Ribeaud:"Die Schweizer befinden sich sprachlich gesehen immer noch im Krieg".
Die Schweiz im "Sprachenkrieg", José Ribeauds Polemik, NZZ, 21.12. von Christophe Büchi
Um Missverständnisse gleich
auszuräumen: Die Stellung der französischen (und italienischen) Sprache in der
Deutschschweiz muss mit Klauen und Zähnen verteidigt werden. Dies ist wichtiger
denn je, denn in einer ganzen Reihe von Deutschschweizer Kantonen sind Vorstösse
angekündigt, die zu einer Schwächung des Französischunterrichts führen und zu
einer Belastung der Beziehungen zwischen den Sprachgruppen werden könnten. Es
gibt aber Verteidiger der französischen Sprache, die so furios losschlagen,
dass sie der Sache, die sie zu verteidigen vorgeben, einen schlechten Dienst
erweisen.
Deutschschweizer schuld?
Der aus dem Jura stammende
und in Berlin lebende José Ribeaud, von 1970 bis 1985 Leiter der welschen
Tagesschau, als sie noch von Zürich ausgestrahlt wurde, danach Chefredaktor der
Freiburger Tageszeitung «La Liberté», ist ein Mann von zäher Ausdauer. In einem
Alter, in dem andere vor allem Golf spielen oder eine ruhige Kugel schieben,
publiziert er Bücher, tritt an Podien auf, schreibt Zeitungsbeiträge zur Sprachensituation
in der Schweiz.
Aber Ribeaud ist kein Mann
der feinen Zwischentöne und der subtilen Dialektik. In zahlreichen Medien hat
er noch und noch seine Sicht der Dinge dargelegt. Und immer ist der Grundton
derselbe: Die vielsprachige Schweiz zerfällt, weil immer mehr Deutschschweizer
nur Englisch sprechen wollen und sich vom Französischen abwenden. Fast so
wütend ist er aber über den extensiven Gebrauch des Schweizerdeutschen. Für ihn
ist klar: Ultrareaktionäre Kreise im Umfeld von Blochers SVP haben dem
Französischen wie auch dem Hochdeutschen den Krieg erklärt. Dabei zieht Rebeaud
eine historische Parallele: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe ein Eduard
Blocher, Grossvater unseres Christoph, den Französischunterricht als nutzlos
und schädlich bezeichnet. «Tel grand-père, tel fils»: Wie der Grossvater, so
der Enkel?
Abstruse Argumentation
Allerdings «hinkt» der
historische Vergleich zwischen den beiden Blocher schon deshalb, weil der
streitbare Pfarrer Eduard Blocher ein grosser Hochdeutsch-Verfechter und
Deutschland-Bewunderer war. Zudem: Die derzeitige Infragestellung des
«Franz»-Unterrichts kommt keineswegs nur aus der SVP-Ecke. Aber über solche
Details setzt sich Ribeaud locker hinweg.
Jetzt hat er der
Sonntagszeitung der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» ein Interview gegeben, in
dem er gegenüber der deutschen Öffentlichkeit noch eins draufhaut: «Mundarten
sind ein Beweis dafür, dass man sich abhebt. Die Schweizer glauben, es braucht
eine sprachliche Abgrenzung zu Europa und vor allem zu Deutschland. Dieses
Grenzdenken gegenüber Deutschland oder Frankreich rührt noch aus der Zeit des
Ersten Weltkriegs. Die Schweizer befinden sich sprachlich gesehen immer noch im
Krieg.»
Dies nun ist starker Tobak und, mit Verlaub, abstrus. Wenn viele
Deutschschweizer heute lieber Englisch lernen als Französisch, so vor allem
deshalb, weil das Englische die dominierende Weltsprache geworden ist. Aus dem
gleichen Grund lernen viele Romands lieber Englisch als Deutsch. Dies ist
bedauerlich, hat aber mit dem Ersten Weltkrieg nichts zu tun.
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