23. März 2014

Schulfunktionäre an die Front

Ein einfaches Rezept um die verkrusteten Fronten zwischen Schule und Administration aufzuweichen wäre, die Theoretiker und Administratoren regelmässig in die Schulstuben und die Lehrer entsprechend in die Büros zu schicken. 




Überwindung von Grenzen, Bild: bz

So könnten Regierung und Harmos-Gegner ihre Uneinigkeit überwinden, Basellandschaftliche Zeitung, 23.3. von Bojan Stula


Die Debatte um Harmos dreht sich im Kreis. Und sie wird weiterhin munter mit dem Streit um den Lehrplan 21 vermischt. Die Bildungsdirektion hält eisern an der Schulharmonisierung fest, das Komitee Starke Schule Baselland fordert ebenso eisern den Ausstieg aus dem Reformprogramm. Die Argumente, die beide Seiten vorbringen, sind in der Regel schon tausendfach durchgekaut worden. Neu war diese Woche bloss, dass nun auch der Baselbieter Lehrerverein auf die Linie der Harmos-Aussteiger einschwenkt.
Tatsächlich kann es mit der zustimmenden, aber schweigenden Mehrheit unter den Lehrern nicht allzu weit her sein, die Bildungsdirektor Urs Wüthrich immer dann anführt, wenn er die lästige Starke-Schule-Fraktion in die Schranken weisen will. Laut eigener Aussage begegnet der SP-Regierungsrat auf seinen häufigen Schulbesuchen vielen «aufgeschlossenen» Lehrerinnen und Lehrern, die mit der reformkritischen Haltung des Vereins nicht viel anfangen könnten.
Im Gegensatz dazu hat die Mitgliederbefragung des Lehrervereins nur das bestätigt, was jeder Mitmensch schon lange vermutet, der schulpflichtige Kinder hat und/oder Lehrerinnen und Lehrer zu seinem Bekanntenkreis zählt. Persönlich kenne ich keinen einzigen Lehrer, der nicht gereizt und zunehmend frustriert auf die von oben diktierte Reformitis, die administrative Lawine und Verbürokratisierung, den Sitzungsmarathon und die immer knapper fliessenden Mittel für Schulmaterial und ausserordentliche Aktivitäten reagiert.
Den Stossseufzer «Jetzt ist einfach mal genug» höre ich selbst von jungen, noch unverbrauchten Lehrkräften; meist verbunden mit der Drohung, demnächst den Bettel hinzuschmeissen. Wenn jetzt vier von fünf durch den Lehrerverein befragte Lehrer den Harmos-Ausstieg fordern, dann ist das nur der quantitative Ausdruck der allgemein empfundenen Belastung. Mit dem Berufsjammern auf hohem Niveau, welches der Lehrerschaft immer wieder gerne angedichtet wird, hat das rein gar nichts mehr zu tun.
Die Fundamentalkritik der Lehrer am Schulsystem ist schon derart oft thematisiert worden, dass sie längst in den politischen Diskurs übergegangen ist. Die Frage ist nur, wieso sich dann nichts ändert, obschon sich jeder zweite Vorstoss den Bürokratieabbau auf die Fahne schreibt und so viele Lehrer in den Kantonsparlamenten sitzen. Der vom Lehrerverein zitierte «tief reichende Vertrauensverlust in die Bildungspolitik» meint eigentlich etwas anderes: die zunehmende Entfremdung zwischen der Lehrerschaft und den Funktionären in Schulbehörden und Erziehungsdirektionen.
Beide bilden inzwischen monolithische Blöcke, die zwar vorgeben, miteinander zu reden, sich aber offenbar kaum noch verstehen. Die Lehrer entwickeln darum einen Anti-Reform-Reflex, mögen die angestrebten Änderungen noch so sinnvoll und naheliegend sein; die Verwaltungsebene reagiert mit der Haltung, dass man die störrische Lehrerschaft halt zu ihrem Glück zwingen muss.
Die Sage geht dahin, dass zu Maos Zeiten in der chinesischen Volksarmee Offiziere regelmässig Dienst als gewöhnliche Soldaten leisten mussten, um nie die Perspektive des einfachen Fussvolks zu vergessen. Wir plädieren für dasselbe System in den Schweizer Erziehungs- und Bildungsdirektionen: Jeder Schulfunktionär muss alle fünf Jahre für ein halbes Jahr als Lehrer an die Bildungsfront ausrücken. Der Lehrer darf dafür solange in die Amtsstube. Für den Staatskundeunterricht, höchstpersönlich von Bildungsdirektor Urs Wüthrich gegeben, würde ich mich sogar wieder freiwillig zur Schule melden.




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