Französisch soll im Thurgau erst ab der Oberstufe unterrichtet werden, Bild: Susann Basler
Französisch spaltet Mitteparteien, St. Galler Tagblatt, 11.8. von Silvan Meile
Mindestens in einem Punkt sind sich die Thurgauer uneins: ob an
der Primarschule eine oder zwei Fremdsprachen gelehrt werden sollen. Mit 51,9
Prozent Neinstimmen lehnten die Stimmberechtigten im Jahr 2006 an der Urne die
Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache an der Primarschule» knapp ab. Nun kommt
die Frage erneut aufs politische Parkett. Diesmal geht es explizit ums
Französisch.
Uneinigkeit in den Parteien
Am Mittwoch behandelt
der Grosse Rat den parlamentarischen Vorstoss «Französisch erst auf der
Sekundarstufe». Die ehemalige Kantonsrätin Verena Herzog (SVP, Frauenfeld) hat
dieses politische Begehren im Februar 2013 eingereicht. Darin wird verlangt,
den obligatorischen Französischunterricht aus dem Lehrplan der Primarschule zu
streichen. Viele der Primarschüler seien mit zwei Fremdsprachen überfordert,
lautet ein Hauptargument. 56 Parlamentarier unterschieben die Motion zur
Entlastung der Schüler. Breite Unterstützung erhält sie auch aus Lehrerkreisen.
Im Thurgauer Grossen Rat
wird mit Herzogs Vorstoss eine bekannte Debatte weitergeführt. Zwar ist die
aktuelle Motion zur Verbannung des Französischunterrichts in die Oberstufe von
Politikern aller Couleur getragen, doch das gilt auch bezüglich der Gegner des
Vorstosses. Tendenziell reisst das Frühfranzösisch aber einen Graben durch die
Mitte der Thurgauer Politlandschaft, denn vor allem die Mitteparteien sind
gespalten. Den grössten Zuspruch erhält die Abschaffung bei der SVP. Auf grosse
Ablehnung stösst sie bei der SP.
Die Stimmung kippt
«Französisch für alle
Thurgauer Kinder auf der Primarstufe abzuschaffen, käme einem Lernverbot
gleich, wogegen wir uns entschieden wehren müssen», sagt Cornelia Komposch,
Präsidentin der SP-Fraktion. Sehr erstaunt zeigt sie sich über die breite
Unterstützung der Motion durch den Lehrerverband. Um über Erfolg oder
Misserfolg des Fremdsprachenkonzepts an den Thurgauer Schulen entscheiden zu
können, sei es noch zu früh.
Seit dem Jahr 2000
würden an den Primarschulen zwei Fremdsprachen unterrichtet. «Nach so kurzer
Zeit verfügen wir nicht über ausreichende Erfahrungswerte, um Vergleiche ziehen
zu können», sagt Komposch, «eine grosse Mehrheit unserer Fraktion spricht sich
deshalb für die Beibehaltung von Frühfranzösisch an den Primarschulen aus.»
Anders tönt es bei der Schweizerischen Volkspartei, wo man mehrheitlich für die
Motion und somit gegen Frühfranzösisch ist. «Damit können wir im Hinblick auf
den neuen Lehrplan Druck ausüben», sagt Stephan Tobler (SVP, Arbon).
Die bürgerliche Mitte
zeigt sich noch unschlüssig, da sind die Meinungen noch nicht gemacht. «Wir
haben unsere Argumente noch nicht ausgetauscht», sagt FDP-Fraktionschef
Parolari. Es gebe Befürworter wie Gegner in den eigenen Reihen. Über die
Kräfteverhältnisse wisse er nicht genau Bescheid.
Auch die CVP-Fraktion
wird sich erst am Mittwoch vor der Parlamentssitzung noch abschliessend mit dem
Frühfranzösisch befassen. Es zeichnet sich dort aber ab, dass die Stimmung
kippt. «Anfänglich waren wir für die Motion, nun ist eine Tendenz gegen den
Vorstoss auszumachen», sagt Joos Bernhard, Chef der CVP/GLP-Fraktion.
Bundesrat droht mit Machtwort
Die Regierung empfiehlt
die Ablehnung der Motion und hält in ihrer Antwort am Frühfranzösisch fest. Sie
erwähnt auch, dass der Thurgau in dieser Bildungsfrage nicht alleine
entscheiden könne, schlägt aber vor, dass überforderte Schüler vom
Frühfranzösisch befreit werden könnten. Für alle anderen soll es aber
obligatorisch bleiben.
Mit seiner Diskussion um
die Abschaffung des Frühfranzösisch ist der Kanton Thurgau kein Einzelfall. In
mehreren Deutschschweizer Kantonen sind ähnliche Vorstösse hängig. Auch mit der
Uneinigkeit darüber sind die Thurgauer nicht allein, denn eine solche herrscht
im ganzen Land. Auch Bundesrat Alain Berset hat sich vergangenen Frühling in
diese Diskussion eingeschaltet und drohte durchzusetzen, dass an den
Primarschulen eine zweite Landessprache gelehrt werden muss.
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