Oberste Bildungspolitiker gegen Mitsprache beim Lehrplan 21, St. Galler Tagblatt, 2.2. von David Schaffner
Der Lehrplan 21 schied die
Geister, lange bevor ihn die Bildungsexperten im vergangenen Sommer das erste
Mal präsentierten. Einerseits bemängeln weite Kreise, das Werk sei überladen
und überfordere Schüler wie Lehrer. Andererseits stösst kantonalen Parlamentariern
mehrerer Parteien sauer auf, dass sie keine Mitsprache haben. Vielerorts
formiert sich Widerstand. Politiker fordern in Vorstössen, dass nicht nur die
Regierungen über den Lehrplan entscheiden, sondern auch die Kantonsräte.
Änderungen
unmöglich
Keine Freude an dieser
Entwicklung haben die beiden höchsten Bildungspolitiker der Schweiz: «Die
Parlamente sind der falsche Ort», macht Christoph Eymann klar. Der
Baselstädtische Bildungsdirektor ist Präsident der Schweizerischen Konferenz
der Erziehungsdirektoren (EDK) Er betont, dies sei seine persönliche Meinung,
die EDK habe die Frage noch nicht offiziell beraten.
Ins gleiche Horn stösst
sein Schaffhauser Kollege Christian Amsler, welcher der Deutschschweizer
Sektion der Konferenz (D-EDK) vorsteht: «Im Grundsatz ist nichts dagegen
einzuwenden, wenn jemand von demokratischen Rechten Gebrauch macht und eine
Abstimmung in den Parlamenten oder an der Urne fordert», meint er, fügt aber
unmissverständlich an: «Die Kantone sind aufgefordert, die wesentlichen Inhalte
des Lehrplans 21 im Sinne einer optimalen Harmonisierung zu übernehmen und
allfällige, kantonale spezifische Anpassungen tendenziell auf wenige sinnvolle
Ergänzungen und weniger auf Kürzungen zu beschränken.» Mit anderen Worten: Eine
wirkliche Mitsprache ist nicht erwünscht.
Wenig erstaunlich ist
daher, dass sich Amsler nicht vorstellen kann, von sich aus den Forderungen
kantonaler Politiker nachzukommen und den Lehrplan formaljuristisch so zu
präsentieren, dass diese darüber befinden. «Die Deutschschweizer
Erziehungskonferenz kann den Lehrplan 21 nicht so ausgestalten, dass er in den
Kantonen automatisch in die Parlamente kommt», betont Amsler. «Das
Bildungswesen ist in der Hoheit der Kantone, wir können und wollen ihnen
bezüglich des Lehrplans keine Vorschriften machen.»
Konkret bedeutet dies: Je
nach Kanton müssen die Parlamentarier auf unterschiedliche Weise vorstössig
werden, um sich eine Mitsprache doch noch zu sichern. In Kantonen mit
Erziehungsräten müssten die Parlamentarier diesen wohl erst per
Gesetzesänderung die Zuständigkeit entziehen. In Appenzell Innerrhoden besteht
mit der Landesschulkommission eine Art Erziehungsrat, in St. Gallen,
Ausserrhoden und dem Thurgau ist der Regierungsrat zuständig.
Für ihre kritische Haltung
können Eymann und Amsler durchaus gute Gründe aufführen: «Das Schweizervolk hat
2006 mit grossem Mehr in einer Abstimmung gefordert, dass die Kantone ihre
Bildungssysteme harmonisieren», erklärt Amsler. Der Lehrplan 21 sei ein
entscheidendes Mittel auf dem Weg zu diesem Ziel. «Falls mehrere Kantone den
Lehrplan 21 stark verändern oder gar ablehnen, wird der Bund wohl einschreiten
und den Kantonen verbindliche Vorschriften über die Harmonisierung der Schule
machen», so Amsler. Eymann meint, Parlamentarier verfügten nicht über das
notwendige pädagogische Wissen, um Details eines Lehrplans beraten zu können.
Ab Herbst an
die Kantone
Trotz Volksauftrag ist der
Missmut gegenüber interkantonalen Projekten wie dem Lehrplan 21 in den letzten
Jahren stetig gewachsen. Der Grund: Seit die Kantone die Bildung harmonisieren,
sind wichtige Fragen der parlamentarischen Beratung entzogen. Die SVP
kritisierte entsprechende Verfahren bereits, als es im Harmos-Konkordat um die
Grundsätze der Vereinheitlichung ging. Im Lehrplan geht es nun um die konkreten
Lerninhalte. Seit der Debatte um Harmos haben sich Politiker anderer Parteien
der Grundsatzkritik an Konkordatslösungen angeschlossen.
Der Lehrplan 21 befindet
sich nach einer öffentlichen Konsultation derzeit bei der D-EDK zur
Überarbeitung. Voraussichtlich im Herbst 2014 will diese das Werk den
Regierungs- respektive den Erziehungsräten zur Einführung freigeben. Ab wann
die Lehrer nach dem neuen Plan unterrichten, hängt von den einzelnen Kantonen
ab. Die SVP hat einen eigenen Lehrplan ausgearbeitet, den sie als Alternative
zum Lehrplan 21 ins Spiel bringen will.
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