13. Juli 2014

Übermässiger Aufwand für ein gescheitertes Konzept

Der Aufwand der Schule für die zweite Fremdsprache in der Primarschule steht in keinem vernünftigen Verhältnis zum erreichten Resultat. Die Erfahrungen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Schüler mit dem Lernen zweier Fremdsprachen ganz oder teilweise überfordert ist. Mit nur zwei Wochenlektionen in jeder Fremdsprache ist es für die Lehrpersonen sehr schwierig, den sprachlichen Aufbau so zu gestalten, dass auch Schwächere längerfristig dem Unterricht folgen können. Vom neuen Konzept profitieren hingegen die Sprachbegabten, welche später aber auch ohne sprachliche Vorkenntnisse in der Sekundarschule rasch vorankommen würden. Diese Spitzenschüler werden gerne zitiert, wenn es um den Erfolg des frühen Sprachenlernens geht. Übersehen wird dabei, dass mit diesem sprachenlastigen Konzept viel zu viele Schüler den Mut und ihre ganze Lernfreude verlieren. Es nützt nichts, mit immer mehr Förderlektionen Defizite im Französisch oder allenfalls im Englisch beheben zu wollen, wenn die Schüler ganz andere Begabungen haben.



Amstutz: "Die Mittelstufe muss sich wieder auf die ganze Farbpalette ihres Bildungsauftrags besinnen".


Quelle: Hanspeter Amstutz 



Pädagogisch gesehen ist das Fremdsprachenkonzept gescheitert. Es hat die ganze Lehrerbildung mit überspannten Vorstellungen vom spielerischen Lernen auf Trab gehalten und die Weiterbildung der Lehrpersonen für Jahre in eine bestimmte Richtung gelenkt. Der Preis für den bescheidenen sprachlichen Gewinn ist zu hoch, wenn man sieht, welche pädagogischen Bereiche als Folge des ganzen Booms vernachlässigt wurden. Erst jetzt werden Stimmen wieder lauter, die mehr Investitionen in Fächer fordern, die Mittelstufenkindern sehr viel mehr bedeuten. So bietet ein farbiger Unterricht in Natur und Technik unzählige Möglichkeiten, um Kinder zu begeistern und sie als Nebeneffekt im Deutsch auf anschauliche Weise weiterzubringen. Die Mittelstufe muss sich wieder auf die ganze Farbpallette ihres Bildungsauftrags besinnen und die Lehrerpersonen sind für diese Aufgabe umfassend auszubilden.

Bildungspolitisch kann die Schule für die schon fast beängstigende Dominanz des Englischen gegenüber den andern Sprachen nicht verantwortlich gemacht werden. Wenn die englische Sprache heute in alle Lebensbereiche eindringt und oft inflationär verwendet wird, kann die Schule kaum stark dagegenhalten. Es hängt auch nicht vom frühen Beginn des Französischunterrichts ab, ob unser Land seinen Zusammenhalt bewahrt. Dass ein guter Unterricht in der zweiten Landessprache in der Volksschule seinen Platz haben muss, steht ausser Zweifel. Falls weiterhin Englisch in der Primarschule unterrichtet wird, gehört Französisch aber auf die Oberstufe. Es kann aber auch die umgekehrte Reihenfolge festgelegt werden. Das ist eine offene Frage. Die Politik kann aber nicht einfach schulferne Forderungen stellen und stillschweigend akzeptieren, wenn die Pädagogik mit einem schwachen Sprachenkonzept die Zeche für ein politisches Unbehagen bezahlen muss. Die Primarschule soll ihren Lehrplan so gestalten können, dass die grosse Mehrheit der Kinder gern zur Schule geht.

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