3. April 2014

Baselbieter Seklehrern droht Jobverlust

Ein Viertel aller Pensen der Sekundarschullehrer im Kanton Baselland wird wegen Harmos wegfallen. Vielen Lehrern drohen Jobverlust oder Lohneinbussen.





Ein Wechsel an die Primarschule ist wenig beliebt, Bild: Keystone

Existenzängste bei Baselbieter Sek-Lehrern, Basler Zeitung, 3.4. von Boris Gygax


Philip Quayle weiss, dass er im Sommer 2015 seine Stelle als Sekundarlehrer verlieren wird. Der definitive Entscheid komme erst im Herbst, «doch eigentlich ist es jetzt schon klar». Der 30-Jährige machte sich bereits auf Stellensuche bei den Primarschulen – im Glauben, zum bisherigen Lohn weiterarbeiten zu können. Erst vor ein paar Wochen erfuhr er, dass die zugesicherte Besitzstandsgarantie vom Kanton an Bedingungen geknüpft ist: Nur wer bereits eine Ausbildung mit Primarlehrerpatent hat oder die Fächer Französisch und Englisch unterrichtete, darf zum gleichen Lohn weiterarbeiten.
«Sekundarschullehrern mit einem Primarstufendiplom, die für die Primarschule gewonnen werden können, finanziert der Kanton eine persönliche Zulage», bestätigt Alberto Schneebeli, Leiter Stabsstelle Bildung. Zusätzlich werde auf drei Jahre befristet der Besitzstand auch für Sekundarlehrpersonen in den Fächern Französisch und Englisch ohne Lehrdiplom für die Primarschule gewährt.
Für den werdenden Familienvater eine mittlere Katastrophe. Mit dieser Regelung fällt er als Primarlehrer vier Lohnklassen tiefer, von der 10. in die 14. Klasse. Das bedeute neu rund 5000 statt 7000 Franken Lohn. «Ich baue mir gerade eine Existenz auf, so etwas kann ich mir schlicht nicht leisten.» Die Regelung des Kantons sei ihm neu. Es fehlen klare Informationen, klagt Quayle. In einem Jahr sei es so weit, doch noch immer fehle ein Sozialplan.
Philip Quayle gehört zu dem Viertel der Sekundarlehrer, denen die Kündigung droht. Mit der Umstellung von fünf auf sechs Primarschuljahre, beziehungsweise von vier auf drei Sekundarschuljahre wird ein Viertel aller Pensen in den Sekundarschulen im Kanton gestrichen. Wen es trifft, bestimmt das Anciennitätsprinzip: Die ältesten Lehrpersonen dürfen bleiben, die jüngsten müssen gehen.
Mehr Verdienst als Arbeitsloser
Während der Kanton betont, dass er ohne Entlassungen auskommen möchte, glauben die befragten Sekundarlehrer «schon rein rechnerisch» nicht daran. «Bei uns werden elf Vollzeitstellen abgebaut, wie soll das kompensiert werden?», fragt sich Sekundarlehrer A. Die Thematik werde vom Kanton in der Öffentlichkeit schöngeredet.
Die Kommunikation seitens der Bildungsdirektion sei katastrophal, meint Sekundarlehrer B. Auch er will anonym bleiben. Er habe sich nach Gerüchten über die Bedingungen für die Besitzstandsgarantie beim Kanton erkundigen wollen, wie viele Lehrpersonen diese neue Regelung denn wirklich betreffe. «Fast niemand», sei die Antwort gewesen. Schneebeli widerspricht: «Die beiden Kategorien sind die grössten Gruppen, welche die Primarschulen beschäftigen wollen.»
Sekundarlehrer B., vierfacher Familienvater, wird keinen Vertrag mit einer Primarschule unterschreiben, wenn er einige Lohnstufen nach unten fällt. Er würde zwar den Prestigeverlust bei einem Wechsel in die Primarstufe in Kauf nehmen, doch aus existenziellen Gründen könne er keine grössere Lohnkürzung verkraften. «Sogar als stempelnder Arbeitsloser würde ich mehr verdienen.»
Der 31-Jährige suchte Rat beim Amt für Volksschulen, in der Hoffnung, eine verlässliche Antwort zu finden. Per Mail sei ihm schliesslich empfohlen worden, sich in den umliegenden Kantonen umzuschauen. «Das gibt einem das Gefühl, einfach abgeschoben zu werden.» Er habe auch schon das Gerücht gehört, dass man beim Kanton in Betracht ziehe, einige Lehrer in der Verwaltung anzustellen. Weitere berichten davon, beim Amt für Volksschulen Anfragen deponiert zu haben – ohne je eine Antwort zu erhalten. «Ich glaube, die Umsetzung vieler Reformen ist noch nicht klar», begründet Quayle die schlechte Kommunikation.
Nicht nur die möglichen finanziellen Einbussen bereiten den Seklehrern Sorgen. Diejenigen, die sich dazu entscheiden, auf die Primarstufe zu wechseln, müssen auch ihre Praxis drastisch umstellen. «Es ist ein ganz anderer Unterricht», sagt der 29-jährige Sekundarlehrer A. Auf diesen werden die künftigen Primarlehrer in einem einwöchigen Kurs in den Sommerferien mit derzeitigen Primarlehrern vorbereitet.
Für ihn als ausgebildeter Gymnasiallehrer käme eine Anstellung in einer Primarschule nicht infrage. Er werde sich eine Auszeit nehmen und hoffe, dass er nach der Umstellung bald wieder ins ursprüngliche Niveau zurückwechseln kann. Damit ist er nicht der Einzige. Alle befragten Sekundarlehrer möchten früher oder später zurückwechseln – sofern sie überhaupt als Primarlehrer arbeiten gehen. Ob ihnen das gelingt, ist zurzeit noch völlig unklar.
Ganz bitter sieht es für die Quereinsteiger aus. Für wenige Jahre temporär angestellt, nebenbei die Ausbildung absolvierend, stehen sie jetzt mit leeren Händen da. «Ich fühle mich als Lückenbüsser ausgenutzt», sagt ein älterer Quereinsteiger. Nach zwei Jahren Teilzeit kann er nur wenig Praxis aufweisen. Seine Chancen auf eine Wiederanstellung nach dem auslaufenden Vertrag seien sehr gering. «Ich habe wirklich ganz schlechte Karten.»


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