16. Januar 2014

Alarmsystem abgelehnt

Die Stadt Zürich verzichtet auf ein Alarmsystem, dass im Falle eines Amoklaufes alle 104 Schulen der Stadt an ein elektronisches Alarmsystem angeschlossen hätte. Die Kosten waren mit 5,2 Millionen Franken veranschlagt worden.
Kein Amokalarm für Stadtzürcher Schulen, NZZ, 16.1. von Jan Hudec


Es sind Ortsnamen, die sich in den Köpfen eingebrannt haben: Winnenden, Erfurt, Littleton. Alle drei waren Schauplätze von Amokläufen an Schulen. In Winnenden verloren 16 Menschen ihr Leben, in Littleton waren es 15, in Erfurt 17. Um solche Tragödien zu verhindern, leitete die Stadt Zürich seit 2009 diverse Massnahmen ein. Lehrpersonen lernen etwa, wie sie sich im Notfall verhalten müssen - nämlich sich im Klassenzimmer zu verbarrikadieren, statt zu flüchten - oder wie sie verdächtige Verhaltensweisen bei Schülern möglichst früh erkennen können.
Flächendeckendes System
Eine Lücke in diesem Gesamtkonzept fand der Stadtrat indes bei der Alarmierung. Heute hat jede Schule ein eigenes Konzept, wie intern auf einen Amoklauf aufmerksam gemacht wird, zum Beispiel per Handy oder per Megafon. Wäre es nach dem Willen des Stadtrates gegangen, hätte bis 2016 an allen 104 Schulen der Stadt ein elektronisches Alarmsystem eingerichtet werden sollen, mit dem per Knopfdruck nicht nur die Lehrerschaft, sondern auch die Polizei vor einem Amoklauf gewarnt worden wäre. 5,2 Millionen Franken waren für das Projekt veranschlagt, doch die Mehrheit im Gemeinderat hat am Mittwoch das Vorhaben abgelehnt.
Es war, wie bei diesem Thema nicht anders zu erwarten, eine emotionale Debatte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man im Vorfeld eher mit einer Zustimmung gerechnet hatte, zumal die vorberatende Kommission zum Antrag des Stadtrates ein Ja empfohlen hatte.
Ruth Ackermann (cvp.), Sprecherin der Kommissionsmehrheit, betonte, dass es zwar glücklicherweise in Zürich noch nie zum Ernstfall gekommen sei, dass man aber trotzdem auch hier einen Amoklauf nie ganz ausschliessen könne. «Deshalb ist es entscheidend, dass wir die bestehende Sicherheitslücke schliessen.» Dem hielt Ruth Anhorn (svp.) entgegen, die die Minderheit der Kommission vertrat, dass sich auch mit einem ausgeklügelten Alarmsystem Amokläufe nicht vollständig verhindern liessen. Auch wisse man letztlich nie, wie Menschen in Gefahrensituationen reagierten, der Fluchtreflex sei angeboren.
Falsche Sicherheit
Auf diese beiden Voten zum Auftakt folgte eine ausgiebige Grundsatzdebatte darüber, wie weit man sich Sicherheit erkaufen kann, wo der Sicherheitswahn beginnt und was die geeigneten Massnahmen wären, um die Schulkinder bestmöglich zu schützen.
Seitens der Gegner wurde wiederholt eingewandt, dass eine solche Alarmanlage eine falsche Sicherheit vorgaukle. Roger Tognella (fdp.) beispielsweise bezweifelte, dass die vielen Stellvertreter, die an den Zürcher Schulen lehrten, im Notfall wüssten, was zu tun wäre. Andere auf der Gegnerseite, zu denen neben den Bürgerlichen auch Teile der SP sowie die Mehrheit der AL zählten, führten grundsätzlichere Argumente an. Isabel Garcia (glp.) sprach von einem Abschieben der Verantwortung auf ein technisches System: «Unsere Verantwortung wäre es, der Gewalt im Alltag eine Absage zu erteilen.» Eine verbesserte Prävention forderte auch Rebekka Wyler (sp.): Ein System, das nur die Kultur der Angst weiter fördere, sei abzulehnen.
Leben retten
Auch die Befürworter räumten ein, dass es absolute Sicherheit nicht gebe. «Aber das ist doch noch kein Argument dafür, einfach nichts zu tun», sagte Stadtrat Gerold Lauber (cvp.). Ein Alarmsystem könne einen Amoklauf nicht verhindern, aber den Schaden begrenzen: «Das heisst in diesem Fall Leben retten.» Auch sein Stadtratskollege Richard Wolff (al.) schaltete sich in die Debatte ein: «Nur weil wir Brandmelder in Gebäuden haben, leben wir ja auch nicht in ständiger Angst.» Erfahrungen zeigten, dass neben der Prävention bauliche Massnahmen entscheidend seien, um besser auf Gewalttaten reagieren zu können. Die Argumente der Befürworter verfingen jedoch nicht. Der Gemeinderat lehnte das Alarmsystem mit 77 zu 44 Stimmen deutlich ab.

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