27. April 2014

Stadtzürcher Kreisschulpflege und Stadtrat als Parallelorganisationen

Der Stadtzürcher Schulvorsteher Gerold Lauber (CVP) wünscht sich eine schlankere Organisationsstruktur bei der Schulpflege. Konkret findet er die sieben Schulkreise mit deren vollamtlichen Präsidien (Jahreslohn: Fr. 190'000) als zu schwerfällig. Doch eine Zentralisierung der Macht beschneidet auch die Mitsprache der Bevölkerung. Eine Frage ist auch, ob die Schulpflegen und deren Präsidien zwingend von den Parteien aufgestellt werden sollen.





Will das momentane Parallelsystem verbessern: Gerold Lauber. Bild: Blick.


Schulbehörden auf Augenhöhe, NZZ, 26.4. von Natalie Avanzino


Der Zürcher Stadtrat Gerold Lauber hält die zweigleisige Behördenstruktur im Zürcher Schulsystem für grundsätzlich falsch. Neben Lauber, der dem Schul- und Sportdepartement vorsteht, amten in den sieben Stadtzürcher Schulkreisen zusätzlich Schulpräsidentinnen und -präsidenten. Am 18. Mai können die Wahlberechtigten neben der 25-köpfigen Kreisschulpflege auch deren Präsidien für die nächsten vier Jahre bestellen. Ginge es nach dem Gusto von Schulvorsteher Lauber, wären es die letzten Wahlen dieser Art. In den vergangenen Tagen liess er verlauten, er wolle sich von den überholten Strukturen verabschieden und Wege zu einer handlungsfähigeren, effizienten Organisation finden. Entsprechende Vorschläge will er in der nächsten Legislaturperiode in die politische Diskussion einbringen. Tatsächlich sind in den letzten Jahren ähnlich aufgestellte Behördenstrukturen erfolgreich reformiert worden, allen voran die Zürcher Sozialbehörde.
Dominante Sozialdemokraten
Das nostalgisch anmutende Schweizer Milizmodell in der Volksschule hat schon viele Angriffe überlebt. Bei Kommunikations- und Kompetenzgerangel im Stadtzürcher Schulbetrieb gibt es regelmässig emotionale Diskussionen. Läuft etwas aus dem Ruder, kommt am Ende meist Lauber in die Kritik, er habe seine Schulpflegen nicht im Griff. Es ist allerdings so, dass der Schulvorsteher gegenüber den Kreisschulpräsidenten nicht weisungsberechtigt ist. Bereits 2010 lieferte ein von Lauber und der Präsidentenkonferenz in Auftrag gegebener Expertenbericht Ideen zur Verbesserung des Parallelsystems. Der Bericht favorisierte eine Schulbehörde ohne demokratisch legitimierte Kreisschulpflegen und deren vollamtliche Präsidien, und er war für eine klare Trennung der Kompetenzen. Eine Legislaturperiode hat Lauber seither verstreichen lassen, unternommen hat er nicht viel. Festzuhalten ist, dass so umfassend, wie es der Bericht suggerierte, demokratische Legitimation und Effizienz sich nicht ausschliessen – sonst ginge es unserem Bildungswesen schlechter.
Bei der jetzigen Besetzung der Schulpräsidien ist die Dominanz der Sozialdemokraten augenfällig. Ist die SP, die zurzeit fünf der sieben Präsidien innehat, nur wählerstark oder einfach alerter, wenn es um die Besetzung der Schulpflege geht? Wo sind die Kandidaten der Bürgerlichen? Sind gewisse Parteien – wie etwa die Grünliberalen – noch nicht so weit, entsprechendes Personal aufzustellen, oder interessiert die Volksschule zu wenig? Wenn die Mitbestimmung im Schulwesen kein drängendes Anliegen der Parteien sein sollte, dann ist das System nicht mehr zeitgemäss und gehört abgeschafft. Demokratische Strukturen funktionieren nur so gut, wie sich politisch motivierte Menschen finden lassen, die sich einbringen und engagieren möchten. Glaubt man allerdings an die politischen Kräfte in diesem Land, muss man am Milizsystem der Volksschule festhalten. Die Möglichkeit des Einzelnen, mitzugestalten und nicht nur zu beobachten, muss erhalten bleiben.
Fragwürdige Zentralisierung der Macht
Es stellt sich die Frage, ob es zeitgemäss ist, dass die Schulpflegen und deren Präsidien von den Parteien aufgestellt werden. Ein durchlässigeres System wäre dem Wettbewerb zuträglicher. Für eine mit 190 000 Franken Jahreslohn dotierte Stelle liessen sich auch geeignete Kandidaten ohne Parteibuch finden. Eine andere Frage ist, ob diese Machtkumulation, die eine einschneidende Änderung ins Bildungswesen brächte, nicht bedenklich stimmen müsste. Lauber muss im jetzigen System mit sieben Kreisschulpräsidenten um Lösungen ringen. Das ist demokratisch orientierten Ansätzen zuträglicher als eine Zentralisierung der Macht. Der Stadtrat würde bei der Abschaffung der Schulpflegen starke Gegenüber verlieren. Es ist aber die Diskussion auf Augenhöhe, was die Schweizer Demokratie ausmacht – und was unsere Volksschule braucht.


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