28. August 2014

Frühfremdsprachen konkurrenzieren Deutsch und Mathematik

Der Thurgauer SVP-Kantonsrat Hanspeter Gantenbein hat die Motion zum Französischunterricht eingereicht. Er begründet den Entscheid des Parlaments auch mit der Berücksichtigung der Stimmen aus der Lehrerschaft. 


"Warum werden die Erkenntnisse der Praktiker von den Bildungsbürokraten nicht beachtet?" Bild: St. Galler Tagblatt

Französisch erst auf der Sekundarstufe, NZZ, 28.8. von Hanspeter Gantenbein


Seit Jahren beklagen weiterführende Schulen und Lehrbetriebe die ungenügenden Deutsch- und Mathematikkompetenzen. Vor knapp zwei Jahren haben selbst Hochschulprofessoren gesagt, das Hochdeutsch der Studenten werde immer miserabler. Genau diese wichtigen Basiskenntnisse bilden aber die Grundlagen für alle weiteren Anforderungen. Diese Grundkenntnisse müssen in der Primarschule intensiviert und nicht laufend mit neuen Schulversuchen und dem pädagogischen Konstruktivismus, der sich über den ganzen deutschsprachigen Raum ausschüttet, untergraben werden. Für den Erfolg in einer Berufslehre oder in weiterführenden Schulen sind das Beherrschen der Erstsprache, die Grundoperationen in Mathematik, das Verständnis der Natur und die handwerklichen Fächer wichtig.
Das sind auch Voraussetzungen für das erfolgreiche duale Bildungssystem, um das uns die ganze Welt beneidet. Es verhindert Jugendarbeitslosigkeit. All dies wird in den Überlegungen und Entscheiden meist vergessen, ja verdrängt! Warum ist der Lehrplan 21 heute so umstritten? Weil es hier im gleichen Stil weitergehen soll: Von allem ein bisschen, wenig richtig. Es gilt jetzt, sich mit Ehrlichkeit und Effizienz für eine solide Grundbildung der Schülerinnen und Schüler auf der Volksschulstufe einzusetzen. Niemand will den Französischunterricht abschaffen, wie das linke Ideologen in der Deutsch- und Welschschweiz monieren. Beim Thurgauer Entscheid geht es um das Frühfranzösisch in der Primarschule. Diese Stufe hat Grundausbildung zu vermitteln, dazu zählen eben Fremdsprachen nicht.
Die Primarlehrer - und da ist der Kanton Thurgau nicht der einzige - sprechen eine deutliche Sprache. Sie begrüssen mit grosser Mehrheit eine Änderung des Fremdsprachenunterrichts. Sprach- und Erziehungswissenschafter sind in dieser Sache uneins. Warum werden die Erkenntnisse der Praktiker von den Bildungsbürokraten nicht beachtet oder einfach unter den Tisch gekehrt? So paradox es tönt, im Kanton Thurgau soll mit dem Entscheid die französische Sprache stärker gefördert werden, und zwar auf der Sekundarschulstufe. Es ist erwiesen, dass dann der Wissensstand in Französisch nach der 3. Sekundarschule mindestens gleich gross ist wie nach einem halbbatzigen Französischunterricht in der Primarschule, der zulasten der Grundlagenfächer geht.
Das Verständnis für andere Landesteile und Kulturen ist uns wichtig. Neben gutem und ausreichendem Französischunterricht auf der Sekundarschulstufe sollten Klassenlager und Schulreisen bereits auf der Mittelstufe vermehrt in andere Landesteile führen. So könnten Schüler für die anderssprachigen Landesteile sensibilisiert werden. In der Sekundarschule sind Sprachaufenthalte oder noch besser Austauschprogramme mit Gastfamilien zu forcieren. So wird nicht nur die Sprache besser gelernt, sondern auch das wichtige Verständnis füreinander geweckt. Nur so könnte auch der herbeigeredete Röstigraben etwas zugeschüttet werden.
Tatsache ist aber auch, dass in der Oberstufe die Hälfte aller Schüler der G-Stammklassen (früher Realschüler) bereits in der 7. Klasse Französisch abwählt! Wir alle wissen, warum. Es ist die Realität, in der wir leben. Welche Verständigungssprache hat sich weltweit durchgesetzt?
In unserer nationalen und internationalen Berufswelt hat sich, ob wir dies wollen oder nicht, Englisch durchgesetzt. Dem können wir uns nicht verschliessen. Ist das Englische nicht auch eine Chance, unsere vielen Sprachgräben zur Westschweiz, zum Tessin und zum rätoromanischen Landesteil zu überbrücken und zudem die Hürden bei der Verständigung mit unseren ausländischen Mitbewohnern abzubauen? Aus all diesen Gründen hat die grosse Mehrheit des Thurgauer Parlaments entschieden. Dies ist geradezu ein fortschrittlicher Entscheid zur Förderung und zum Wohle unserer Kinder - und für einen effizienten Französischunterricht zur richtigen Zeit. Alles ein wenig, aber nichts richtig zu machen, scheint uns falsch.

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