Das neue Fach "Wirtschaft, Arbeit, Haushalt" reicht von Kochen bis zu ökonomischen Wertschöpfungsprozessen, Bild: Keystone
Fusioniert: Ökonomie und Kochen, Basler Zeitung, 21.3. von Thomas Dähler
Die vom Landrat bewilligten Baupläne für die Sekundarschule
Hinterzweien in Muttenz umfassen auch «zwei komplette Hauswirtschaftsküchen».
Die neuen Räumlichkeiten werden dringend gebraucht – nicht nur in Muttenz.
«Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» heisst das neue Fach, das die Kantone Baselland
und Basel-Stadt 2015 in ihren Sekundarschulen einführen wollen. Drei Lektionen
sind künftig in der 8. und zwei in der 9. Klasse geplant, für alle drei Niveaus
A, E und P ein fusioniertes Fach, das vom Kochen bis zu ökonomischen
Wertschöpfungsprozessen alles beinhaltet. Die Fusion von Wirtschaft und
Haushalt zu einem kombinierten Fach ist nicht die einzige. Kombinierte Fächer
sind eine Errungenschaft des Lehrplans 21, zumindest in der heute vorliegenden
Fassung – und sie ernten den Protest der Baselbieter Lehrerschaft.
Zwar sind die kombinierten Fächer bei der Vernehmlassung der
Deutschschweizer Erziehungsdirektoren zum Lehrplan 21 in den beiden Basel auf
Ablehnung gestossen. Doch beide Kantone glauben wohl nicht daran, dass die
Fächerkombinationen bei den gegenwärtigen Korrekturarbeiten am gemeinsamen
Lehrplan der Deutschschweizer Kantone noch zurückgenommen werden. Im Gegenteil:
Baselland und Basel-Stadt werden die ersten Kantone sein, die die kombinierten
Fächer exakt nach Lehrplan 21 einführen – wenn es nach dem Willen der
Baselbieter Bildungsdirektion und des Basler Erziehungsdepartements geht.
Bereits im Juni 2012 wurde die gemeinsame Stundentafel für die Sekundarschulen
der beiden Basel verabschiedet – damals noch ohne die Lehrerproteste, die sich inzwischen
eingestellt haben. Eingeführt wird die Stundentafel 2015, weil in den beiden
Basel zu diesem Zeitpunkt die neue dreijährige Sekundarschule eingeführt wird,
wie Hans Georg Signer, Leiter Mittelschulen und Berufsschulen in Basel-Stadt,
bestätigt.
Pioniercharakter
Wirtschaft wurde in beiden Basel bisher nicht unterrichtet und
Hauswirtschaft nur in den Baselbieter Niveaus A und E sowie in der Basler
Weiterbildungsschule. Das neue Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» hat deshalb
Pioniercharakter. Das gilt in geringerem Umfang für die neue Fächerkombination
«Natur und Technik», die Biologie, Chemie und Physik zusammenführen will. Ganz
neu ist dies nicht, denn immerhin werden heute Biologie und Chemie bereits
teilweise gemeinsam unterrichtet. Immerhin: Die Anzahl Lektionen in der
Stundentafel bleibt unter dem Strich unverändert. Gekürzt hingegen werden
Geografie und Geschichte im neu kombinierten Fach «Räume, Zeiten,
Gesellschaften». Geplant ist ein Viertel weniger Stunden.
Dass die beiden Basel den Lehrplan 21 schon nächstes Jahr
einführen wollen, ist höchstambitiös. Verabschieden wollen ihn die
Deutschschweizer Erziehungsdirektoren erst im Herbst dieses Jahres. Ob die von
den beiden Basel, dem Kanton Aargau, der SVP und einigen weiteren
Organisationen in der Vernehmlassung kritisierten Fächerkombinationen dabei
nochmals hinterfragt werden, ist offen. «Dazu kann man zurzeit noch nichts
sagen», erklärte Nicole Wespi, Kommunikationsbeauftragte des Lehrplans 21, auf
Anfrage. Welche Inhalte des Lehrplans 21 überarbeitet werden, entscheidet die
Steuergruppe des Projekts unter dem Vorsitz des Schaffhauser
Regierungspräsidenten Christian Amsler (FDP) erst Ende dieses Monats.
Wie Nicole Wespi bestätigt, planen die meisten Kantone die
Einführung des Lehrplans 21 auf das Schuljahr 2017/18. Im Aargau ist gemäss
Irène Richner, Leiterin Kommunikation im Departement Bildung, Kultur und Sport,
das Schuljahr 2017/18 sogar nur der früheste Einführungstermin. Dies erklärt
auch, weshalb es die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren mit einem Entscheid
zum Lehrplan 21 nicht eilig haben.
Kein Werk der Harmos-Kantone
Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist der Lehrplan 21 kein
Gemeinschaftswerk nur der Harmos-Kantone. Weder diese noch die übrigen Kantone
sind verpflichtet, den Lehrplan 21 einzuführen. Im Harmonisierungsartikel in
der Bundesverfassung heisst es nur: «Bund und Kantone koordinieren ihre
Anstrengungen und stellen ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Organe und
andere Vorkehren sicher.» Auch die interkantonale Vereinbarung der
Harmos-Kantone enthält nur eine offene Bestimmung: «Lehrpläne, Lehrmittel und
Evaluationsinstrumente sowie Bildungsstandards werden aufeinander abgestimmt.»
Dennoch kritisiert etwa das Komitee Starke Schule Baselland, das
die Harmos-Austritts-Initiative lanciert hat, die Mitgliedschaft im
Harmos-Konkordat und den Lehrplan 21 im selben Atemzug. Auch der Lehrerinnen-
und Lehrerverein (LVB) sieht in der Initiative zumindest eine mögliche
«Notbremse», wenn die Kritik am Lehrplan 21 und an den geplanten
Fächerkombinationen nichts fruchtet. Das LVB-Komitee, das diese Woche über 1100
Unterschriften mit Forderungen zu den neuen Kombifächern präsentierte, möchte
auf die neuen Fächer am liebsten ganz verzichten. Ursprünglich habe man sogar
vorgehabt, die Streichung der Fächerkombinationen zu verlangen, hatten die
Oberwiler Seklehrer Nadine Berger und Lukas Erni am Dienstag an der
Medienkonferenz gesagt.
Unterdessen äussert sich das Unterschriften-Komitee nicht mehr
dazu. Dessen Vertreter Otto Schwarzenbach erklärte gegenüber der BaZ, man habe
vereinbart, dass nur noch LVB-Interimspräsident Michael Weiss und dessen
designierter Nachfolger Stellung nehmen würden. «Lieber wäre uns ein Verzicht»,
sagte zwar auch Weiss gegenüber der BaZ. Doch man akzeptiere die Fächerkombinationen,
weil sie sich kaum noch verhindern liessen.
Nur qualifizierte Lehrkräfte
Der LVB fordert aber, dass die kombinierten Fächer nur von
Lehrkräften unterrichtet werden, die für die einzelnen Teilfächer fachlich
qualifiziert seien. Noch seien die konkreten Lehrinhalte nicht bekannt, sagte
Weiss. «2015 ist deshalb klar zu früh für eine Einführung.» Zumindest in
Basel-Stadt ist dieser Einführungstermin nicht infrage gestellt. Beim
Erziehungsdepartement geht Hans Georg Signer davon aus, dass die neue
Stundentafel 2015 eingeführt wird. Klar ist auch, dass die neuen
Fächerkombinationen von qualifizierten Lehrpersonen unterrichtet werden. Sollte
es an genügend qualifizierten Lehrpersonen fehlen, werde man nach Möglichkeit
Lehrpersonen nachqualifizieren oder «im absoluten Notfall» zwei Lehrer
einsetzen. Wer die neuen Kombi-Fächer im Baselbiet unterrichtet, konnte
hingegen gestern Vormittag in Liestal niemand auf Anhieb sagen. Die
Bildungsdirektion versprach am Nachmittag, die Frage heute zu beantworten.
Ob die Bildungsdirektion den Lehrplan 21 in eigener Kompetenz
beschliessen kann, ist noch nicht sicher. Elisabeth Augstburger und fünf
Mitunterzeichner verlangen mit einer Motion im Landrat, dass das Parlament über
den Lehrplan 21 entscheidet. Damit bleibt offen, ob ökonomische Zusammenhänge
und Kochkünste dereinst wirklich im selben Fach unterrichtet werden.
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