er zuerst vereinheitlichen, welche Fremdsprache in der gesamten Deutschschweiz zuerst gelehrt wird.

Auch die SP droht, die Sprachenfrage auf Bundesebene lösen zu wollen. Sie will das Sprachengesetz so ändern, dass eine zweite Landessprache in der Primarschule obligatorisch würde. 
Die geltenden Gesetze würden wir erfüllen, weil nicht vorgeschrieben ist, zu welchem Zeitpunkt während der obligatorischen Schulzeit eine Fremdsprache eingeführt werden muss. Aber wir müssen aufpassen, dass wir die Bildung nicht verpolitisieren. Als das Frühfranzösisch eingeführt wurde, standen pädagogische Überlegungen im Vordergrund. Nun hat man festgestellt, dass dieser Unterricht nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. Daher wird jetzt nicht mehr pädagogisch, sondern politisch argumentiert.

Werden weitere Deutschschweizer Kantone Ihrem Beispiel folgen? 
Uri und Appenzell Innerrhoden unterrichten Französisch nach dem Modell, das wir planen. Sie haben gute Erfahrungen damit gemacht. In verschiedenen Kantonen gibt es bereits entsprechende Vorstösse. Ich bin daher überzeugt, dass Nidwalden und der Thurgau nicht die einzigen Kantone bleiben werden, die in nächster Zeit das Französisch von der Primar- in die Sekundarschule verschieben wollen.

 

 

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