2. Februar 2014

Keine Mitsprache erwünscht

Die beiden obersten Bildungspolitiker der Schweiz, Christoph Eymann und Christian Amsler, wollen eine Mitsprache der Kantonsparlamente beim Lehrplan 21 verhindern. Eymann meint, Parlamentarier verfügten nicht über das notwendige pädagogische Wissen, um Details eines Lehrplans beraten zu können.
Oberste Bildungspolitiker gegen Mitsprache beim Lehrplan 21, St. Galler Tagblatt, 2.2. von David Schaffner


Der Lehrplan 21 schied die Geister, lange bevor ihn die Bildungsexperten im vergangenen Sommer das erste Mal präsentierten. Einerseits bemängeln weite Kreise, das Werk sei überladen und überfordere Schüler wie Lehrer. Andererseits stösst kantonalen Parlamentariern mehrerer Parteien sauer auf, dass sie keine Mitsprache haben. Vielerorts formiert sich Widerstand. Politiker fordern in Vorstössen, dass nicht nur die Regierungen über den Lehrplan entscheiden, sondern auch die Kantonsräte.
Änderungen unmöglich
Keine Freude an dieser Entwicklung haben die beiden höchsten Bildungspolitiker der Schweiz: «Die Parlamente sind der falsche Ort», macht Christoph Eymann klar. Der Baselstädtische Bildungsdirektor ist Präsident der Schweizerischen Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) Er betont, dies sei seine persönliche Meinung, die EDK habe die Frage noch nicht offiziell beraten.
Ins gleiche Horn stösst sein Schaffhauser Kollege Christian Amsler, welcher der Deutschschweizer Sektion der Konferenz (D-EDK) vorsteht: «Im Grundsatz ist nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand von demokratischen Rechten Gebrauch macht und eine Abstimmung in den Parlamenten oder an der Urne fordert», meint er, fügt aber unmissverständlich an: «Die Kantone sind aufgefordert, die wesentlichen Inhalte des Lehrplans 21 im Sinne einer optimalen Harmonisierung zu übernehmen und allfällige, kantonale spezifische Anpassungen tendenziell auf wenige sinnvolle Ergänzungen und weniger auf Kürzungen zu beschränken.» Mit anderen Worten: Eine wirkliche Mitsprache ist nicht erwünscht.
Wenig erstaunlich ist daher, dass sich Amsler nicht vorstellen kann, von sich aus den Forderungen kantonaler Politiker nachzukommen und den Lehrplan formaljuristisch so zu präsentieren, dass diese darüber befinden. «Die Deutschschweizer Erziehungskonferenz kann den Lehrplan 21 nicht so ausgestalten, dass er in den Kantonen automatisch in die Parlamente kommt», betont Amsler. «Das Bildungswesen ist in der Hoheit der Kantone, wir können und wollen ihnen bezüglich des Lehrplans keine Vorschriften machen.»
Konkret bedeutet dies: Je nach Kanton müssen die Parlamentarier auf unterschiedliche Weise vorstössig werden, um sich eine Mitsprache doch noch zu sichern. In Kantonen mit Erziehungsräten müssten die Parlamentarier diesen wohl erst per Gesetzesänderung die Zuständigkeit entziehen. In Appenzell Innerrhoden besteht mit der Landesschulkommission eine Art Erziehungsrat, in St. Gallen, Ausserrhoden und dem Thurgau ist der Regierungsrat zuständig.
Für ihre kritische Haltung können Eymann und Amsler durchaus gute Gründe aufführen: «Das Schweizervolk hat 2006 mit grossem Mehr in einer Abstimmung gefordert, dass die Kantone ihre Bildungssysteme harmonisieren», erklärt Amsler. Der Lehrplan 21 sei ein entscheidendes Mittel auf dem Weg zu diesem Ziel. «Falls mehrere Kantone den Lehrplan 21 stark verändern oder gar ablehnen, wird der Bund wohl einschreiten und den Kantonen verbindliche Vorschriften über die Harmonisierung der Schule machen», so Amsler. Eymann meint, Parlamentarier verfügten nicht über das notwendige pädagogische Wissen, um Details eines Lehrplans beraten zu können.
Ab Herbst an die Kantone
Trotz Volksauftrag ist der Missmut gegenüber interkantonalen Projekten wie dem Lehrplan 21 in den letzten Jahren stetig gewachsen. Der Grund: Seit die Kantone die Bildung harmonisieren, sind wichtige Fragen der parlamentarischen Beratung entzogen. Die SVP kritisierte entsprechende Verfahren bereits, als es im Harmos-Konkordat um die Grundsätze der Vereinheitlichung ging. Im Lehrplan geht es nun um die konkreten Lerninhalte. Seit der Debatte um Harmos haben sich Politiker anderer Parteien der Grundsatzkritik an Konkordatslösungen angeschlossen.
Der Lehrplan 21 befindet sich nach einer öffentlichen Konsultation derzeit bei der D-EDK zur Überarbeitung. Voraussichtlich im Herbst 2014 will diese das Werk den Regierungs- respektive den Erziehungsräten zur Einführung freigeben. Ab wann die Lehrer nach dem neuen Plan unterrichten, hängt von den einzelnen Kantonen ab. Die SVP hat einen eigenen Lehrplan ausgearbeitet, den sie als Alternative zum Lehrplan 21 ins Spiel bringen will.


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