6. April 2014

Hohe Ausstiegsquoten an der Volksschule

Schon im ersten Jahr quittiert jeder sechste Lehrer den Schuldienst, nach fünf Jahren ist die Hälfte weg
Viele Lehrer verlassen das Schulzimmer nach wenigen Jahren wieder. Nun fordert der Lehrerverband bessere Betreuung für Junglehrer.
Den Schulen laufen die Lehrer davon, NZZaS, 6.4. von Katharina Bracher


Erstmals hat das Bundesamt für Statistik die Ausstiegsquoten der Lehrer an Schweizer Volksschulen berechnet. Laut der Auswertung haben in den Jahren 2010 und 2011 mehr als 17 Prozent der neuen Lehrer schon im ersten Berufsjahr gekündigt. Rund 49 Prozent der neuen Lehrkräfte kehren dem Schulzimmer innerhalb der ersten fünf Jahre nach Berufseinstieg vorübergehend oder endgültig den Rücken. Ob diese Personen beabsichtigen, später wieder einzusteigen, geht aus der Statistik nicht hervor.
Eher überraschend ist, dass lediglich 11 Prozent aller Austritte auf Pensionierungen zurückzuführen sind. Denn Lehrerverbände und Bildungsdirektionen warnen schon seit Jahren vor einer grossen Welle der Pensionierungen, welche den Bedarf an Lehrern weiter erhöhen werde.
«Zu denken gibt mir vor allem die hohe Zahl der jungen Lehrpersonen, die bereits im ersten Berufsjahr wieder aussteigen», sagt Beat Zemp, Präsident des Lehrerdachverbandes Schweiz. Es gelte nun, die jungen Lehrerinnen und Lehrer besser zu begleiten - etwa durch erfahrene Berufsleute. Diese müssten eine Ausbildung zum Berufseinstiegs-Coach durchlaufen und über genügend Zeit verfügen, um die neuen Berufskollegen zu betreuen.
Der Lehrerberuf sei eben traditionell ein «Aussteigerberuf», findet hingegen Christian Amsler, der Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz. «Man unterbricht die Lehrtätigkeit und geht auf Weltreise. Oder man bildet sich weiter in einem anderen Bereich - zum Beispiel in der Heilpädagogik», erklärt er. Dass die Lehrer in die Privatwirtschaft wechseln und dort der Schule für immer verloren gehen, glaubt Amsler aber nicht. «Die Zeit, in der Lehrer einfach zu einer Versicherung oder auf die Bank wechseln konnten, sind längst vorbei», sagt er.
Auch der Präsident der Konferenz der Pädagogischen Hochschulen, Johannes Flury, relativiert die hohen Austrittsquoten. «In allen Berufen ist es Realität, dass man in den ersten Jahren nach Berufseinstieg häufiger wechselt als früher», findet Flury. Ausserdem sei die Austrittsquote in «weiblich bestimmten Berufen» wie dem Lehrerberuf bekanntlich höher.
Zemp sagt, es brauche eine Langzeitanalyse, welche der Frage nachginge, ob die aus dem Beruf Ausgeschiedenen später wieder zurückkehrten. Tatsächlich beträgt der Anteil der Wiedereinsteiger bei Neueinstellungen durchschnittlich 23 Prozent. Ob das reicht, um die Verluste in den ersten Berufsjahren wettzumachen, ist allerdings ungewiss.

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