Neue Schulhäuser wegen neuen Schulformen? Bild: baz
Reformen um der Reformen willen, Basler Zeitung, 16.2. von Thomas Dähler
Besorgte Eltern, die protestieren, und Gemeinderäte, die
beschwichtigen: Die anstehende Schulreform treibt in einigen Baselbieter
Gemeinden seltsame Blüten. Mit dem Schulkonkordat Harmos kann man alles
begründen. Diesen Eindruck konnte gewinnen, wer am Mittwochabend in der
Dorfturnhalle in Füllinsdorf oder am Donnerstagabend im Gemeindesaal in Reinach
war. In beiden Gemeinden haben sich Eltern zusammengeschlossen, um für den
Erhalt der Quartierschulen in ihrer Gemeinde zu kämpfen. An beiden Orten haben
Eltern das Gefühl, dass über ihre Köpfe hinweg die Kinder aus dem Quartier
verbannt werden. Die Begründung ist dieselbe: «Wegen Harmos geht es nicht anders.»
Das Harmos-Konkordat schreibt verbindlich vor, dass die 6.
Klassen jetzt Primarschulklassen sind und in der Primarschule zwei
Fremdsprachen unterrichtet werden müssen. Wirklich revolutionär ist das nicht.
Harmos verpflichtet die Gemeinden nicht, alle Schulhäuser auf einmal zu
renovieren und die Schulorganisation völlig umzukrempeln. Und schon gar nicht,
die Quartierschulen abzuschaffen. Im Gegenteil. Nach wie vor steht im
Bildungsgesetz unter Paragraf 17: «In Einwohnergemeinden mit mehreren Kindergärten
oder Primarschulhäusern gilt in der Regel das Quartier als Einzugsgebiet.»
Zurück in die Dorfturnhalle in Füllinsdorf. Erstaunlicherweise
war dort zu vernehmen, dass Behörden und Schulleitung 2011 in aller
Heimlichkeit damit begannen, anstelle ihrer beiden Quartierschulen ein
Schulzentrum für die Grossen und eines für die Kleinen zu planen. Erst zwei
Jahre später erhielten Eltern Wind davon, schlossen sich zusammen und
organisierten Unterschriften für den Erhalt der Quartierschulen. Ihnen wurde
anfänglich sogar beschieden: «Es gibt nichts zu diskutieren, wir haben schon
entschieden.» Das war aber etwas vorschnell: Die übergangenen Eltern haben das
Recht auf ihrer Seite. Über das Einzugsgebiet ihrer Schulen entscheidet die
Gemeindeversammlung und nicht die Schulleitung oder der Schulrat. Die Eltern
werden deshalb die Quartierschulhäuser an der Gemeindeversammlung verteidigen
können.
In Reinach lief es anfänglich ähnlich. Zwar hatte dort der
Gemeinderat zehn Varianten einer neuen Schulorganisation ausgearbeitet, aber
nur eine davon als finanziell interessant bezeichnet. Und diese sieht vor, dass
das Primarschulhaus im Quartier Surbaum abgerissen und das Land verkauft wird,
zugunsten eines Grossschulhauses im Zentrum – «Tram, Trottinett oder Velo sind
zumutbar», sagte Gemeinderätin Béatrix von Sury am Donnerstag vor den vielen
Eltern, die sich im Gemeindesaal versammelt hatten. Zwar haben die Behörden in
Reinach ihr Projekt an Informationsveranstaltungen und Workshops vorgestellt:
Doch die besorgten Eltern aus dem Surbaum-Quartier hatten dort nicht den
Eindruck, dass ihre Einwände ernst genommen wurden. Ernst genommen werden sie
erst, seit klar ist, dass die Baukredite im Einwohnerrat oder an der Urne
bachab geschickt werden könnten. Ein Quartierschulhaus sei wie eine grosse
Familie, meinten am Donnerstagabend besorgte Eltern. Auch wenn das
Surbaum-Schulhaus etwas veraltet ist: Den Kindern werde es im modernen
Grossschulhaus «trotz den grosszügigeren Räumlichkeiten» nicht besser gehen,
wurde gesagt.
Sowohl in Füllinsdorf als auch in Reinach geht es den Eltern um
kurze Schulwege, um das Quartierschulhaus, das Identität stiftet, und um das
wertvolle Nebeneinander von jüngeren und älteren Schülern in Schule und
Freizeit: Die Kinder kennen einander, die Lehrkräfte kennen die Kinder. Da
können Pädagogen noch so lamentieren, die Organisation sei schwierig, die
stufengerechten, modernen Unterrichtsformen würden erschwert,
Besprechungszimmer für Elterngespräche fehlten oder Lehrer müssten in mehreren
Schulhäusern unterrichten.
Reformen um der Reformen willen: Das wollen die Eltern nicht.
Auch eine Kindergärtnerin hat es am Donnerstagabend in Reinach auf den Punkt
gebracht: «Moderne, pädagogische Konzepte haben wir längst umgesetzt, ohne neue
Schulhäuser und ohne Neuorganisation.» Unverständlich ist, dass sich Behörden
wesentlich stärker für möglichst perfekte Reformen und modernste
Schulräumlichkeiten einsetzen als die wirklich Betroffenen: die Kinder und die
Eltern. Es gibt – Lehrplan 21 hin oder her – keinen Grund, die Primarschule im
Baselbiet neu zu erfinden. Sie hat ein gutes Renommee. Gute Schulen hängen
nicht von Schulhäusern und Organisationskonzepten ab. Entscheidend sind gute
Lehrkräfte und ein gutes Klima im Dorf- oder Quartierschulhaus. Daran ändert
auch Harmos nichts.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen