16. Februar 2014

Kindergärten zensurieren Fasnacht

Fasnacht als Zielscheibe der Weltverbesserer. Verschiedene Kindergärten informieren die Eltern über den geltenden Dresscode: Nicht erwünscht sind "sämtliche Waffen mit Munition oder lauten Schüssen". Ebenfalls zensuriert sind: Plastiksäbel, Schwerter aus Styropor, Pfeile im Köcher. Allan Guggenbühl kann mit diesen Verboten nichts anfangen. "Für die Gewaltprävention sind Verbote meist kontraproduktiv und steigern die Faszination".




Pädagogisch korrektes Tenue, Bild: saladin-web.ch

Dresscode an der Kinderfasnacht, Sonntagszeitung, 16.2. von Nadja Pastega und Claudia Gnehm


 Dem Ritter fehlt das Schwert. Dem Indianer Pfeil und Bogen. Nur das Burgfräulein genügt der Konvention: Sein Gewand ist luftig hellrosa.
Es ist Mittwochmorgen: Fasnacht in einem Kindergarten in Zürich. Cowboys mit Chäpsli-Pistolen sind hier nicht erwünscht. Piraten mit Plastiksäbel, Ritter mit Schwertern aus Styropor, Indianer mit Pfeilen im Köcher? Fehlanzeige.
Anfang letzter Woche bekamen die Eltern ein Informationsschreiben mit dem Dresscode. «Erlaubt sind folgende Kostüme: Zauberer, Prinzessin und Fee.» Auch zulässig: Verkleidungen als Tier, Blume oder Früchtchen. Verboten: sämtliche Spielzeugwaffen. «Es dürfen keine Waffen, Schwerter, Pistolen oder andere Geschosse mitgebracht werden», heisst es im Schreiben. «Wir danken für das Verständnis.»
«Für die Gewaltprävention bringen solche Verbote nichts»
Die politische Korrektheit hat Einzug in die Kinderfasnacht gehalten. Auch die Kita Luftibus in Winterthur, der Montessori-Kindergarten in Baar ZG und das Kinderhaus Sunnehöfli in Kreuzlingen im Kanton Thurgau verbieten Spielzeugwaffen an der Fasnacht. Man schicke jedes Jahr ein Informationsschreiben an die Eltern raus, sagt Sandra Percinic vom Sunnehöfli. Darin stehe, «dass sämtliche Waffen mit Munition oder lauten Schüssen nicht erlaubt sind».
Am nächsten Freitag feiern die 250 Kindergärtler und Primarschüler im Schulhaus Moosmatt in Luzern Fasnacht, mit Maskenprämierung und Schulkino. Auch hier sind Chäpsli-Pistolen verboten. «Waffen, auch Spielzeugwaffen sind nicht erlaubt», sagt Schulleiter Armin Brunner. An der Schule Herrliberg an der Zürcher Goldküste gilt dieses Verbot für die 500 Schüler das ganze Jahr. Spielzeugwaffen würden echten Waffen zum Teil sehr ähnlich sehen, darum dürften sie nicht mitgebracht werden.
Für den Zürcher Kinderpsychologen Allan Guggenbühl machen solche Verbote keinen Sinn. «Die Kinder sind nicht so dumm, dass sie nicht wissen, dass es sich um Spielzeug handelt», sagt er, «für die Gewaltprävention sind Verbote meist kontraproduktiv und steigern die Faszination.» Es gehe den Erwachsenen mehr darum, ihr Gewissen zu beruhigen. «Das ist eine Bevormundung der Kinder, heute ist das leider ein Trend.»
Der Krummsäbel gehört bei Lego zwingend zum Piraten
Auch René Weber, Präsident der Organisation Schule und Elternhaus Schweiz, überzeugen die Verbote nicht. «Im Fernsehen werden uns täglich Szenen mit Mord und Totschlag gezeigt, und Computerspiele, die Gewalt verherrlichen, gibt es zuhauf. Wie sollen Kinder da begreifen, dass ausgerechnet Spielzeugwaffen verboten sein sollen?»
Montessori-Pädagogin Verena Schüepp-Lanz verteidigt die Waffensperre. «Kinder brauchen Helden, aber wahrhafte Helden, denen sie nacheifern können: Gandhi, Mutter Teresa, Einstein oder Albert Schweitzer.»
Dabei haben inzwischen sogar Lego und Playmobil aufgerüstet. Die Firmengründer hatten im 20. Jahrhundert festgelegt, dass Kriegsspielzeug aus ethischen Gründen nicht ins Programm kommt - heute sind die kleinen Kunststoffritter und -piraten mit Schwertern und Krummsäbel ausgerüstet. Victoria Sutch von der Lego-Zentrale in München: «Der Kampf zwischen Gut und Böse ist Teil des Rollenspiels von Kindern. Deshalb brauchen Ritter ein Schwert und Piraten einen Säbel.»


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