Bevor Klassen gestrichen werden, wird das Wahlfachangebot gekürzt, Bild: Keystone
Aderlass bei den Wahlfächern, Berner Zeitung, 7.3. von Christoph Aebischer
Normalerweise ist die Mitgliederversammlung des Verbands der
Berner Schulbehörden Formsache. Am Donnerstagabend zog das Referat von
Erziehungsdirektor Bernhard Pulver aber deutlich mehr Gemeinderäte und
Schulleiter in die Aula des Berner Gymnasiums Kirchenfeld. Es ging um die
Umsetzung der umstrittenen Sparmassnahme bei den Klassengrössen.
Die aktuell laufende Klassenorganisation für das nächste
Schuljahr steht unter diesem Zeichen: Der Grosse Rat verlangte im November,
dass die durchschnittliche Klassengrösse von 19,2 auf 19,7 angehoben wird. Doch
weil die Erziehungsdirektion (ERZ) ihre eigenen Ziele bisher verfehlte, liegt
sie aktuell erst bei etwas mehr als 18,5 (wir berichteten).
Im Dezember 2013 ist die ERZ mit Planungsgrundlagen auf die
Schulen und Gemeinden zugegangen. Würden die darin enthaltenen Zielgrössen
erreicht, stellt Bernhard Pulver auf Anfrage fest, werde der Schnitt von 19,2
erreicht, nicht aber die anvisierten 19,7. «Wir geben ihnen aber sicher zwei
Schuljahre Zeit dafür», sagt Pulver.
Druck auf Wahlfachangebot
Schon das Erreichen des ersten Zwischenschritts für Sommer 2014
ist aber offenbar schwierig: «Das ist Knochenarbeit für die Schulinspektorate»,
betont Erwin Sommer, Leiter des kantonalen Volksschulamts. Zusammen mit den
Gemeinden werde derzeit nach den verträglichsten Lösungen gesucht. Wo möglich
würden Klassen geschlossen, wo nicht, einzelne Lektionen gestrichen. In Köniz
etwa laute die Vorgabe 1,1 Lektionen weniger pro Klasse. «Absehbar ist, dass
viele Gemeinden das Angebot an Wahlfächern reduzieren. Das wollten wir
unbedingt vermeiden», bedauert Sommer. Im nächsten Jahr werde die Sparübung
dann wohl Entlassungen zur Folge haben.
Einen Überblick über die Umsetzungsstrategien fehlt Sommer
derzeit. Die Pensenmeldungen aus den Gemeinden müssen Mitte Juni bei den
Schulinspektoraten deponiert sein. Die Zentrale wird erst Ende August wissen,
wie die Auswirkungen im Detail aussehen.
Der Prozess sorgt aber nicht überall für Kopfzerbrechen. Die
Stadt Bern wird sogar neue Schulklassen eröffnen: «Bei uns steigt die Schülerzahl»,
begründet Jörg Moor, stellvertretender Leiter des Schulamts. Die Vorgabe, den
Klassenschnitt von heute 19,7 auf 20 anzuheben, wird trotzdem erfüllt. Gespart
werde in der Stadt Bern unter dem Strich nichts. Man befinde sich aber
innerhalb der kantonalen Richtwerte: Im Kindergarten sollen pro Kind nicht mehr
als 1,5 Lehrerlektionen pro Woche aufgewendet werden. Pro Kindergartenklasse
macht das im Schnitt 27 Lektionen. In der Primarschule sind es 1,7 Lektionen
und auf der Sekundarstufe 2 Lektionen pro Schüler.
Das Anheben der durchschnittlichen Klassengrösse senkt nicht per
se die Kosten, bestätigt Sommer. Entscheidend sei auch die Anzahl Lektionen pro
Schüler, und diese hänge eben auch von anderen Faktoren wie abteilungsweisem
Unterricht ab. Darum wolle man die Klassengrösse als alleiniges
Steuerungsinstrument mittelfristig durch ein neues System ablösen. Pulver will
dieses aber vorher in einem Schulversuch testen.
Pulver: «Mit Augenmass»
Pulver betonte gestern Abend vor den Schulbehörden, er wolle kein
Chaos anrichten an den Schulen und die Sparvorgabe mit Augenmass umsetzen.
Letztlich sei das auch der Grundtenor gewesen, den er im Grossen Rat vernommen
habe. Insbesondere sollen nicht kurzfristig Klassen geschlossen werden, wenn
wachsende Schülerzahlen im Jahr darauf deren Wiedereröffnung verlange.
Rücksicht solle auch genommen werden, wenn Schulstandorte gefährdet sind oder
bei schwierigen Verhältnissen in einer Klasse. Die Frage ist also nicht, ob für
das laufende Jahr ein Nachkredit nötig ist – offen ist nur, wie hoch er
ausfallen wird.
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