Ein Wechsel an die Primarschule ist wenig beliebt, Bild: Keystone
Existenzängste bei Baselbieter Sek-Lehrern, Basler Zeitung, 3.4. von Boris Gygax
Philip Quayle weiss, dass er im Sommer 2015 seine Stelle als
Sekundarlehrer verlieren wird. Der definitive Entscheid komme erst im Herbst,
«doch eigentlich ist es jetzt schon klar». Der 30-Jährige machte sich bereits
auf Stellensuche bei den Primarschulen – im Glauben, zum bisherigen Lohn
weiterarbeiten zu können. Erst vor ein paar Wochen erfuhr er, dass die zugesicherte
Besitzstandsgarantie vom Kanton an Bedingungen geknüpft ist: Nur wer bereits
eine Ausbildung mit Primarlehrerpatent hat oder die Fächer Französisch und
Englisch unterrichtete, darf zum gleichen Lohn weiterarbeiten.
«Sekundarschullehrern mit einem Primarstufendiplom, die für die
Primarschule gewonnen werden können, finanziert der Kanton eine persönliche
Zulage», bestätigt Alberto Schneebeli, Leiter Stabsstelle Bildung. Zusätzlich
werde auf drei Jahre befristet der Besitzstand auch für Sekundarlehrpersonen in
den Fächern Französisch und Englisch ohne Lehrdiplom für die Primarschule
gewährt.
Für den werdenden Familienvater eine mittlere Katastrophe. Mit
dieser Regelung fällt er als Primarlehrer vier Lohnklassen tiefer, von der 10.
in die 14. Klasse. Das bedeute neu rund 5000 statt 7000 Franken Lohn. «Ich baue
mir gerade eine Existenz auf, so etwas kann ich mir schlicht nicht leisten.»
Die Regelung des Kantons sei ihm neu. Es fehlen klare Informationen, klagt
Quayle. In einem Jahr sei es so weit, doch noch immer fehle ein Sozialplan.
Philip Quayle gehört zu dem Viertel der Sekundarlehrer, denen
die Kündigung droht. Mit der Umstellung von fünf auf sechs Primarschuljahre,
beziehungsweise von vier auf drei Sekundarschuljahre wird ein Viertel aller
Pensen in den Sekundarschulen im Kanton gestrichen. Wen es trifft, bestimmt das
Anciennitätsprinzip: Die ältesten Lehrpersonen dürfen bleiben, die jüngsten
müssen gehen.
Mehr Verdienst als Arbeitsloser
Während der Kanton betont, dass er ohne Entlassungen auskommen
möchte, glauben die befragten Sekundarlehrer «schon rein rechnerisch» nicht
daran. «Bei uns werden elf Vollzeitstellen abgebaut, wie soll das kompensiert
werden?», fragt sich Sekundarlehrer A. Die Thematik werde vom Kanton in der
Öffentlichkeit schöngeredet.
Die Kommunikation seitens der Bildungsdirektion sei
katastrophal, meint Sekundarlehrer B. Auch er will anonym bleiben. Er habe sich
nach Gerüchten über die Bedingungen für die Besitzstandsgarantie beim Kanton
erkundigen wollen, wie viele Lehrpersonen diese neue Regelung denn wirklich
betreffe. «Fast niemand», sei die Antwort gewesen. Schneebeli widerspricht:
«Die beiden Kategorien sind die grössten Gruppen, welche die Primarschulen
beschäftigen wollen.»
Sekundarlehrer B., vierfacher Familienvater, wird keinen Vertrag
mit einer Primarschule unterschreiben, wenn er einige Lohnstufen nach unten
fällt. Er würde zwar den Prestigeverlust bei einem Wechsel in die Primarstufe
in Kauf nehmen, doch aus existenziellen Gründen könne er keine grössere
Lohnkürzung verkraften. «Sogar als stempelnder Arbeitsloser würde ich mehr
verdienen.»
Der 31-Jährige suchte Rat beim Amt für Volksschulen, in der
Hoffnung, eine verlässliche Antwort zu finden. Per Mail sei ihm schliesslich
empfohlen worden, sich in den umliegenden Kantonen umzuschauen. «Das gibt einem
das Gefühl, einfach abgeschoben zu werden.» Er habe auch schon das Gerücht
gehört, dass man beim Kanton in Betracht ziehe, einige Lehrer in der Verwaltung
anzustellen. Weitere berichten davon, beim Amt für Volksschulen Anfragen deponiert
zu haben – ohne je eine Antwort zu erhalten. «Ich glaube, die Umsetzung vieler
Reformen ist noch nicht klar», begründet Quayle die schlechte Kommunikation.
Nicht nur die möglichen finanziellen Einbussen bereiten den
Seklehrern Sorgen. Diejenigen, die sich dazu entscheiden, auf die Primarstufe
zu wechseln, müssen auch ihre Praxis drastisch umstellen. «Es ist ein ganz
anderer Unterricht», sagt der 29-jährige Sekundarlehrer A. Auf diesen werden
die künftigen Primarlehrer in einem einwöchigen Kurs in den Sommerferien mit
derzeitigen Primarlehrern vorbereitet.
Für ihn als ausgebildeter Gymnasiallehrer käme eine Anstellung
in einer Primarschule nicht infrage. Er werde sich eine Auszeit nehmen und
hoffe, dass er nach der Umstellung bald wieder ins ursprüngliche Niveau
zurückwechseln kann. Damit ist er nicht der Einzige. Alle befragten
Sekundarlehrer möchten früher oder später zurückwechseln – sofern sie überhaupt
als Primarlehrer arbeiten gehen. Ob ihnen das gelingt, ist zurzeit noch völlig
unklar.
Ganz bitter sieht es für die Quereinsteiger aus. Für wenige
Jahre temporär angestellt, nebenbei die Ausbildung absolvierend, stehen sie
jetzt mit leeren Händen da. «Ich fühle mich als Lückenbüsser ausgenutzt», sagt
ein älterer Quereinsteiger. Nach zwei Jahren Teilzeit kann er nur wenig Praxis
aufweisen. Seine Chancen auf eine Wiederanstellung nach dem auslaufenden
Vertrag seien sehr gering. «Ich habe wirklich ganz schlechte Karten.»
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