11. August 2014

Frühfranz spaltet Thurgauer Mitteparteien

Am Mittwoch behandelt der Thurgauer Grosse Rat die Motion der ehemaligen SVP-Kantonsrätin (jetzt Nationalrätin) Verena Herzog. Diese fordert "Französisch erst auf der Sekundarstufe". Während die Positionen der SVP und der SP klar sind, herrscht bei den Mitteparteien FDP und CVP noch Unklarheit.




Französisch soll im Thurgau erst ab der Oberstufe unterrichtet werden, Bild: Susann Basler

Französisch spaltet Mitteparteien, St. Galler Tagblatt, 11.8. von Silvan Meile


Mindestens in einem Punkt sind sich die Thurgauer uneins: ob an der Primarschule eine oder zwei Fremdsprachen gelehrt werden sollen. Mit 51,9 Prozent Neinstimmen lehnten die Stimmberechtigten im Jahr 2006 an der Urne die Volksinitiative «Nur eine Fremdsprache an der Primarschule» knapp ab. Nun kommt die Frage erneut aufs politische Parkett. Diesmal geht es explizit ums Französisch.

Uneinigkeit in den Parteien

Am Mittwoch behandelt der Grosse Rat den parlamentarischen Vorstoss «Französisch erst auf der Sekundarstufe». Die ehemalige Kantonsrätin Verena Herzog (SVP, Frauenfeld) hat dieses politische Begehren im Februar 2013 eingereicht. Darin wird verlangt, den obligatorischen Französischunterricht aus dem Lehrplan der Primarschule zu streichen. Viele der Primarschüler seien mit zwei Fremdsprachen überfordert, lautet ein Hauptargument. 56 Parlamentarier unterschieben die Motion zur Entlastung der Schüler. Breite Unterstützung erhält sie auch aus Lehrerkreisen.
Im Thurgauer Grossen Rat wird mit Herzogs Vorstoss eine bekannte Debatte weitergeführt. Zwar ist die aktuelle Motion zur Verbannung des Französischunterrichts in die Oberstufe von Politikern aller Couleur getragen, doch das gilt auch bezüglich der Gegner des Vorstosses. Tendenziell reisst das Frühfranzösisch aber einen Graben durch die Mitte der Thurgauer Politlandschaft, denn vor allem die Mitteparteien sind gespalten. Den grössten Zuspruch erhält die Abschaffung bei der SVP. Auf grosse Ablehnung stösst sie bei der SP.

Die Stimmung kippt

«Französisch für alle Thurgauer Kinder auf der Primarstufe abzuschaffen, käme einem Lernverbot gleich, wogegen wir uns entschieden wehren müssen», sagt Cornelia Komposch, Präsidentin der SP-Fraktion. Sehr erstaunt zeigt sie sich über die breite Unterstützung der Motion durch den Lehrerverband. Um über Erfolg oder Misserfolg des Fremdsprachenkonzepts an den Thurgauer Schulen entscheiden zu können, sei es noch zu früh.
Seit dem Jahr 2000 würden an den Primarschulen zwei Fremdsprachen unterrichtet. «Nach so kurzer Zeit verfügen wir nicht über ausreichende Erfahrungswerte, um Vergleiche ziehen zu können», sagt Komposch, «eine grosse Mehrheit unserer Fraktion spricht sich deshalb für die Beibehaltung von Frühfranzösisch an den Primarschulen aus.» Anders tönt es bei der Schweizerischen Volkspartei, wo man mehrheitlich für die Motion und somit gegen Frühfranzösisch ist. «Damit können wir im Hinblick auf den neuen Lehrplan Druck ausüben», sagt Stephan Tobler (SVP, Arbon).
Die bürgerliche Mitte zeigt sich noch unschlüssig, da sind die Meinungen noch nicht gemacht. «Wir haben unsere Argumente noch nicht ausgetauscht», sagt FDP-Fraktionschef Parolari. Es gebe Befürworter wie Gegner in den eigenen Reihen. Über die Kräfteverhältnisse wisse er nicht genau Bescheid.
Auch die CVP-Fraktion wird sich erst am Mittwoch vor der Parlamentssitzung noch abschliessend mit dem Frühfranzösisch befassen. Es zeichnet sich dort aber ab, dass die Stimmung kippt. «Anfänglich waren wir für die Motion, nun ist eine Tendenz gegen den Vorstoss auszumachen», sagt Joos Bernhard, Chef der CVP/GLP-Fraktion.

Bundesrat droht mit Machtwort

Die Regierung empfiehlt die Ablehnung der Motion und hält in ihrer Antwort am Frühfranzösisch fest. Sie erwähnt auch, dass der Thurgau in dieser Bildungsfrage nicht alleine entscheiden könne, schlägt aber vor, dass überforderte Schüler vom Frühfranzösisch befreit werden könnten. Für alle anderen soll es aber obligatorisch bleiben.
Mit seiner Diskussion um die Abschaffung des Frühfranzösisch ist der Kanton Thurgau kein Einzelfall. In mehreren Deutschschweizer Kantonen sind ähnliche Vorstösse hängig. Auch mit der Uneinigkeit darüber sind die Thurgauer nicht allein, denn eine solche herrscht im ganzen Land. Auch Bundesrat Alain Berset hat sich vergangenen Frühling in diese Diskussion eingeschaltet und drohte durchzusetzen, dass an den Primarschulen eine zweite Landessprache gelehrt werden muss.


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