12. März 2014

Zurückhaltung ist angesagt

In den Kantonen baut sich Druck auf, dass Bundesbern ein Machtwort zum Fremdsprachenunterricht auf Primarschulstufe spricht. Berset hat sich dem angeschlossen. Die Bundeskompetenz ist aber subsidiär und nur mit Zurückhaltung auszuspielen.




Als Chef des Departements des Innern kümmert sich Berset nicht nur um das Gesundheitswesen, sondern auch um den Erhalt der Sprachenvielfalt, Bild: NZZ

Berset will in kantonale Hochburg eindringen, NZZ, 12.3. von Claudia Schoch


Bundesrat Berset hat sich im Sprachenstreit an den Primarschulen weit zum Fenster hinausgelehnt. Er kündigte in der Fragestunde des Nationalrats an, dass jeder Schüler schon auf Stufe Primarschule die zweite Landessprache - in der Deutschschweiz namentlich Französisch - zu lernen habe. Sollten die Kantone sich darin uneinig sein, werde sich der Bund darum kümmern (NZZ 11. 3. 14). Schon Mitte Februar unterstrich er in einer Interpellationsantwort die Bedeutung des Unterrichts in einer zweiten Landessprache und verwies auf die subsidiäre Bundeskompetenz.
Warum nur mischt sich Berset ins Schulwesen ein? Wäre das nicht vielmehr Sache des Vorstehers des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung und somit von Bundesrat Schneider-Ammann? Berset sorgt sich als Chef des Departements des Innern um den Erhalt der Sprachenvielfalt. Das fällt in seinen Kulturauftrag. Da ist er zuständig für den Vollzug des Sprachengesetzes.
Hauptkompetenz der Kantone
Traditionell gehört das Schulwesen zu den klassischen Hoheitsbereichen der Kantone. Je nach Bildungsstufe ist allerdings auch dieses mittlerweile zu einer zwischen Kantonen und Bund verzahnten Aufgabe geworden. Dieser Entwicklung haben 2006 Volk und Kantone mit ihrer Zustimmung zum Verfassungsartikel zum Schulwesen (Art. 62 BV) Rechnung getragen. Danach sind zwar grundsätzlich weiterhin die Kantone für das Schulwesen zuständig. Der Verfassungsartikel verpflichtet aber zu einer Harmonisierung struktureller Eckwerte, so beim Schuleintritt, bei der Schulpflicht, der Dauer und den Zielen der verschiedenen Bildungsstufen und bei deren Übergängen sowie bei der Anerkennung der Abschlüsse. Seither besteht eine subsidiäre Kompetenz für den Bund, wenn die Kantone eine Harmonisierung nicht zustande bringen. Das zentrale Koordinationsorgan der Kantone ist die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).
Sie arbeitete die interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos-Konkordat) aus, der inzwischen 15 Kantone beigetreten sind. Der St. Galler Staatsrechtsprofessor Bernhard Ehrenzeller erkennt im Harmos-Konkordat einen eigentlichen Dynamisierungsschub in der Zusammenarbeit unter den Kantonen. Bei der EDK verweist man darauf, dass auch die Kantone, die der Vereinbarung nicht beigetreten sind, die Harmonisierungsziele, nicht zuletzt auch bei den Fremdsprachen, übernommen haben.
Damit erfüllen die Kantone die in der Verfassung angestrebte Harmonisierung. Heute wird fast überall ab der 3. und 5. Primarklasse die erste beziehungsweise zweite Fremdsprache unterrichtet - in der Westschweiz Deutsch als erste und Englisch als zweite Fremdsprache, in der Deutschschweiz (ausser den beiden Basel, Bern, Solothurn, Freiburg und dem Wallis) Englisch als erste und Französisch als zweite Sprache. Vorstösse in der Zentral- und Ostschweiz - Schaffhausen, Baselland, Thurgau, Solothurn, Graubünden, Luzern, Nidwalden (vgl. untenstehenden Artikel) -, die nur noch eine Fremdsprache auf Primarschulstufe fordern, drohen die Harmonisierung aufzubrechen. Davon ist man freilich noch einiges entfernt. Berset hat also seine Warnung früh ausgesprochen.
In letzter Konsequenz wäre der Bund aber, wie Ehrenzeller bestätigt, tatsächlich dazu berechtigt, Zielvorgaben zum Fremdsprachenunterricht für die Bildungsstufe der Primarschule zu machen. Diese könnten implizit zur Folge haben, dass eine zweite Landessprache auf Primarstufe in allen Kantonen unterrichtet werden müsste.
Wenig Begeisterung
Eine solche Einmischung durch den Bund dürfte weder in den Kantonen noch in Bundesbern Begeisterung auslösen. EDK-Präsident Christoph Eymann (Basel-Stadt) will möglichst im Rahmen der EDK die Lösung finden. Leicht dürfte das nicht fallen; denn, wie man bei der EDK in Erinnerung ruft, war der Fremdsprachenunterricht ab der 3. und 5. Primarklasse ein schwer erkämpfter Kompromiss.
Doch auch im Bundesparlament könnte Berset auf Granit beissen. Ob die Parlamentarier weiter gehen wollen als im 2007 verabschiedeten Sprachengesetz, ist ungewiss. Dieses hält fest, dass sich Bund und Kantone dafür einsetzen, dass die Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache verfügen. Das Festlegen einer Landessprache als erste Fremdsprache verwarf man damals aus politischen sowie verfassungsrechtlichen Gründen.

Leichtfertig darf der Bundesrat zudem nicht vom Subsidiaritätsprinzip abweichen. Ein Eingreifen verlangt nach einer erhöhten Begründungspflicht. Politische Opportunität ist für eine Bundesregelung keinesfalls ausreichend.

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