21. März 2014

Die beiden Basel als Pionierkantone

Die beiden Basel halten daran fest, den Lehrplan 21 im August 2015 einzuführen. Derweil kritisieren die Lehrpersonen die Fächerkombinationen, wie z.B. Ökonomie und Kochen. Dafür gebe es keine ausgebildeten Lehrpersonen.




Das neue Fach "Wirtschaft, Arbeit, Haushalt" reicht von Kochen bis zu ökonomischen Wertschöpfungsprozessen, Bild: Keystone

Fusioniert: Ökonomie und Kochen, Basler Zeitung, 21.3. von Thomas Dähler


Die vom Landrat bewilligten Baupläne für die Sekundarschule Hinterzweien in Muttenz umfassen auch «zwei komplette Hauswirtschaftsküchen». Die neuen Räumlichkeiten werden dringend gebraucht – nicht nur in Muttenz. «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» heisst das neue Fach, das die Kantone Baselland und Basel-Stadt 2015 in ihren Sekundarschulen einführen wollen. Drei Lektionen sind künftig in der 8. und zwei in der 9. Klasse geplant, für alle drei Niveaus A, E und P ein fusioniertes Fach, das vom Kochen bis zu ökonomischen Wertschöpfungsprozessen alles beinhaltet. Die Fusion von Wirtschaft und Haushalt zu einem kombinierten Fach ist nicht die einzige. Kombinierte Fächer sind eine Errungenschaft des Lehrplans 21, zumindest in der heute vorliegenden Fassung – und sie ernten den Protest der Baselbieter Lehrerschaft.
Zwar sind die kombinierten Fächer bei der Vernehmlassung der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren zum Lehrplan 21 in den beiden Basel auf Ablehnung gestossen. Doch beide Kantone glauben wohl nicht daran, dass die Fächerkombinationen bei den gegenwärtigen Korrekturarbeiten am gemeinsamen Lehrplan der Deutschschweizer Kantone noch zurückgenommen werden. Im Gegenteil: Baselland und Basel-Stadt werden die ersten Kantone sein, die die kombinierten Fächer exakt nach Lehrplan 21 einführen – wenn es nach dem Willen der Baselbieter Bildungsdirektion und des Basler Erziehungsdepartements geht. Bereits im Juni 2012 wurde die gemeinsame Stundentafel für die Sekundarschulen der beiden Basel verabschiedet – damals noch ohne die Lehrerproteste, die sich inzwischen eingestellt haben. Eingeführt wird die Stundentafel 2015, weil in den beiden Basel zu diesem Zeitpunkt die neue dreijährige Sekundarschule eingeführt wird, wie Hans Georg Signer, Leiter Mittelschulen und Berufsschulen in Basel-Stadt, bestätigt.
Pioniercharakter
Wirtschaft wurde in beiden Basel bisher nicht unterrichtet und Hauswirtschaft nur in den Baselbieter Niveaus A und E sowie in der Basler Weiterbildungsschule. Das neue Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» hat deshalb Pioniercharakter. Das gilt in geringerem Umfang für die neue Fächerkombination «Natur und Technik», die Biologie, Chemie und Physik zusammenführen will. Ganz neu ist dies nicht, denn immerhin werden heute Biologie und Chemie bereits teilweise gemeinsam unterrichtet. Immerhin: Die Anzahl Lektionen in der Stundentafel bleibt unter dem Strich unverändert. Gekürzt hingegen werden Geografie und Geschichte im neu kombinierten Fach «Räume, Zeiten, Gesellschaften». Geplant ist ein Viertel weniger Stunden.
Dass die beiden Basel den Lehrplan 21 schon nächstes Jahr einführen wollen, ist höchstambitiös. Verabschieden wollen ihn die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren erst im Herbst dieses Jahres. Ob die von den beiden Basel, dem Kanton Aargau, der SVP und einigen weiteren Organisationen in der Vernehmlassung kritisierten Fächerkom­binationen dabei nochmals hinterfragt werden, ist offen. «Dazu kann man zurzeit noch nichts sagen», erklärte Nicole Wespi, Kommunikationsbeauftragte des Lehrplans 21, auf Anfrage. Welche Inhalte des Lehrplans 21 überarbeitet werden, entscheidet die Steuergruppe des Projekts unter dem Vorsitz des Schaffhauser Regierungspräsidenten Christian Amsler (FDP) erst Ende dieses Monats.
Wie Nicole Wespi bestätigt, planen die meisten Kantone die Einführung des Lehrplans 21 auf das Schuljahr 2017/18. Im Aargau ist gemäss Irène Richner, Leiterin Kommunikation im Departement Bildung, Kultur und Sport, das Schuljahr 2017/18 sogar nur der früheste Einführungstermin. Dies erklärt auch, weshalb es die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren mit einem Entscheid zum Lehrplan 21 nicht eilig haben.
Kein Werk der Harmos-Kantone
Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist der Lehrplan 21 kein Gemeinschaftswerk nur der Harmos-Kantone. Weder diese noch die übrigen Kantone sind verpflichtet, den Lehrplan 21 einzuführen. Im Harmonisierungsartikel in der Bundesverfassung heisst es nur: «Bund und Kantone koordinieren ihre Anstrengungen und stellen ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Organe und andere Vorkehren sicher.» Auch die interkantonale Vereinbarung der Harmos-Kantone enthält nur eine offene Bestimmung: «Lehrpläne, Lehrmittel und Evalua­tionsinstrumente sowie Bildungsstandards werden aufeinander abgestimmt.»
Dennoch kritisiert etwa das Komitee Starke Schule Baselland, das die Harmos-Austritts-Initiative lanciert hat, die Mitgliedschaft im Harmos-Konkordat und den Lehrplan 21 im selben Atemzug. Auch der Lehrerinnen- und Lehrerverein (LVB) sieht in der Initiative zumindest eine mögliche «Notbremse», wenn die Kritik am Lehrplan 21 und an den geplanten Fächerkombinationen nichts fruchtet. Das LVB-Komitee, das diese Woche über 1100 Unterschriften mit Forderungen zu den neuen Kombifächern präsentierte, möchte auf die neuen Fächer am liebsten ganz verzichten. Ursprünglich habe man sogar vorgehabt, die Streichung der Fächerkombinationen zu verlangen, hatten die Oberwiler Seklehrer Nadine Berger und Lukas Erni am Dienstag an der Medienkonferenz gesagt.
Unterdessen äussert sich das Unterschriften-Komitee nicht mehr dazu. Dessen Vertreter Otto Schwarzenbach erklärte gegenüber der BaZ, man habe vereinbart, dass nur noch LVB-­Interimspräsident Michael Weiss und dessen designierter Nachfolger Stellung nehmen würden. «Lieber wäre uns ein Verzicht», sagte zwar auch Weiss gegenüber der BaZ. Doch man akzeptiere die Fächerkombinationen, weil sie sich kaum noch verhindern liessen.
Nur qualifizierte Lehrkräfte
Der LVB fordert aber, dass die kombinierten Fächer nur von Lehrkräften unterrichtet werden, die für die einzelnen Teilfächer fachlich qualifiziert seien. Noch seien die konkreten Lehrinhalte nicht bekannt, sagte Weiss. «2015 ist deshalb klar zu früh für eine Einführung.» Zumindest in Basel-Stadt ist dieser Einführungstermin nicht infrage gestellt. Beim Erziehungsdepartement geht Hans Georg Signer davon aus, dass die neue Stundentafel 2015 eingeführt wird. Klar ist auch, dass die neuen Fächerkombinationen von qualifizierten Lehrpersonen unterrichtet werden. Sollte es an genügend qualifizierten Lehrpersonen fehlen, werde man nach Möglichkeit Lehrpersonen nachqualifizieren oder «im absoluten Notfall» zwei Lehrer einsetzen. Wer die neuen Kombi-Fächer im Baselbiet unterrichtet, konn­te hingegen gestern Vormittag in Liestal niemand auf Anhieb sagen. Die Bildungsdirek­tion versprach am Nachmittag, die Frage heute zu beantworten.
Ob die Bildungsdirektion den Lehrplan 21 in eigener Kompetenz beschliessen kann, ist noch nicht sicher. Elisabeth Augstburger und fünf Mitunterzeichner verlangen mit einer Motion im Landrat, dass das Parlament über den Lehrplan 21 entscheidet. Damit bleibt offen, ob ökonomische Zusammenhänge und Kochkünste dereinst wirklich im selben Fach unterrichtet werden.


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