Schon im ersten Jahr quittiert jeder sechste Lehrer den
Schuldienst, nach fünf Jahren ist die Hälfte weg
Viele Lehrer
verlassen das Schulzimmer nach wenigen Jahren wieder. Nun fordert der
Lehrerverband bessere Betreuung für Junglehrer.Den Schulen laufen die Lehrer davon, NZZaS, 6.4. von Katharina Bracher
Erstmals hat das Bundesamt für Statistik die Ausstiegsquoten der
Lehrer an Schweizer Volksschulen berechnet. Laut der Auswertung haben in den
Jahren 2010 und 2011 mehr als 17 Prozent der neuen Lehrer schon im ersten
Berufsjahr gekündigt. Rund 49 Prozent der neuen Lehrkräfte kehren dem
Schulzimmer innerhalb der ersten fünf Jahre nach Berufseinstieg vorübergehend
oder endgültig den Rücken. Ob diese Personen beabsichtigen, später wieder
einzusteigen, geht aus der Statistik nicht hervor.
Eher überraschend ist, dass lediglich 11 Prozent aller Austritte
auf Pensionierungen zurückzuführen sind. Denn Lehrerverbände und Bildungsdirektionen
warnen schon seit Jahren vor einer grossen Welle der Pensionierungen, welche
den Bedarf an Lehrern weiter erhöhen werde.
«Zu denken gibt mir vor allem die hohe Zahl der jungen
Lehrpersonen, die bereits im ersten Berufsjahr wieder aussteigen», sagt Beat
Zemp, Präsident des Lehrerdachverbandes Schweiz. Es gelte nun, die jungen
Lehrerinnen und Lehrer besser zu begleiten - etwa durch erfahrene Berufsleute.
Diese müssten eine Ausbildung zum Berufseinstiegs-Coach durchlaufen und über
genügend Zeit verfügen, um die neuen Berufskollegen zu betreuen.
Der Lehrerberuf sei eben traditionell ein «Aussteigerberuf»,
findet hingegen Christian Amsler, der Präsident der Deutschschweizer
Erziehungsdirektorenkonferenz. «Man unterbricht die Lehrtätigkeit und geht auf
Weltreise. Oder man bildet sich weiter in einem anderen Bereich - zum Beispiel
in der Heilpädagogik», erklärt er. Dass die Lehrer in die Privatwirtschaft
wechseln und dort der Schule für immer verloren gehen, glaubt Amsler aber
nicht. «Die Zeit, in der Lehrer einfach zu einer Versicherung oder auf die Bank
wechseln konnten, sind längst vorbei», sagt er.
Auch der Präsident der Konferenz der Pädagogischen Hochschulen,
Johannes Flury, relativiert die hohen Austrittsquoten. «In allen Berufen ist es
Realität, dass man in den ersten Jahren nach Berufseinstieg häufiger wechselt
als früher», findet Flury. Ausserdem sei die Austrittsquote in «weiblich
bestimmten Berufen» wie dem Lehrerberuf bekanntlich höher.
Zemp sagt, es brauche
eine Langzeitanalyse, welche der Frage nachginge, ob die aus dem Beruf
Ausgeschiedenen später wieder zurückkehrten. Tatsächlich beträgt der Anteil der
Wiedereinsteiger bei Neueinstellungen durchschnittlich 23 Prozent. Ob das
reicht, um die Verluste in den ersten Berufsjahren wettzumachen, ist allerdings
ungewiss.
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