1. "Die Fachausbildung gehört nicht zu den Kompetenzen einer Pädagogischen Hochschule". Ich reibe mir die Augen. Wurden die Pädagogischen Hochschulen nicht geschaffen, weil man sich dort eine viel höhere Ausbildungsqualität (auch gerade im fachlichen Bereich) versprach?
2. "Grosses Sparpotenzial gibt es ... im Bereich der theoretischen Didaktik und der Erziehungswissenschaften". Offensichtlich wird dort noch immer an den Bedürfnissen vorbei gelehrt.
Vanoncini weist auch auf die heterogene Schweizer Ausbildungspraxis hin. Von einer Vorgabe der EDK, wonach die Fach- und Praxisausbildung an einer PH stattfinden müsse, will er nichts wissen.
Sekundarlehrer sollen fachlich wieder an der Universität ausgebildet werden, Bild: Universität Basel
Fachlich schlecht ausgebildet, Basler Zeitung, 22.2. von Thomas Dähler
BaZ: In beiden Basel müssen sich die
Parlamente mit der Sekundarlehrer-Ausbildung beschäftigen. Ist es wirklich so,
dass es neu ausgebildete Sekundarlehrkräfte gibt, die Französisch unterrichten,
aber selber zu wenig gut Französisch sprechen?
André Vanoncini: Selber war ich zwar nicht an einer
Sekundarschule tätig. An der Universität habe ich aber tatsächlich
Rückmeldungen erhalten, die diese Mängel bestätigten.
Sie
haben aber selber an der Universität im Auftrag der Fachhochschule
Nordwestschweiz FHNW unterrichtet und damit einen Beitrag zur Fachausbildung
der Sekundarlehrer geleistet.
Das
habe ich lange gemacht. Ursprünglich war dies die Mittellehrer-Ausbildung,
später das Sekundar-lehramt. Ab 2009 hat dann mit dem neuen Modell die
Pädagogische Hochschule der FHNW diesen verbleibenden Anteil Fachausbildung an
der Uni eingekauft. Gleichzeitig fand leider der grosse Ausbildungsabbau statt,
den wir kritisieren.
Gibt es
ein Seilziehen zwischen der Fachhochschule und der Universität um die
Fachausbildung der künftigen Lehrpersonen?
Natürlich
gibt es diese Konkurrenzsituation. Diese gab es aber auch schon früher. Nur
wurden damals gute Formen der Zusammenarbeit gefunden.
Gehört
die Fachausbildung für Lehrkräfte nicht an die Fachhochschule?
Sie
gehört an die Universität. Diese Meinung vertrete ich nicht aus einem Dünkel
heraus. Die Fachausbildung gehört nicht zu den Kompetenzen einer Pädagogischen
Hochschule. In der Nordwestschweiz haben wir ein Modell eingeführt, das einige
Deutschschweizer Fachhochschulen schon vorher hatten, und das der
Fachausbildung zu wenig Gewicht gab. Dieses Modell hätten wir in Basel und im
Baselbiet nicht übernehmen dürfen. Der Kompetenzmangel ist ein Fakt: Im Thurgau
etwa wird die Fachausbildung an die Universität Konstanz ausgelagert.
Die Pädagogische
Hochschule möchte die Sekundarlehrer-Ausbildung verbreitern und bildet die
Lehrkräfte in drei oder vielleicht bald auch schon in vier Fächern aus. Ist
dies gemäss Ihrer Erfahrung machbar?
Das ist
heikel. Es entspricht aber der Logik des neuen, integrierten
Ausbildungsmodells. Mit Harmos und mit dem Lehrplan 21 wird eine Struktur
geschaffen, die die Nachfrage nach solchen Mehrfach-Lehrpersonen erhöht.
Beispielsweise ist vorgesehen, Fächer wie Geografie und Geschichte
zusammenzulegen.
Ich
merke, Sie sind nicht für den Physiklehrer, der nebenbei auch noch etwas
Geografie unterrichtet.
Ich
habe schon meine Zweifel. Wirtschaft mit Hauswirtschaft: Wie soll das gehen?
Die Niveaus der Sekundarschule müssen durchlässig sein. Entsprechend braucht es
auf allen Stufen Lehrkräfte, die fachlich kompetent sind. Es ist nicht
einzusehen, weshalb die Lehrpersonen plötzlich keine Universitätsausbildung
mehr haben sollten. Im System mit drei Jahren Sek und mit mehr
Fremdsprachenunterricht erst recht.
Wie
sind Ihre Erfahrungen im Fach Französisch, das Sie unterrichtet haben?
Bei der
integrierten Ausbildung hatten wir nicht mehr die Möglichkeit, Sprachkurse
durchzuführen. Sprachkompetenzen müssen sich die Lehrpersonen ausserhalb der
Ausbildung zulegen. Das ist fragwürdig.
Bis
heute ist es alternativ noch immer möglich, an der Universität die
Fachausbildung abzuschliessen und anschliessend an der Pädagogischen Hochschule
die ergänzende Ausbildung zum Sekundarlehrer zu absolvieren. Weshalb wählen nur
wenige diesen Weg?
Er dauert
länger und ist vor allem anspruchsvoller.
Der Weg
hat den Vorteil, dass man später das Studium fortsetzen könnte.
Das ist
ein wichtiges Argument. Was an Fachhochschulen gelernt wird, findet an der Uni
keine Anerkennung.
Die
Pädagogische Hochschule weist darauf hin, dass die integrierte
Sekundarlehrer-Ausbildung auf nationaler Ebene von der
Erziehungsdirektoren-Konferenz EDK vorgegeben ist.
Das
sind reine Nebelpetarden. Die EDK tut manchmal so, als gäbe es nur die
Deutschschweiz. In der ganzen Romandie ist es anders. Auch im Tessin und im
zweisprachigen Wallis geschieht die Fachausbildung an der Uni. Freiburg hat ein
interessantes Ausbildungsmodell mit drei Fächern. Im Kanton Bern gibt es sogar
für den alten Kantonsteil und den Berner Jura unterschiedliche Ausbildungswege.
Die beiden Basel hätte ihre Tradition nicht aufgeben müssen. Mindestens bis vor
Kurzem war es sogar so, dass bei Stellenbewerbungen mit verschiedenen
Ausbildungswegen der Bewerber mit einer Uni-Ausbildung bevorzugt wurde.
Ist es
sinnvoll, zwei Ausbildungswege nebeneinander zu führen? Im Baselbiet ist die
Regierung angehalten, Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
Wir
fordern, dass die Fachausbildung wieder allein an der Universität absolviert
wird. Wir hoffen natürlich, dass sie sogar kostengünstiger wird. Die
Kapazitäten sind vorhanden.
Der
Vorstoss im Baselbieter Landrat verlangt, dass 60 Prozent der
Sekundarlehrer-Ausbildung für das Fachstudium eingesetzt werden sollen. Damit
wird gleichzeitig verlangt, den Anteil Pädagogik zurückzustufen.
Die
Pädagogische Hochschule hätte die wichtige Aufgabe, zukünftige Lehrpersonen,
die mit ihrer Fachausbildung von der Uni kommen, auf die Berufspraxis optimal
vorzubereiten, so wie dies bei Ärzten oder Juristen auch geschieht. So richtet
sich denn auch die Kritik der hauseigenen Dozenten der Pädagogischen Hochschule
gegen den theoretischen Teil der pädagogischen Ausbildung und fordert zu Recht
den Wiederaufbau einer diesem Namen gerecht werdenden berufspraktischen
Ausbildung. Leider wurde auf die wertvolle Erfahrung von verdienten
Lehrpersonen verzichtet mit dem Argument, diese seien nicht mehr auf der Höhe
der Forschungsansprüche. Grosses Sparpotenzial gibt es jedoch im Bereich der
theoretischen Didaktik und der Erziehungswissenschaften.
Würde
dies nicht die Forschungstätigkeit der Hochschule beeinträchtigen?
Das
wäre so. Diese wird aber nur an der FHNW derart gepflegt. An anderen
Fachhochschulen gibt es diesen Hype weniger und es braucht ihn auch nicht. Es
wäre zweckdienlicher, die Zusammenarbeit mit der Universität zu verbessern.
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