21. Dezember 2013

Der Sprachenclown schlägt wieder zu

Warnung: Die Texte von José Ribeaud können Ihre geistige Urteilskraft schwächen. Soll man sich nun ärgern oder einfach nur lachen über den jurassischen Sprachentaliban? Privat ziehe ich das Lachen vor - Gift und Galle speit er gegen die ungehobelten Kulturbanausen aus der Deutschschweiz. Er tut dies mit einer Verve und Entschlossenheit, die im guten Fall amüsant, im schlechteren mitleiderregend ist. Staatspolitisch ist das Ganze allerdings nicht lustig, sondern bedenklich. Der Giftmischer gefährdet mit seinen Tiraden den Zusammenhalt des Landes stärker als die Kantone, die über einen sinnvolleren und nützlicheren Fremdsprachenunterricht nachdenken.








Ribeaud:"Die Schweizer befinden sich sprachlich gesehen immer noch im Krieg".


Die Schweiz im "Sprachenkrieg", José Ribeauds Polemik, NZZ, 21.12. von Christophe Büchi



Um Missverständnisse gleich auszuräumen: Die Stellung der französischen (und italienischen) Sprache in der Deutschschweiz muss mit Klauen und Zähnen verteidigt werden. Dies ist wichtiger denn je, denn in einer ganzen Reihe von Deutschschweizer Kantonen sind Vorstösse angekündigt, die zu einer Schwächung des Französischunterrichts führen und zu einer Belastung der Beziehungen zwischen den Sprachgruppen werden könnten. Es gibt aber Verteidiger der französischen Sprache, die so furios losschlagen, dass sie der Sache, die sie zu verteidigen vorgeben, einen schlechten Dienst erweisen.
Deutschschweizer schuld?
Der aus dem Jura stammende und in Berlin lebende José Ribeaud, von 1970 bis 1985 Leiter der welschen Tagesschau, als sie noch von Zürich ausgestrahlt wurde, danach Chefredaktor der Freiburger Tageszeitung «La Liberté», ist ein Mann von zäher Ausdauer. In einem Alter, in dem andere vor allem Golf spielen oder eine ruhige Kugel schieben, publiziert er Bücher, tritt an Podien auf, schreibt Zeitungsbeiträge zur Sprachensituation in der Schweiz.
Aber Ribeaud ist kein Mann der feinen Zwischentöne und der subtilen Dialektik. In zahlreichen Medien hat er noch und noch seine Sicht der Dinge dargelegt. Und immer ist der Grundton derselbe: Die vielsprachige Schweiz zerfällt, weil immer mehr Deutschschweizer nur Englisch sprechen wollen und sich vom Französischen abwenden. Fast so wütend ist er aber über den extensiven Gebrauch des Schweizerdeutschen. Für ihn ist klar: Ultrareaktionäre Kreise im Umfeld von Blochers SVP haben dem Französischen wie auch dem Hochdeutschen den Krieg erklärt. Dabei zieht Rebeaud eine historische Parallele: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe ein Eduard Blocher, Grossvater unseres Christoph, den Französischunterricht als nutzlos und schädlich bezeichnet. «Tel grand-père, tel fils»: Wie der Grossvater, so der Enkel?
Abstruse Argumentation
Allerdings «hinkt» der historische Vergleich zwischen den beiden Blocher schon deshalb, weil der streitbare Pfarrer Eduard Blocher ein grosser Hochdeutsch-Verfechter und Deutschland-Bewunderer war. Zudem: Die derzeitige Infragestellung des «Franz»-Unterrichts kommt keineswegs nur aus der SVP-Ecke. Aber über solche Details setzt sich Ribeaud locker hinweg.
Jetzt hat er der Sonntagszeitung der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ein Interview gegeben, in dem er gegenüber der deutschen Öffentlichkeit noch eins draufhaut: «Mundarten sind ein Beweis dafür, dass man sich abhebt. Die Schweizer glauben, es braucht eine sprachliche Abgrenzung zu Europa und vor allem zu Deutschland. Dieses Grenzdenken gegenüber Deutschland oder Frankreich rührt noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Schweizer befinden sich sprachlich gesehen immer noch im Krieg.»
Dies nun ist starker Tobak und, mit Verlaub, abstrus. Wenn viele Deutschschweizer heute lieber Englisch lernen als Französisch, so vor allem deshalb, weil das Englische die dominierende Weltsprache geworden ist. Aus dem gleichen Grund lernen viele Romands lieber Englisch als Deutsch. Dies ist bedauerlich, hat aber mit dem Ersten Weltkrieg nichts zu tun.

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