23. Februar 2014

Fachausbildung wieder zurück an die Universität

Die Sekundarlehrer-Ausbildung in Basel ist umstritten. Während eine Fraktion zu wenig Praxistauglichkeit ortet und deshalb einen höheren Praktikumsanteil fordert, fordern andere bessere Fachkenntnisse der angehenden Lehrer. André Vanoncini äussert in einem Interview zwei bemerkenswerte Sätze:
1. "Die Fachausbildung gehört nicht zu den Kompetenzen einer Pädagogischen Hochschule". Ich reibe mir die Augen. Wurden die Pädagogischen Hochschulen nicht geschaffen, weil man sich dort eine viel höhere Ausbildungsqualität (auch gerade im fachlichen Bereich) versprach?
2. "Grosses Sparpotenzial gibt es ... im Bereich der theoretischen Didaktik und der Erziehungswissenschaften". Offensichtlich wird dort noch immer an den Bedürfnissen vorbei gelehrt.
Vanoncini weist auch auf die heterogene Schweizer Ausbildungspraxis hin. Von einer Vorgabe der EDK, wonach die Fach- und Praxisausbildung an einer PH stattfinden müsse, will er nichts wissen.



Sekundarlehrer sollen fachlich wieder an der Universität ausgebildet werden, Bild: Universität Basel

Fachlich schlecht ausgebildet, Basler Zeitung, 22.2. von Thomas Dähler


BaZ: In beiden Basel müssen sich die Parlamente mit der Sekundarlehrer-Ausbildung beschäftigen. Ist es wirklich so, dass es neu ausgebildete Sekundarlehrkräfte gibt, die Französisch unterrichten, aber selber zu wenig gut Französisch sprechen?
André Vanoncini: Selber war ich zwar nicht an einer Sekundarschule tätig. An der Universität habe ich aber tatsächlich Rückmeldungen erhalten, die diese Mängel bestätigten.
Sie haben aber selber an der Universität im Auftrag der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW unterrichtet und damit einen Beitrag zur Fachausbildung der Sekundarlehrer geleistet.
Das habe ich lange gemacht. Ursprünglich war dies die Mittellehrer-Ausbildung, später das Sekundar-lehramt. Ab 2009 hat dann mit dem neuen Modell die Pädagogische Hochschule der FHNW diesen verbleibenden Anteil Fachausbildung an der Uni eingekauft. Gleichzeitig fand leider der grosse Ausbildungsabbau statt, den wir kritisieren.
Gibt es ein Seilziehen zwischen der Fachhochschule und der Universität um die Fachausbildung der künftigen Lehrpersonen?
Natürlich gibt es diese Konkurrenz­situation. Diese gab es aber auch schon früher. Nur wurden damals gute Formen der Zusammenarbeit gefunden.
Gehört die Fachausbildung für Lehrkräfte nicht an die Fachhochschule?
Sie gehört an die Universität. Diese Meinung vertrete ich nicht aus einem Dünkel heraus. Die Fachausbildung gehört nicht zu den Kompetenzen einer Pädagogischen Hochschule. In der Nordwestschweiz haben wir ein Modell eingeführt, das einige Deutschschweizer Fachhochschulen schon vorher hatten, und das der Fachausbildung zu wenig Gewicht gab. Dieses Modell hätten wir in Basel und im Baselbiet nicht übernehmen dürfen. Der Kompetenzmangel ist ein Fakt: Im Thurgau etwa wird die Fachausbildung an die Universität Konstanz ausgelagert.
Die Pädagogische Hochschule möchte die Sekundarlehrer-Ausbildung verbreitern und bildet die Lehrkräfte in drei oder vielleicht bald auch schon in vier Fächern aus. Ist dies gemäss Ihrer Erfahrung machbar?
Das ist heikel. Es entspricht aber der Logik des neuen, integrierten Ausbildungsmodells. Mit Harmos und mit dem Lehrplan 21 wird eine Struktur geschaffen, die die Nachfrage nach solchen Mehrfach-Lehrpersonen erhöht. Beispielsweise ist vorgesehen, Fächer wie Geografie und Geschichte zusammenzulegen.
Ich merke, Sie sind nicht für den Physiklehrer, der nebenbei auch noch etwas Geografie unterrichtet.
Ich habe schon meine Zweifel. Wirtschaft mit Hauswirtschaft: Wie soll das gehen? Die Niveaus der Sekundarschule müssen durchlässig sein. Entsprechend braucht es auf allen Stufen Lehrkräfte, die fachlich kompetent sind. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Lehrpersonen plötzlich keine Universitätsausbildung mehr haben sollten. Im System mit drei Jahren Sek und mit mehr Fremdsprachenunterricht erst recht.
Wie sind Ihre Erfahrungen im Fach Französisch, das Sie unterrichtet haben?
Bei der integrierten Ausbildung hatten wir nicht mehr die Möglichkeit, Sprachkurse durchzuführen. Sprachkompetenzen müssen sich die Lehrpersonen ausserhalb der Ausbildung zulegen. Das ist fragwürdig.
Bis heute ist es alternativ noch immer möglich, an der Universität die Fachausbildung abzuschliessen und anschliessend an der Pädagogischen Hochschule die ergänzende Ausbildung zum Sekundarlehrer zu absolvieren. Weshalb wählen nur wenige diesen Weg?
Er dauert länger und ist vor allem anspruchsvoller.
Der Weg hat den Vorteil, dass man später das Studium fortsetzen könnte.
Das ist ein wichtiges Argument. Was an Fachhochschulen gelernt wird, findet an der Uni keine Anerkennung.
Die Pädagogische Hochschule weist darauf hin, dass die integrierte Sekundarlehrer-Ausbildung auf nationaler Ebene von der Erziehungsdirektoren-Konferenz EDK vorgegeben ist.
Das sind reine Nebelpetarden. Die EDK tut manchmal so, als gäbe es nur die Deutschschweiz. In der ganzen Romandie ist es anders. Auch im Tessin und im zweisprachigen Wallis geschieht die Fachausbildung an der Uni. Freiburg hat ein interessantes Ausbildungsmodell mit drei Fächern. Im Kanton Bern gibt es sogar für den alten Kantonsteil und den Berner Jura unterschiedliche Ausbildungswege. Die beiden Basel hätte ihre Tradition nicht aufgeben müssen. Mindestens bis vor Kurzem war es sogar so, dass bei Stellenbewerbungen mit verschiedenen Ausbildungswegen der Bewerber mit einer Uni-Ausbildung bevorzugt wurde.
Ist es sinnvoll, zwei Ausbildungswege nebeneinander zu führen? Im Baselbiet ist die Regierung angehalten, Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
Wir fordern, dass die Fachausbildung wieder allein an der Universität absolviert wird. Wir hoffen natürlich, dass sie sogar kostengünstiger wird. Die Kapazitäten sind vorhanden.
Der Vorstoss im Baselbieter Landrat verlangt, dass 60 Prozent der Sekundarlehrer-Ausbildung für das Fachstudium eingesetzt werden sollen. Damit wird gleichzeitig verlangt, den Anteil Pädagogik zurückzustufen.
Die Pädagogische Hochschule hätte die wichtige Aufgabe, zukünftige Lehrpersonen, die mit ihrer Fachausbildung von der Uni kommen, auf die Berufspraxis optimal vorzubereiten, so wie dies bei Ärzten oder Juristen auch geschieht. So richtet sich denn auch die Kritik der hauseigenen Dozenten der Pädagogischen Hochschule gegen den theoretischen Teil der pädagogischen Ausbildung und fordert zu Recht den Wiederaufbau einer diesem Namen gerecht werdenden berufspraktischen Ausbildung. Leider wurde auf die wertvolle Erfahrung von verdienten Lehrpersonen verzichtet mit dem Argument, diese seien nicht mehr auf der Höhe der Forschungsansprüche. Grosses Sparpotenzial gibt es jedoch im Bereich der theoretischen Didaktik und der Erziehungswissenschaften.
Würde dies nicht die Forschungstätigkeit der Hochschule beeinträchtigen?

Das wäre so. Diese wird aber nur an der FHNW derart gepflegt. An anderen Fachhochschulen gibt es diesen Hype weniger und es braucht ihn auch nicht. Es wäre zweckdienlicher, die Zusammenarbeit mit der Universität zu verbessern.

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