17. August 2014

Jeder fünfte Schulleiter ohne Lehrerdiplom

Im Kanton Zürich hat jeder fünfte neue Schulleiter kein Lehrdiplom. Es bewerben sich auch Banker für den Job, gefragt ist Schulerfahrung.



Eine der wenigen Karrierechancen für Lehrer, Bild: spreadshirt.de

Neue Schulleiter ohne Lehrdiplom, NZZaS, 17.8. von René Donzé


Mit dem Start des neuen Schuljahres am Montag nehmen erstmals Schulleiter ihre Arbeit auf, die kein Lehrdiplom haben. Das Volk hat letztes Jahr die Öffnung des Job-Profils an der Urne klar angenommen.
Nun zeigt sich: Die Schulpflegen sind grosszügig bei der Vergabe von Leitungsfunktionen an Nicht-Lehrpersonen. Von 70 Schulleitern, die aufs neue Schuljahr eingestellt wurden, haben 14 kein Lehrdiplom, wie das Volksschulamt mitteilt. «Das ist eindeutig zu viel», sagt SP-Kantonsrat Markus Späth, der gegen das neue Lehrerpersonalgesetz gekämpft hatte. «Es wurde versprochen, dass solche Anstellungen die Ausnahme bleiben sollen.»
Das ist offenbar leichter gesagt als getan. Für Schulleitungsposten bewerben sich nur wenige Lehrerinnen und Lehrer. «Wir erhalten viel mehr Bewerbungen von Personen aus schulfremden Berufen, wie etwa Bankmitarbeitern oder Informatikern», sagt Stephan Mies, Leiter Bildung in der Schulgemeinde Regensdorf. Ganz schulfremde Interessenten hätten aber keine Chance. «Wir haben den Anspruch, dass unsere Schulleitungen einen schulischen Hintergrund haben.» Regensdorf stellte mit Renata Lüchinger eine langjährige Schulpflegerin ein. Sie wird die Schule gemeinsam mit einer Lehrerin führen.
Auch andernorts haben die Schulpflegen nicht völlig branchenfremde Personen eingestellt. Die meisten Schulleiter ohne Lehrdiplom hätten einen schulnahen Hintergrund, heisst es beim Volksschulamt. Zum Beispiel Reto Cortesi. Er wird im Stadtzürcher Schulhaus Ilgen mit 40 Stellenprozent die Schulleiterin unterstützen. Der Berufsfotograf hat eine kaufmännische Ausbildung und während sechs Jahren das Sekretariat des Schulkreises Zürichberg geleitet. «Es ist eine Bereicherung für eine Schule, wenn ein Berufsfremder mit in der Leitung ist», sagt er. Vom Lehrerteam sei er sehr wohlwollend aufgenommen worden.
Für SP-Kantonsrat Späth ist es «immerhin beruhigend, wenn nicht ganz schulfremde Personen in die Schulleitungen kommen». Bedenklich sei hingegen, dass der Schulleiter-Job zu wenig interessant sei für Lehrkräfte: «Wir müssen alles unternehmen, um diesen Beruf für Pädagogen attraktiver zu machen», sagt er.
In eine andere Richtung zielt die Pädagogische Hochschule (PH) Luzern. Sie hat ein Nachdiplomstudium geschaffen, mit dem sich Führungskräfte aus der Privatwirtschaft auf die Leitung einer Schule vorbereiten können. «Wir haben viele Anfragen auch aus Zürich erhalten», sagt Martin Riesen, der den Studiengang leitet. Die Kursteilnehmer hätten gute Chancen, eine Stelle als Schulleiter zu finden, wirbt die PH auf der Homepage. In anderen Kantonen, etwa Bern, ist es ebenfalls nicht nötig, dass Schulleiter über ein Lehrdiplom verfügen.

Die Pädagogische Hochschule Zürich verzichtet indes auf solche Angebote. «Wir wollen nicht einseitig eine neue Klientel favorisieren», sagt Rektor Walter Bircher. Damit würde man bloss Konkurrenz für die Lehrer aufbauen, für welche die Schulleitung eine der wenigen Karrierechancen sei. In Zürich besuchen die Umsteiger die gleichen Schulleiterausbildungen wie die Lehrkräfte. Und sie müssen diese ebenfalls spätestens drei Jahre nach Stellenantritt abgeschlossen haben.

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