26. Juni 2014

Institutionalisierte Elternmitwirkung setzt sich nur zögerlich durch

Seit bald zehn Jahren ist die Elternmitwirkung im Zürcher Volksschulgesetz verankert. In der Praxis ist eine langwierige Entwicklung mit Hindernissen im Gang.
Mitwirkung üben, NZZ, 26.6. von Florian Bissig


Am Anfang eines Epochenwechsels stehen zwei, drei schwammige Paragrafen im Volksschulgesetz von 2005. Seither haben die Eltern ein Recht auf eine Mitwirkung, die über die individuelle Kooperation in Sachen eigenes Kind hinausgeht. Die Schulen sind verpflichtet, ein Reglement für eine institutionalisierte Elternmitwirkung auszuarbeiten. Natürlich ist es ausgeschlossen, dass die Eltern bei Personalentscheiden und in didaktischen Fragen mitreden. Tatsächlich zu entscheiden haben die Eltern ohnehin nichts. Das einzige konkrete Recht, das die zugehörige Volksschulverordnung den Eltern einräumt, ist das Anhörungsrecht beim Schulprogramm.
Ringen um bescheidenes Recht
Das scheint mager, denn Anhörung ist nicht Mitsprache. Und dazu kommt, dass der Gesetzgeber darauf bedacht war, die Autonomie der Schulgemeinden nicht anzutasten. Die Ausgestaltung der Reglemente obliegt den Schulkonferenzen und ihre Genehmigung den Schulpflegen. Das dürfte der Grund sein, wieso der Spielraum, der den Eltern in diesen Reglementen gewährt wird, für diese meist eher bescheiden ausfällt.
Vielmehr wird vor allem die Abgrenzung grossgeschrieben: was die Eltern alles nicht dürfen. Trotzdem bilden die Paragrafen den Anfang einer kleinen Revolution im Schneckentempo. Das verbriefte Recht der Eltern auf Mitwirkung in der Schule ist ein Novum. Von Alters her haben die Schulen ihre Autorität höchstens mit der Schulpflege geteilt, keineswegs aber mit den Eltern.
Seit rund zwei Jahren gibt es einen Verband, welcher der Mitwirkungs-Revolution im Kanton Zürich auf die Beine helfen will: die Kantonale Elternmitwirkungs-Organisation (KEO). Sie berät die Elternforen und Elternräte und verleiht den Anliegen der Eltern als Vernehmlassungs-Partnerin des Volksschulamts politisches Gewicht im Gesetzgebungsprozess. Das Gewicht könnte allerdings noch grösser sein, denn die KEO repräsentiert nicht alle Eltern im Kanton. Ihre Mitglieder sind nämlich nicht direkt die Elterngremien, sondern die Schulgemeinden, und von 204 Schulgemeinden sind zurzeit nur rund 100 Mitglied der KEO, wie deren Präsidentin Gabriela Kohler-Steinhauser auf Anfrage sagt. Die andere Hälfte der Schulgemeinden - meist kleinere ländliche Gemeinden - sei teilweise deshalb nicht dabei, weil es die Schulpflegen trotz dem Wunsch ihrer Elterngremien ablehnten, ein Beitrittsgesuch zu bewilligen.
Ein weiteres Problem ist, dass gewisse Schulen der Verordnung zum Trotz bis heute das Anhörungsrecht beim Schulprogramm in ihrem Reglement nicht aufgenommen haben, wie Kohler-Steinhauser sagt. So verwundere es nicht, dass die Elternmitwirkung oft als «Kuchenbackverein» wahrgenommen werde, dessen Aufgabe sich darin erschöpfe, Freiwilligenarbeit zu leisten, etwa in der Organisation von Elternbildungs-Veranstaltungen, Räbeliechtli-Umzügen oder Lese-Nächten.
Gerangel um Macht
Kohler-Steinhauser legt indessen Wert darauf zu betonen, dass es im ganzen Kanton erfolgreiche Projekte auf Initiative von Elterngremien gebe. Doch sie wünscht sich, dass sich die Schulen noch weiter öffnen für die Sicht und auch die Ressourcen der Eltern. «Die Elternmitwirkung ist noch ein junges Kind, und die neue Kultur muss sich an den Volksschulen immer noch entwickeln», sagt Kohler-Steinhauser. Sie ist überzeugt, dass die Schulen profitieren, wenn sie offen für die Initiative der Eltern sind. Würden sie in den Gesprächen zum Schulprogramm angehört, könnten sie auch ihre eigenen Aktivitäten besser auf die Bedürfnisse der Schule abstimmen. Die Ängste der Schulbehörden gegenüber einer solchen Öffnung sind für Kohler-Steinhauser unbegründet.
Für den Präsidenten des Schulpräsidentenverbands, Johannes Zollinger, ist die Zusammenarbeit von Schulbehörden und Elterngremien eine Frage der Übung. Sein Verband empfehle den Schulgemeinden den KEO-Beitritt, sagt er. Von verhinderten Beitritten wisse er nichts. Bei der institutionalisierten Elternmitwirkung ortet er neben der Schulpflege Reibungspotenzial. Doch das sei nichts Neues.

Zur Etablierung der Elternmitwirkung gehört also auch ein Gerangel um institutionalisierte Macht. Doch keinem Schulleiter oder Schulpfleger sollte ein Zacken aus der Krone fallen, wenn er dem bescheidenen Wunsch des Gesetzgebers nachkommt, Elterngremien aufzubauen und deren Meinung Gehör zu schenken. Aber es wäre ein kleines Zeichen mit grosser Bedeutung an die Eltern: Sie sind an der Schule angekommen.

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