Lehren für den Lehrplan 21, NZZ, 12.4. von Michael Schoenenberger
Eines vorneweg: An den grundlegenden Dingen wird im
Lehrplan 21 nicht gerüttelt, wenn er jetzt in eine Überarbeitungsphase
eintritt. Das Kompetenzmodell - auch als Paradigmenwechsel bezeichnet - bleibt,
ebenso wie Aufbau und Struktur des Plans. Wie Christian Amsler am Freitag vor
den Medien in Zürich begründete, teilt die ganz grosse Mehrheit jener, die sich
in der Konsultation zu Wort gemeldet haben, die eingeschlagene Richtung. Der
Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz der Deutschschweiz (D-EDK) betonte
weiter, eine Einschränkung der Methodenfreiheit sei damit nicht verbunden.
20 Prozent weniger
Insgesamt sind rund 1000 Stellungnahmen zum
Lehrplan 21 eingegangen (bei der D-EDK waren es 160), und nur in Einzelfällen
erfuhr dieser eine grundsätzliche Ablehnung. «Es drängt sich darum keine
grundlegende Änderung auf», sagte Amsler. Allerdings will man Kritik nun
teilweise aufnehmen und in der Überarbeitung, die im September abgeschlossen
sein soll, berücksichtigen. Aus der Sicht der D-EDK müssen bei Umfang und
Detaillierungsgrad, teilweise bei der Höhe der Anforderungen, bei der
ungenügenden Sichtbarkeit des Wissens als Grundlage einer Kompetenz sowie bei
ideologischen Inhalten und weltanschaulichen Themen Korrekturen stattfinden.
Beachtet würden sodann eine Vielzahl von Rückmeldungen zu fachlichen Details.
So wird der Lehrplan 21 um 20 Prozent gekürzt, zum
einen inhaltlich, zum anderen durch Beseitigung von Doppelspurigkeiten.
Kompetenzen oder Kompetenzstufen, die «zusammengehören», werden zusammengeführt.
In einzelnen Fachbereichen wird der Detaillierungsgrad angepasst, der
Kompetenzaufbau erfolgt weniger kleinschrittig. Fast alle Fachbereiche müssen
Umfänge reduzieren, so auch Deutsch und Mathematik. In anderen Bereichen werden
Reduktionen zunächst geprüft.
In ausgewählten Bereichen wird das Niveau der
Anforderungen gesenkt. Die Rede ist zudem nicht mehr vom Mindest-, aber vom
Grundanspruch. Das ist mehr als nur Semantik. Dieser nämlich muss von
Schülerinnen und Schülern «in der Regel» erreicht werden, spätestens bis zum
Ende des jeweiligen Zyklus. Noch nicht restlos klar scheint, wie weit die
Relativierung der Ansprüche gehen wird. Explizit genannt wird eine zeitliche
Flexibilisierung, womit dem Umstand Rechnung getragen würde, dass Lernende mit
unterschiedlichen Tempi vorwärtskommen. Sodann können Grundansprüche für
«einzelne», schwache Schülerinnen und Schüler «bei Bedarf» nach unten angepasst
werden. Hier wird wohl ein Jekami zu vermeiden sein. Weiter ist darauf zu
achten, dass es nicht zur Begriffsverwirrung kommt: Im Lehrplan 21 wird von
Grundansprüchen, in den nationalen Bildungsstandards von Grundkompetenzen die
Rede sein, die dann auch noch in den Lehrplan 21 einzuarbeiten sind. Wer wird
kompetent genug sein, dies alles analytisch genau auseinanderzuhalten?
Der Kritik, dass «das Wissen» im Lehrplan 21 zu
kurz komme, wird im Fachbereich Natur/Mensch/Gesellschaft insbesondere im 3.
Zyklus begegnet. Hier wird das «Kernwissen» klarer herausgearbeitet und
dargestellt. Generell wird jedoch darauf verwiesen, dass jede Kompetenz an sich
schon Wissen voraussetze. Konkretes Wissen - etwa zur Gründung des
Schweizerischen Bundesstaats - werde dann in den Lehrmitteln beschrieben, sagte
die Projektleiterin Kathrin Schmocker zur NZZ.
Begrenzte Module
Teilweise sind die Inhalte des Lehrplans 21
ideologisch gefärbt. Nun wird festgehalten, dass «die Vermittlung von
spezifischen Haltungen und Einstellungen nicht Gegenstand des Lehrplans 21
ist». Man wird die Macher beim Wort nehmen dürfen. Wichtig ist schliesslich,
dass ICT/Medien und Berufliche Orientierung neu als zeitlich und inhaltlich
begrenzte Module den Weg ins Klassenzimmer finden. Für die Berufsorientierung
müssen weiterhin 39 Lektionen genügen. Die Kantone können darüber hinausgehen.
Für ICT/Medien wird ein Modullehrplan ausgearbeitet.
Der Lehrplan 21 kann nicht zentralistisch an den Bürger vorbei unter Aushebelung des Föderalismus und der Direkten Demokratie eingeführt werden. Der Lehrplan 21 kann von den kantonalen Parlamenten (Kantonshoheit im Bildungswesen!) oder mit einer kantonalen Volksinitiative (braucht nicht so viele Unterschriften) versenkt werden, wie das Beispiel des "Komitees Starke Schule Baselland" (www.starke-schule-baselland.ch) zeigt.
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