"Es wird ohne Konzept je nach Schule unterschiedlich integriert und separiert". Bild: Keystone
Krach um Sonderpädagogik im Baselbiet, Basler Zeitung, 13.2. von Thomas Dähler
Krach um Integration und
Sonderpädagogik: Die Baselbieter Interessengemeinschaft besondere Kinder und
Schule (IG) und die Bildungs-, Kultur und Sportdirektion (BKSD) des Kantons
Baselland sprechen nicht mehr miteinander und geben sich gegenseitig die Schuld
am Konflikt um die Sonderpädagogik an der Volksschule. Der Krach wurzelt in
handfesten Meinungsverschiedenheiten bei der Umsetzung des Integrationsauftrags
in der Volksschule, wie er von den Baselbieter Stimmberechtigten mit dem
Beitritt zum Sonderpädagogik-Konkordat beschlossen wurde. Die Verantwortlichen
in der Bildungsdirektion einerseits und Eltern und Fachpersonen andererseits
stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Die IG ist
eine Interessengemeinschaft von Fachpersonen und betroffenen Eltern, die sich
seit 2012 für eine optimale Beschulung von Behinderten und Hochbegabten
engagiert. Vom Kanton wurde sie mit einem Startkapital ausgerüstet. Inzwischen
kritisiert die IG die Bildungsdirektion, sie setze den Integrationsauftrag
konzeptlos um. Ihre Sprecherin Eveline Plattner Gürtler sagt, hinter der heute
praktizierten Umsetzung sei «kein roter Faden» zu erkennen. Es werde ohne
erkennbares Konzept je nach Schule unterschiedlich integriert und separiert.
Dabei würden die betroffenen Eltern nicht an die Rundtischgespräche eingeladen
und Fachkräfte nicht in die Entscheidfindung einbezogen.
Brief nach
Bern empört Wüthrich
Bei der
BKSD und Bildungsdirektor Urs Wüthrich stösst die IG, wie Plattner Gürtler
sagt, auf kein Verständnis für ihre Anliegen. Mit einem Brief gelangt sie
deshalb an die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) in Bern mit der Bitte um
Vermittlung. «Im Kanton Basel-Landschaft kommen wir nicht weiter, wir rennen
gegen eine Mauer», heisst es in dem Schreiben. Doch bei der EDK in Bern ist die
IG an der falschen Adresse. Diese kann nicht auf das Anliegen eingehen. Die EDK
sei eine Koordinationsbehörde und keine übergeordnete Behörde, heisst es in
Bern.
In Liestal
ist man wegen des Briefs an die EDK gar empört. «Mit dieser Aktion hat die IG
ihre Glaubwürdigkeit und ihren Anspruch, im Interesse der Kinder mit besonderen
Bedürfnissen zu handeln, verwirkt», sagt Bildungsdirektor Wüthrich. Die
pauschale Verunglimpfung von Mitarbeitenden und Direktionsleitung und die
«schweizweit verbreitete haltlose Kritik» sei «in keiner Weise
nachvollziehbar». Die Bildungsdirektion habe durchaus Gespräche mit
Exponentinnen und Exponenten geführt, sowohl auf der Ebene des Direktionsvorstehers
als auch auf der Ebene der Direktionsmitarbeiter.
Professionelles
Engagement
Auch
inhaltlich nimmt Wüthrich auf Anfrage der BaZ zu den Vorwürfen Stellung, und
zwar schriftlich: «Mit grossem zeitlichem Aufwand, mit professionellem
Engagement und hoher fachlicher Kompetenz werden im Rahmen interdisziplinärer
Zusammenarbeit in den Netzwerken von Bildungs-, Abklärungs- und
Betreuungssituationen unter Einbezug der Eltern für Kinder geeignete Lösungen
gesucht.»
Das sieht
die IG anders und bezieht sich dabei auch auf Fachpersonen im Umfeld, die sich
nicht mit ihrem Namen exponieren wollen. «Die Betroffenen haben zurzeit das
Gefühl, sie seien Versuchskaninchen für ein nicht ausgereiftes System», sagt
Plattner Gürtler. Es gebe keine Qualitätskontrolle, und die Integration werde
je nach Schule vollkommen anders bewertet. Dies zeige sich besonders deutlich
bei einem Wohnortwechsel. Bis heute seien keine Kriterien für die Integration
oder die Separation bekannt oder erkennbar. Auch Stiftungen und
Behindertenorganisationen würden dies bestätigen. Gürtler: «Wir vermuten, die
Schulen entscheiden nach Mengengerüsten.»
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