Standardisierte Beurteilungsbogen als Vorbereitung für Elterngespräche, Bild: Keystone
Nun gibt es schon Noten im Kindergarten, Basler Zeitung, 7.2. von Franziska Laur
«Das Kind kann gehen, rennen,
hüpfen, galoppieren, den Hampelmann machen. Das Kind kann die Sichtweise einer
Person/Gruppe übernehmen.»
Dies
steht unter anderem im Lernbericht, den Kindergärtnerinnen neu für jedes Kind
beantworten müssen. Dieser wird kopiert und den Eltern zugesandt, bevor diese
zum Gespräch und zur gemeinsamen Zielformulierung geladen werden. «Das ist ein
immenser Aufwand», sagt eine Kindergärtnerin. Und eine Mutter: «Schon jetzt
müssen die Kinder in eine Norm passen.»
Bis
anhin seien diese Berichte in der Kindergartenstufe mündlich erfolgt, jetzt
würden sie neu schriftlich abgegeben, sagt Pierre Felder, Leiter Volksschulen
Basel-Stadt. Für die Eltern sei es eine gute Gesprächsvorbereitung, wenn sie in
einer Tabelle nachlesen können, wie die Schule ihr Kind wahrnimmt. Es sei
jedoch lediglich ein Mittel der Kommunikation, kein Zeugnis – und die Form sei
auch nicht in Stein gemeisselt. «Wenn sich zeigt, dass sich das eine oder
andere nicht bewährt, so können wir das wieder korrigieren.»
Strukturierung erstickt
Kreativität
Solche
Aussagen nerven Kerstin Wenk, SP-Grossrätin und beim VPOD verantwortlich für
Bildung: «Das ist ein grosser Aufwand für die Kindergärtnerinnen», sagt sie.
Die Lehrpersonen müssten schon so immer mehr Zeit in administrative Belange
investieren. «Und es wird immer mehr und immer aufwendiger.» «Wir suchen immer
wieder mit dem Erziehungsdepartement das Gespräch», sagt sie. Doch dieses sei
nicht bereit, auf die Kritik einzugehen.
«Das Kind kann eigene
Stärken und den persönlichen Entwicklungsbedarf benennen. Das Kind kann einen
Entscheid treffen. Das Kind lässt sich durch Misserfolge nicht übermässig
verunsichern.»
Nicoletta
Stalder, Mutter von drei Buben, hat Erfahrungen mit Lernberichten, auch wenn
sie an ihrem Wohnort, in Binningen, im Kindergarten nicht in dieser Form
eingesetzt werden. «Was die Bildung unserer Kinder angeht, herrscht zunehmend
ein Kontrollwahn», stellt sie nüchtern fest. Ständig werde in irgendeiner Form
in die Entwicklung der Kinder eingegriffen. «Diese Strukturierung erstickt jede
Kreativität und Spontanität.» Der Drang zur Beurteilung und Normierung des Unterrichts
demotiviere Kinder und Lehrer.
Eine Fünferskala zur
Bewertung
Stalder
– ausgestattet mit dem Primarlehrerinnendiplom – hat zunehmend den Eindruck,
dass die Beschränkung auf enge Leistungsfelder schadet. «Natürlich wird auch
bei uns diskutiert, ob das sinnvoll ist oder nicht», sagt Gaby Hintermann,
Geschäftsleitungsmitglied der Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt. Sie
begrüsst, wenn sich die Kindergärtnerin vor dem Standortgespräch in dieser Form
Gedanken macht, als Mutter würde sie dies auch schätzen. «Doch für die Lehrpersonen
wird der Arbeitsaufwand immer grösser, das stimmt.»
«Das Kind hat eine
ausgeprägte oder wechselnde Händigkeit, kann den Stift locker halten. Das Kind
kann den eigenen Körper differenziert wahrnehmen. Das Kind übernimmt
Verantwortung für die Gruppe.»
Der
Lernbericht beruht auf einem standardisierten Beurteilungsbogen. Leistungen und
Verhalten des Kindes werden auf einer Fünferskala bewertet. Insgesamt müssen
die Kindergärtnerinnen 17 Bereiche bewerten, bevor sie mit den Eltern Ziele
formulieren und Wege dorthin aufzeichnen.
Elterngruppe gegründet
«Das
kommt mir vor, wie wenn ich eine Wiese bepflanze, und ständig schreiten
Experten darüber und zupfen an den Blümchen, um zu kontrollieren, ob sie
richtig wachsen. Dabei zertrampeln sie alles», sagt Nicoletta Stalder. So
würden die Nischen für die Entwicklung von Eigeninitiative, Originalität und
Selbstständigkeit für die Kinder immer kleiner.
Sie ist überzeugt,
dass Eltern und Lehrkräfte, welche die Freude am Lernen und nicht die
Vermessung und Verplanung des Kindes als Weg in die Zukunft sehen, innerhalb
der Staatsschule eine Alternative brauchen. Sie hat daher als ersten Schritt
eine Elterngruppe gegründet.
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