16. Februar 2014

Baselbieter Versuchskaninchen

Das Thema Inklusion, respektive Sonderschulung, sorgt weiterhin für Diskussionen im Kanton Baselland. "Die Betroffenen haben zurzeit das Gefühl, sie seinen Versuchskaninchen für ein nicht ausgereiftes System". Bildungsdirektor Wüthrich kann die Kritik nicht nachvollziehen und zeigt sich empört über einen Brief, der an die EDK gesandt wurde. 




"Es wird ohne Konzept je nach Schule unterschiedlich integriert und separiert". Bild: Keystone

Krach um Sonderpädagogik im Baselbiet, Basler Zeitung, 13.2. von Thomas Dähler


Krach um Integration und Sonderpädagogik: Die Baselbieter Interessengemeinschaft besondere Kinder und Schule (IG) und die Bildungs-, Kultur und Sportdirektion (BKSD) des Kantons Baselland sprechen nicht mehr miteinander und geben sich gegenseitig die Schuld am Konflikt um die Sonderpädagogik an der Volksschule. Der Krach wurzelt in handfesten Meinungsverschiedenheiten bei der Umsetzung des Integrationsauftrags in der Volksschule, wie er von den Baselbieter Stimmberechtigten mit dem Beitritt zum Sonderpädagogik-Konkordat beschlossen wurde. Die Verantwortlichen in der Bildungsdirektion einerseits und Eltern und Fachpersonen andererseits stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Die IG ist eine Interessengemeinschaft von Fachpersonen und betroffenen Eltern, die sich seit 2012 für eine optimale Beschulung von Behinderten und Hochbegabten engagiert. Vom Kanton wurde sie mit einem Startkapital ausgerüstet. Inzwischen kritisiert die IG die Bildungsdirektion, sie setze den Integrationsauftrag konzeptlos um. Ihre Sprecherin Eveline Plattner Gürtler sagt, hinter der heute praktizierten Umsetzung sei «kein roter Faden» zu erkennen. Es werde ohne erkennbares Konzept je nach Schule unterschiedlich integriert und separiert. Dabei würden die betroffenen Eltern nicht an die Rundtischgespräche eingeladen und Fachkräfte nicht in die Entscheidfindung einbezogen.
Brief nach Bern empört Wüthrich
Bei der BKSD und Bildungsdirektor Urs Wüthrich stösst die IG, wie Plattner Gürtler sagt, auf kein Verständnis für ihre Anliegen. Mit einem Brief gelangt sie deshalb an die Erziehungsdirektoren­konferenz (EDK) in Bern mit der Bitte um Vermittlung. «Im Kanton Basel-Landschaft kommen wir nicht weiter, wir rennen gegen eine Mauer», heisst es in dem Schreiben. Doch bei der EDK in Bern ist die IG an der falschen Adresse. Diese kann nicht auf das Anliegen eingehen. Die EDK sei eine Koordinationsbehörde und keine übergeordnete Behörde, heisst es in Bern.
In Liestal ist man wegen des Briefs an die EDK gar empört. «Mit dieser Aktion hat die IG ihre Glaubwürdigkeit und ihren Anspruch, im Interesse der Kinder mit besonderen Bedürfnissen zu handeln, verwirkt», sagt Bildungsdirektor Wüthrich. Die pauschale Verunglimpfung von Mitarbeitenden und Direktionsleitung und die «schweizweit verbreitete haltlose Kritik» sei «in keiner Weise nachvollziehbar». Die Bildungsdirektion habe durchaus Gespräche mit Exponentinnen und Exponenten geführt, sowohl auf der Ebene des Direk­tionsvorstehers als auch auf der Ebene der Direktionsmitarbeiter.
Professionelles Engagement
Auch inhaltlich nimmt Wüthrich auf Anfrage der BaZ zu den Vorwürfen Stellung, und zwar schriftlich: «Mit grossem zeitlichem Aufwand, mit professionellem Engagement und hoher fachlicher Kompetenz werden im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit in den Netzwerken von Bildungs-, Abklärungs- und Betreuungssituationen unter Einbezug der Eltern für Kinder geeignete Lösungen gesucht.»
Das sieht die IG anders und bezieht sich dabei auch auf Fachpersonen im Umfeld, die sich nicht mit ihrem Namen exponieren wollen. «Die Betroffenen haben zurzeit das Gefühl, sie seien Versuchskaninchen für ein nicht ausgereiftes System», sagt Plattner Gürtler. Es gebe keine Qualitätskontrolle, und die Integration werde je nach Schule vollkommen anders bewertet. Dies zeige sich besonders deutlich bei einem Wohnortwechsel. Bis heute seien keine Kriterien für die Integration oder die Separation bekannt oder erkennbar. Auch Stiftungen und Behindertenorganisationen würden dies bestätigen. Gürtler: «Wir vermuten, die Schulen entscheiden nach Mengengerüsten.»

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