Pünktlich
zum Schulanfang bekommt ein Thema wieder erhöhte Aufmerksamkeit: der
Fremdsprachenunterricht. Dabei geht es nicht allein um die emotionale Frage um
Sein oder Nichtsein der französischen Sprache an der Volksschule, wie man
aufgrund der heftigen Debatte in der Romandie vermuten könnte. Gestritten wird
unter Fachleuten vielmehr um den richtigen Zeitpunkt des Unterricht-Starts. Bis
in die 1980er Jahre wurde in den Deutschschweizer Primarschulen keine
Fremdsprachen gelehrt.
Markus Kübler untersuchte 13 Studien zum Beginn des Fremdsprachenunterrichts, Bild: PHSH
Je früher desto besser? NZZ, 19.8. von Marc Tribelhorn
Mit
dem Harmos-Konkordat sind es nun gleich deren zwei: Englisch und eine
Landessprache. Laut Lehrplan soll die erste Fremdsprache ab der 3., die zweite
ab der 5. Klasse unterrichtet werden. Doch lässt sich die von der
Eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) propagierte Devise «je
früher desto besser» im Fremdsprachenunterricht an der Schule überhaupt
erhärten? Ist frühes Sprachenlernen tatsächlich zielführend?
Eine
kürzlich veröffentlichte Expertise zum Stand der Forschung, die im Auftrag des
Schaffhauser Lehrerverbands erarbeitet worden ist, kommt zu einem anderen
Schluss. Laut dem Studienleiter Markus Kübler, Abteilungsleiter Forschung und
Entwicklung der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen, lassen sich die Aussagen
der EDK nicht empirisch stützen: «Frühstarter in Fremdsprachen haben kaum
messbare Vorteile gegenüber älteren Startern.» Das liege daran, dass
anfängliche Vorsprünge durch schnelleres und effizienteres Lernen der
Spätstarters «in der Regel» wettgemacht würden.
Insgesamt
13 Studien aus den Jahren 2002 bis 2007 zeigten, dass ältere Lerner in
Fremdsprachen letztlich bessere Ergebnisse erzielen verglichen mit jüngeren
Lernern. Laut der Studie scheint es zudem, als sei das Lernen von Fremdsprachen
in «natürlichen Settings» wie der Familie nicht vergleichbar mit der
«beschränkten Exposition der Kinder während der Schulzeit». Genau davon geht
die EDK jedoch aus. Markus Kübler und seine Mitstreiter plädieren daher für
eine «vorurteilsfreie Zurkenntnisnahme empirischer Befunde» sowie für eine
offene bildungspolitische Diskussion.
Die
Debatte ist ohnehin bereits lanciert. Vor zwei Monaten monierte ein
Autorenkollektiv, bestehend aus diversen Didaktikern, in der NZZ ebenfalls,
wissenschaftlich fundierte Argumente kämen zu kurz. Unter dem Titel «Genauer hinsehen beimFremdsprachenunterricht» stützen
sie sich auf zwei grossangelegte internationale Vergleichsstudien – und kommen
zu einem völlig anderen Ergebnis: Ein früher Beginn des Unterrichts führe im
Durchschnitt zu besseren Leistungen und höherer Motivation. Die grosse Mehrheit
der Kinder sei überdies mit zwei Fremdsprachen nicht überfordert und erfülle
die Mindestansprüche gemäss Lehrplan.
Je früher desto besser?
Marc Tribelhorn 19.8.2014,
10:28 Uhr
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