22. Mai 2014

Protest gegen Streichung der Mehrklassenzulage

In einem Protestbrief an die Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli wehren sich 34 Weinländer Lehrpersonen gegen den Wegfall der Mehrklassenzulage. Kleine Dorfschulen seien dadurch gefährdet, was das Volksschulamt bestreitet.




Leistet ein Mehrklassenlehrer mehr als ein normaler Klassenlehrer? Bild: Keystone

Lehrerschaft sieht Dorfschulen in Gefahr, Landbote, 22.5. von Markus Brupbacher


Lehrpersonen, die in Schulklassen mit Kindern mehrerer Jahrgänge unterrichten, erhalten eine Mehrklassenzulage – noch. Denn ab dem 1. August fällt diese Zulage weg und wird durch eine sogenannte Einmalzulage ersetzt. Diese Entschädigung erhalten neu nicht nur Schulen mit jahrgangsgemischten Klassen, sondern alle Schulgemeinden. Weil aber der Gesamtbetrag gleich bleibt, wird das «Kuchenstück» für die Gemeinden mit Mehrjahrgangsklassen kleiner. Zurzeit werden in 146 von 204 Gemeinden solche Klassen geführt. Der Streichung der Mehrklassenzulage stimmte der Kantonsrat im Februar sehr deutlich zu. 
Mit der einmaligen Zulage soll die Schulpflege zwar weiterhin die Tätigkeit an mehrklassigen Klassen honorieren – aber nicht mehr ausschliesslich. «Damit werden auch die Schulgemeinden geschwächt, die für die Aufrechterhaltung ihrer Primarschule auf einen Mehrklassenbetrieb angewiesen sind», schrieben 34 Weinländer Lehrpersonen im April in einem Protestbrief an Bildungsdirektorin Regine Aeppli. «Grosse, meist städtische Schulkreise erhalten mit der Einmalzulage massiv mehr Geld», sagt Annette Hug, Regionalsekretärin des Verbandes des Personals Oeffentlicher Dienste (VPOD). Dem- ge­gen­über drohe den Lehrpersonen mit altersdurchmischten Klassen in kleinen Gemeinden eine drastische Einkommenskürzung von bis zu sechs Prozent. 
Schule im Dorf halten wollen 
Kleine, in der Regel ländliche Schulgemeinden unterrichten nach dem Modell des altersdurchmischten Lernens (ADL) oft nicht primär aus pädagogischen, sondern aus pragmatischen Gründen. So setzen zum Beispiel die Primarschulgemeinden von Benken, Mar­tha­len, Rhein­au und Trüllikon in erster Linie deshalb auf den Mehrklassenbetrieb, «um die Schule im Dorf halten zu können», so Hug. Durch die Streichung der Mehrklassenzulage falle ein zusätzlicher Anreiz weg für Lehrpersonen, in einer Dorfschule zu arbeiten. «Das schwächt die ländlichen Schulgemeinden auf dem Arbeitsmarkt, wodurch es für sie noch schwieriger wird, die Stellen auf dem Land zu besetzen.» Der Kanton sei gefordert, da Abhilfe zu schaffen. 
Aeppli spricht von Bevorzugung 
Für Lehrpersonen ist eine altersdurchmischte Klasse laut Hug deshalb aufwendiger, weil sie den Schulstoff für mehrere Klassen parallel vorbereiten und unterrichten müssen. Das sieht das kantonale Volksschulamt (VSA) anders. So habe sich die Si­tua­tion in den Klassen mit nur einem Jahrgang verändert, schreibt Regine Aeppli in ihrem Antwortbrief an die protestierenden Lehrpersonen aus dem Weinland. Solche Jahrgangsklassen seien in der Regel grösser als mehrklassige Klassen «und weisen oft ebenfalls einen sehr heterogenen Leistungsstand auf». Die systematische Bevorzugung von Lehrpersonen von mehrklassigen Klassen sei deshalb nicht mehr gerechtfertigt. 
Trotz Aepplis Absage appelliert der VPOD weiterhin an den Regierungsrat, den Gesamtbetrag für die Einmalzulage zu erhöhen, um so die Lohneinbussen der Mehrklassen-Lehrpersonen auszugleichen. Zudem fordert der Verband, dass die «drastische Einnahmeneinbusse» von kleinen Gemeinden, die auf den Betrieb von Mehrklassen angewiesen sind, behoben wird. 
«Natürlich verstehen wir die Bedenken», sagt Martin Wendelspiess, Chef des Volksschulamtes. Allerdings glaubt er, «dass viel wichtigere Kriterien für die Wahl einer Stelle entscheidend sind als die Zulage». Dass die Streichung der Mehrklassenabgeltung kleine Schulgemeinden zu Fusionen dränge, verneint Wendelspiess. Die Zulage sei weder ein Argument für noch gegen eine Fusion, da die Schulstandorte bei einer Fusion in aller Regel beibehalten würden. 
«Schwierige Regierungsrätin» 
Sollte es zu krassen Kürzungen von Lehrereinkommen kommen, würde der VPOD den Rechtsweg beschreiten. Die Mehrklassenzulage sei über Jahre ein Lohnbestandteil gewesen, dessen Streichung gegen Treu und Glauben verstosse, so Hug. Die betroffenen Lehrpersonen wurden erst mit der Lohnabrechnung vom 31. März über ihren künftig reduzierten Lohn informiert. Dass das Volksschulamt dabei auf Protokolle der Kantonsratssitzungen verweist, hält Hug für «absolut hanebüchen». Sie kritisiert, dass in einer derart wichtigen Sache «so schnodderig kommuniziert wird». Regine Aeppli sei eine «schwierige Regierungsrätin» – dass sich die Kommunikation mit ihrem Rücktritt bessert, hält Hug für möglich, aber: «Es kann aber auch schlimmer werden.» 


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