6. März 2014

Integrationsbeauftragte fordert zweisprachige Schulen

Die Forderung nach zweisprachigen Schulen (deutsch/englisch) in der Primarschule steht quer in der momentanen Fremdsprachenpolitik der Schweiz. Solche Schulen würden automatisch das Aus einer zweiten Fremdsprache an der Primarschule bedeuten. 



Zweisprachige Schulen: Gleichzeitig Integration und Spracherwerb, Bild:box.arte.tv

"Zweisprachige Schulen wären ein Mehrwert für alle", NZZ, 6.3. Interview mit Julia Morais von Dorothée Vögeli


Mehr Informationsangebote auf Englisch und ein zweisprachiger Unterricht bereits auf Primarstufe: So will Julia Morais, Leiterin der kantonalen Fachstelle für Integrationsfragen, gut qualifizierte Ausländer integrieren.
Die Studie zur «neuen» Einwanderung ist eine Momentaufnahme. Nicht berücksichtigt sind aktuelle Tendenzen wie der Rückgang der deutschen Einwanderung. Wie sinnvoll ist es, das kantonale Integrationsprogramm danach auszurichten?
Die Studie nimmt die letzten zehn Jahre in den Blick und vervollständigt unsere jährlichen Analysen. Solche Ergänzungen sind sinnvoll; im Ergebnis stützt die Untersuchung die Ausrichtung des kantonalen Integrationsprogramms.
Welche Stossrichtung hat dieses?
Angesichts der starken Zuwanderung von gut Qualifizierten möchten wir die Willkommenskultur besser auf diese Gruppe ausrichten. Dass die Studie nun unsere These stützt, freut uns sehr.
Die Studie klammert die Expats davon aus - im Gegensatz dazu plädierten Sie früher für eine verstärkte Integration auch dieser Gruppe.
Ja, aber der Begriff «Expat» war für mich zu wenig klar definiert. Mitunter wurde ihre Zahl auf 200 000 geschätzt. Deshalb gaben wir diese Studie in Auftrag. Nun zeigt sich, dass die Expats bloss eine ganz kleine Gruppe sind. Es zeigt sich aber auch, dass gerade bei den Englischsprechenden, die hier sesshaft werden, zusätzliche Integrationsanstrengungen nötig sind.
Sind spezifische Kursangebote für Gutverdienende eine staatliche Aufgabe?
Nein, natürlich nicht. Aber wir sind von Gesetzes wegen verpflichtet, auch hochqualifizierten Einwanderern adäquate Willkommens- und Informationsangebote etwa auf Englisch anzubieten.
Muss nun auch das Schalterpersonal in Englisch geschult werden?
Es ist sinnvoll, die sprachlichen Kompetenzen des Personals zu stärken. Allerdings sind jene Gemeinden, die sich am kantonalen Integrationsprogramm beteiligen, bereits sensibilisiert und stellen Leute mit guten Sprachkenntnissen an.
Auch hochqualifizierte Ausländer sollten schnell Deutsch lernen. Läuft dem nicht der Vorschlag der Studienverfasser nach zweisprachigen Schulen zuwider?
Deutsch- und zugleich englischsprachige Schulen wären ein Mehrwert für alle - auch Schweizer Kinder hätten so ganz andere Startmöglichkeiten. Für den Einwanderungskanton Zürich wäre es ein grosser Gewinn, wenn bereits auf Primarstufe der zweisprachige Unterricht eingeführt würde.
Werden Sie mit der Bildungsdirektion Kontakt aufnehmen?
Natürlich, die Bildungsdirektion ist auch in der Begleitgruppe des kantonalen Integrationsprogramms vertreten.
Die in der Untersuchung eruierten Integrationsbedürfnisse beruhen auf Einschätzungen von Experten, Betroffene wurden nicht befragt. Wie zuverlässig sind die Aussagen?
Das wäre ein Manko, wenn die Befragten nicht so nah an der Praxis wären. Sie kennen aber die Zielgruppen gut und haben oft auch selber einen Migrationshintergrund. Daher sind meines Erachtens verlässliche Aussagen möglich.
Gemäss Experten sind gut qualifizierte Ausländer interessiert, sich in Vereinen und in der Freiwilligenarbeit zu engagieren. Warum tun sie es nicht?
Sie wissen nicht immer, wo sie sich konkret engagieren könnten. Sie brauchen mehr Tipps und Beratungen auch seitens der Gemeinden und Arbeitgeber.
Auch neu zuziehende Schweizer engagieren sich nicht mehr in Vereinen. Integration läuft über Social Media . . .
Social Media werden die realen Begegnungen nie ersetzen. Gerade Migranten engagieren sich gerne in Vereinen.
Aber solche Strukturen lösen sich auf, die Gesellschaft wird heterogener.
Zweifellos. Viele Ausländer nehmen jedoch die Schweiz als geschlossene Gesellschaft wahr. Deshalb müssen die Vereine flexibler werden und sich Ausländer und Schweizer mehr öffnen.
Der Bund unterstützt das kantonale Integrationsprogramm mit 6,5 Millionen Franken. Wie viel soll in Angebote für Hochqualifizierte fliessen?

Wir werden uns weiterhin auf bildungsferne Einwanderer konzentrieren. Für die gut Qualifizierten werden wir vor allem die Informationsangebote stärken. Die Kosten werden wir künftig vermehrt mit Akteuren vor Ort teilen.

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