13. Juli 2014

Primarfremdsprachen: Viel Aufwand aus politischen Gründen

Peter Keller, Gymnasiallehrer und SVP-Nationalrat, äussert sich in einem Kommentar zu den Primarfremdsprachen.


Die SVP hat in Nidwalden eine Initiative lanciert, die nur noch eine Fremdsprache an der Primarschule will, Bild: SRF

Zwei Fremdsprchen in der Primarschule sind zu viel, Zürichsee Zeitung von Peter Keller

Wie viele Fremdsprachen sind sinnvoll in der Primarschule? Sind die Schüler überfordert mit Frühfranzösisch und Frühenglisch? Wie sprachenlastig soll der Unterricht sein? Diese drei Fragen sind pädagogische Fragen - und man soll sie bitte auch pädagogisch beantworten.

In verschiedenen Kantonen hat sich eine Mehrheit der Lehrerschaft für eine Verschiebung von Französisch in die Oberstufe ausgesprochen. Aus pädagogischen Gründen. Auch der Schweizer Lehrerverband (LCH) geht in diese Richtung. Schon 2011 äusserte sich der damalige Chefpädagoge des LCH, Anton Strittmatter, deutlich: "Aus sachlichen Gründen müsste man auf die zweite Fremdsprache verzichten, aber politisch ist das derzeit leider nicht durchsetzbar".

Die Sprachenfrage wird nun moralistisch aufgebauscht. Bundesrat Alain Berset spricht von einer "Gefährdung des nationalen Zusammenhalts". Diese Behauptung ist falsch. Zum Glück hat sich unser Land nie über eine Sprache oder eine Religion definiert, sonst wäre die Schweiz schon längstens auseinandergekracht. Viel wichtiger ist es, dass wir unseren Staat von unten nach oben organisieren: föderalistisch. Die Kantone können selber entscheiden, was gut für sie ist. Niemand soll dem zweisprachigen Freiburg vorschreiben, wie es seine Volksschule gestaltet. Aber dieses Recht steht auch allen anderen Kantonen zu. Wer bei der Sprachenfrage von "nationalem Zusammenhalt" redet und gleichzeitig den Föderalismus und Volksentscheide ausschalten will, macht sich unglaubwürdig.

Wenn der Frühfremdsprachenunterricht wirklich so erfolgreich  wäre, wie man bei seiner Einführung glaubte, würden wir diese Diskussion nicht führen. Fakt ist: Wie betreiben viel Aufwand für ein bisschen Frühfranzösisch und ein bisschen Frühenglisch. Eine Befragung von Lehrlingsausbildnern hat jedoch ergeben, dass rund ein Drittel der Lehrlinge "nachqualifiziert" werden muss. Das heisst, den Berufsanfängern fehlen wesentliche Grundlagen, um überhaupt eine Ausbildung zu bewältigen. Es geht hier nicht um Englisch oder Französisch, sondern um Deutsch und um einfache Rechenaufgaben, die nicht gelöst werden können. Hier muss man ansetzen.

Die Schweiz ist stolz auf ihr Berufsbildungssystem. Die meisten Jugendlichen machen eine Lehre, die ihnen viele Möglichkeiten bietet. Dank diesem Erfolgsmodell haben wir nur rund drei Prozent Jugendarbeitslosigkeit (in der EU sind es über zwanzig Prozent). Doch die Berufsbildung ist in Gefahr. In gewissen Branchen herrscht ein regelrechter Notstand an Lehrlingen. Das hat verschiedene Gründe. Sicher ist, dass der sprachenlastige Unterricht diese Situation verschärft. Wo bleibt das Werken, das technische Gestalten in der Primarschule? Viele Kinder könnten dort neue Begabungen entdecken und Bestätigung finden: Ich kann mit meinen Händen etwas anfangen.

Zwei Fremdsprachen in der Primarschule sind zu viel. Die Volksschule muss sich wieder auf ihren Kernauftrag besinnen: Den Jugendlichen das nötige Rüstzeug zu vermitteln, damit sie erfolgreich in das Berufsleben starten können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen