Homeschooling: Unterricht bei Mama in der Küche, Aargauer Zeitung, 25.5. von Elia Diehl
Frau
Binder, was haben Sie gegen Heimunterricht?
Marianne
Binder: In Regel- und Privatschulen gibt es ein ausgebautes
Qualitätsmanagement: Unterrichtsbesuche, Mitarbeitergespräche, gegenseitiges
Hospitieren, externe Kontrollen. Der Heimunterricht ist im Graubereich. Zwar
werden Leistungen der Kinder überprüft - allerdings nur einmal pro Jahr! Die
Unterrichtsführung selbst steht ausser Kontrolle. Störend ist, dass im Aargau
nur eine Meldepflicht und keine Bewilligungspflicht für die private Schulung
besteht und dass es keine Lehrbewilligung braucht wie in den meisten Kantonen.
Das werde ich fordern, wenn eine Erklärung ausbleibt.
Weshalb
braucht es das?
Wieso
sonst bilden wir Lehrer aus, wenn jeder unterrichten kann? Eine Lehrbewilligung
ist ein Beweis für Schulungsfähigkeiten.
Der
Kanton gibt die Lernziele im Lehrplan vor und kontrolliert diese auch.
Nicht
den Unterrichtsbetrieb, Methoden und Lehrmittel. Man kann auch mit der Bibel
oder mit Comics lesen lernen.
Die
Schweiz kennt keine Schulpflicht, bloss das Recht auf Bildung: Ergo, Hauptsache
die Kinder lernen ...
Die
Bundesverfassung sagt, der Grundschulunterricht müsse ausreichend und
obligatorisch sein. Das Aargauer Schulgesetz nennt explizit eine Schulpflicht,
die auch in Privatschulen oder einer privaten Schulung erfüllt werden kann,
doch es ist Aufgabe des Staates, ausreichenden Unterricht zu gewährleisten.
Auch beim Heimunterricht.
Die
Schule ist aber auch eine staatliche Institution, die Angestellte mit
Steuergeldern bezahlt, um fremde Kinder in grossen Klassen auszubilden ...
Trotzdem
muss die Kontrolle für alle gleich sein. Jedes Kind hat das Recht, adäquat an
Bildung herangeführt zu werden. Der Staat muss das wie auch die Sozialisation
und Integration der Kinder in die Gesellschaft sicherstellen.
Sie
befürchten, heimunterrichtete Kinder würden nicht sozialisiert?
Das
ist eine These. Heimunterricht trägt nicht unbedingt zur Integration bei. Die
Volksschule hat die wichtige Funktion, Kinder für das Leben in dieser
Gesellschaft vorzubereiten, ein Faktor gegen die zunehmende Individualisierung.
Sie
sagen, viele Eltern hätten religiöse Gründe für Heimunterricht. Worauf stützen
Sie diese Aussage?
In
Amerika ist es evident, auch in der Schweiz gehören die religiösen Gründe dazu,
und ich habe es von Inspektoren und Lehrern gehört. Mich interessieren jedoch alle
Gründe. Ist es Kritik und Misstrauen gegenüber der Schule oder anderen
Religionen?
Was
stört Sie an religiösen Gründen? Was ist mit der Glaubensfreiheit?
Weshalb
schickt man aus religiösen Gründen die Kinder nicht in die Schule? Können das
auch Sekten sein?
Ein
SVP-naher Homeschooling-Vater wirft Ihnen Populismus vor.
Ausgerechnet.
Ich stelle Fragen im Interesse der Kinder - offensichtlich unbequeme. Ein
Zeichen der Nervosität, wenn ihm keine bessere Antwort einfällt.
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