15. Juli 2013

Muttersprach-Kurse unter Druck

Nachdem bereits Italien Beiträge für den Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur gestrichen hat, folgt nun Spanien. Befürchtet wird ein Kahlschlag, wenn nicht die öffentiche Hand Beiträge zusichert.
Ein Beitrag von Irène Troxler aus der NZZ, vom 15.7.
In der spanischen Gemeinde Zürichs herrscht Aufregung. Auf Twitter und Facebook schlagen die Wellen hoch, seit die spanische Regierung beschlossen hat, die Finanzierung der traditionellen Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK) um die Hälfte zu reduzieren. Als Alternative soll den 7- bis 11-jährigen Schülerinnen und Schülern ein Internetprogramm zum Spracherwerb zur Verfügung gestellt werden.
In einem Communiqué wendet sich eine Zürcher Plattform zur Verteidigung der HSK an die Medien. Es könne nicht sein, dass sich der spanische Staat aus der Verantwortung schleiche und die Integration seiner Mitbürger ganz auf die Schweiz überwälze, heisst es darin. Ende Juni hätten Demonstrationen in Basel, Paris und Brüssel stattgefunden. Weitere Kundgebungen seien nach den Sommerferien geplant.





Wegen der Finanzkrise gefährdet: Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur, Bild: Fabian Stamm






Der Nutzen der HSK-Kurse ist in der Fachwelt unbestritten. Mehrere Studien belegen, dass Kinder mit Migrationshintergrund in der Regel besser Deutsch lernen, wenn sie ihre Muttersprache richtig beherrschen. Der Leiter des Zürcher Volksschulamtes, Martin Wendelspiess, weist ferner darauf hin, dass die Frage der Identität für die Integration eine wichtige Rolle spielt. Indem sie die heimatliche Kultur vermittelten, leisteten diese Kurse also einen weiteren Integrationsbeitrag.
Der Kanton Zürich unterstützt die Kurse, die in über 20 Sprachen angeboten werden, lediglich, indem er dafür Schulzimmer zur Verfügung stellt. Mit der Finanzierung hat er nichts zu tun. Bis zur Finanzkrise waren die alten Einwanderungsnationen wie Italien, Spanien oder Portugal für die Kurse aufgekommen. Doch in den letzten Jahren kürzten auch die Italiener ihre Beiträge, wie der zuständige Koordinator Marco Toviani auf Anfrage erläutert. 2012 sei eine Reduktion um vierzig Prozent in fünf Jahren beschlossen worden. Dieses Jahr habe man in Zürich drei Lehrerstellen verloren. Dennoch hätten alle Kurse gestartet werden können. Bei der Finanzierung helfe nun ein Elternverein, und man bitte die Eltern um einen freiwilligen Beitrag von 200 Franken pro Jahr. Wie bei den Spaniern gebe es auch bei den Italienern eine Bewegung, welche die Sparbemühungen stoppen wolle, sagt Toviani.
Wendelspiess würde einen Abbau bei den HSK-Kursen sehr bedauern, will aber nicht den Teufel an die Wand malen. Die meisten Kurse, zu denen auch solche in Albanisch, Bulgarisch, Japanisch oder Koreanisch gehören, würden nicht von den Regierungen der betroffenen Länder finanziert, sondern von Vereinen, hält er fest. Für die Gewerkschaft VPOD, die SP und die Alternative Liste hingegen ist klar, dass nun der Kanton in die Bresche springen muss. SP und AL haben kürzlich eine parlamentarische Initiative mit diesem Ziel eingereicht. Sie dürfte allerdings wenig Chancen auf eine Mehrheit im Kantonsrat haben. Bei der Beratung des Volksschulgesetzes hatten die Parlamentarier diesem Anliegen eine deutliche Abfuhr erteilt.
Die spanischen Eltern befürchten derweil einen schleichenden Abbau. Man dünne die Unterrichtsorte aus und demotiviere so die Eltern, ihre Kinder zu immatrikulieren. Mit privaten Trägerschaften wolle das spanische Bildungsamt gar keine Verhandlungen führen, sagt eine Vertreterin der spanischen Plattform. Damit bringe sie das ganze Programm in Gefahr.

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