Zweisprachige Schulen: Gleichzeitig Integration und Spracherwerb, Bild:box.arte.tv
"Zweisprachige Schulen wären ein Mehrwert für alle", NZZ, 6.3. Interview mit Julia Morais von Dorothée Vögeli
Mehr Informationsangebote auf Englisch und
ein zweisprachiger Unterricht bereits auf Primarstufe: So will Julia Morais,
Leiterin der kantonalen Fachstelle für Integrationsfragen, gut qualifizierte
Ausländer integrieren.
Die Studie zur «neuen» Einwanderung ist eine
Momentaufnahme. Nicht berücksichtigt sind aktuelle Tendenzen wie der Rückgang
der deutschen Einwanderung. Wie sinnvoll ist es, das kantonale
Integrationsprogramm danach auszurichten?
Die Studie nimmt die letzten zehn Jahre in
den Blick und vervollständigt unsere jährlichen Analysen. Solche Ergänzungen
sind sinnvoll; im Ergebnis stützt die Untersuchung die Ausrichtung des
kantonalen Integrationsprogramms.
Welche Stossrichtung hat dieses?
Angesichts der starken Zuwanderung von gut
Qualifizierten möchten wir die Willkommenskultur besser auf diese Gruppe
ausrichten. Dass die Studie nun unsere These stützt, freut uns sehr.
Die Studie klammert die Expats davon aus - im
Gegensatz dazu plädierten Sie früher für eine verstärkte Integration auch
dieser Gruppe.
Ja, aber der Begriff «Expat» war für mich zu
wenig klar definiert. Mitunter wurde ihre Zahl auf 200 000 geschätzt. Deshalb
gaben wir diese Studie in Auftrag. Nun zeigt sich, dass die Expats bloss eine
ganz kleine Gruppe sind. Es zeigt sich aber auch, dass gerade bei den
Englischsprechenden, die hier sesshaft werden, zusätzliche
Integrationsanstrengungen nötig sind.
Sind spezifische Kursangebote für
Gutverdienende eine staatliche Aufgabe?
Nein, natürlich nicht. Aber wir sind von
Gesetzes wegen verpflichtet, auch hochqualifizierten Einwanderern adäquate
Willkommens- und Informationsangebote etwa auf Englisch anzubieten.
Muss nun auch das Schalterpersonal in
Englisch geschult werden?
Es ist sinnvoll, die sprachlichen Kompetenzen
des Personals zu stärken. Allerdings sind jene Gemeinden, die sich am
kantonalen Integrationsprogramm beteiligen, bereits sensibilisiert und stellen
Leute mit guten Sprachkenntnissen an.
Auch hochqualifizierte Ausländer sollten
schnell Deutsch lernen. Läuft dem nicht der Vorschlag der Studienverfasser nach
zweisprachigen Schulen zuwider?
Deutsch- und zugleich englischsprachige
Schulen wären ein Mehrwert für alle - auch Schweizer Kinder hätten so ganz
andere Startmöglichkeiten. Für den Einwanderungskanton Zürich wäre es ein
grosser Gewinn, wenn bereits auf Primarstufe der zweisprachige Unterricht
eingeführt würde.
Werden Sie mit der Bildungsdirektion Kontakt
aufnehmen?
Natürlich, die Bildungsdirektion ist auch in
der Begleitgruppe des kantonalen Integrationsprogramms vertreten.
Die in der Untersuchung eruierten
Integrationsbedürfnisse beruhen auf Einschätzungen von Experten, Betroffene
wurden nicht befragt. Wie zuverlässig sind die Aussagen?
Das wäre ein Manko, wenn die Befragten nicht
so nah an der Praxis wären. Sie kennen aber die Zielgruppen gut und haben oft
auch selber einen Migrationshintergrund. Daher sind meines Erachtens
verlässliche Aussagen möglich.
Gemäss Experten sind gut qualifizierte
Ausländer interessiert, sich in Vereinen und in der Freiwilligenarbeit zu
engagieren. Warum tun sie es nicht?
Sie wissen nicht immer, wo sie sich konkret
engagieren könnten. Sie brauchen mehr Tipps und Beratungen auch seitens der
Gemeinden und Arbeitgeber.
Auch neu zuziehende Schweizer engagieren sich
nicht mehr in Vereinen. Integration läuft über Social Media . . .
Social Media werden die realen Begegnungen
nie ersetzen. Gerade Migranten engagieren sich gerne in Vereinen.
Aber solche Strukturen lösen sich auf, die
Gesellschaft wird heterogener.
Zweifellos. Viele Ausländer nehmen jedoch die
Schweiz als geschlossene Gesellschaft wahr. Deshalb müssen die Vereine
flexibler werden und sich Ausländer und Schweizer mehr öffnen.
Der Bund unterstützt das kantonale
Integrationsprogramm mit 6,5 Millionen Franken. Wie viel soll in Angebote für
Hochqualifizierte fliessen?
Wir werden uns weiterhin auf bildungsferne
Einwanderer konzentrieren. Für die gut Qualifizierten werden wir vor allem die
Informationsangebote stärken. Die Kosten werden wir künftig vermehrt mit
Akteuren vor Ort teilen.
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