Selbst in der Klasse zu unterrichten, mit anderen Schulleitern über Probleme zu sprechen, auf die Bedürfnisse der Schüler einzugehen, all diese Aufgaben machen die Schweizer Schulleiter gerne. Dagegen schätzen sie gar nicht: von oben diktierte Reformen umsetzen, mit Lehrpersonen Konflikte austragen und zwischen Eltern und Lehrkräften im Konfliktfall vermitteln. Zu diesem Schluss kommt die Studie von Stephan Huber, Leiter des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungsökonomie an der Pädagogischen Hochschule Zug. Er ist Verfasser der ersten länderübergreifenden Studie zur Arbeitssituation der Schulleiter in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz.
Huber kennt die Sorgen und Nöte der Schulleiter genau. Insgesamt 5394 Berufsleute haben an der Befragung teilgenommen - unter ihnen 889 Schweizer. Unter anderem haben sie Fragen beantwortet, die Aufschluss geben über ihre Arbeitsbelastung, Arbeitszufriedenheit und die emotionale Erschöpfung. «Alle drei Messwerte zusammen erlauben die Einordnung in ein Burnout-Risiko-Schema», erklärt Huber. Dabei haben die Forscher drei Gruppen unterschieden: wenig, mittel und stark belastet. «Wir haben festgestellt, dass etwa 16 Prozent der Schweizer Schulleiter in die Gruppe der stark belasteten Personen gehören», sagt Huber. Stark belastet heisst: so sehr durch den Beruf beansprucht, dass ein Arbeitsausfall wahrscheinlicher ist als bei den anderen Gruppen. Die Forscher haben Faktoren identifiziert, die eine Überlastung begünstigen. «Es sind Personen mit hoher Einsatzbereitschaft, geringer Stressresistenz und wenig kollegialer Unterstützung im Team, die auffällig häufig in diese Risikogruppe gehören», erklärt Huber. Daneben scheine sich die Belastung über die Zeit zu kumulieren. «Je länger man Schulleiter ist, desto höher ist auch das Belastungsempfinden», sagt Huber.
Der Verband der Schweizer Schulleiter betrachtet lieber die Kehrseite der Medaille. «Immerhin sind es 84 Prozent, die nicht so stark belastet sind», sagt Präsident Bernard Gertsch, der selbst Schulleiter in Egnach (TG) ist. Ganz allgemein hätten sich jedoch in der Studie die Erfahrungen des Verbands bestätigt. «Die Leitung einer Schule ist angesichts der Reformen und zunehmenden Verwaltungsaufgaben immer anspruchsvoller geworden», sagt Gertsch. Ausserdem kenne man den Beruf des Schulleiters hierzulande erst seit wenigen Jahren. «Aufgaben und Kompetenzen müssen sich zuerst noch zu einem Berufsbild verfestigen», erklärt Gertsch.
In der Belastung der Schulleiter gibt es regionale Unterschiede. So sind gemäss der Studie Schulleiter im Kanton Zug etwas weniger belastet, während jene im Kanton Basel-Stadt sich besonders belastet fühlen. Für Dieter Baur, Co-Präsident des Basler Schulleiter-Verbands, ist dieser Befund nicht weiter erstaunlich. «Die Schulen in Basel-Stadt befinden sich gerade in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess», erklärt Baur. Die Struktur der Volksschule wird Harmos-konform umgestellt. Diese Baustelle ist durchaus wörtlich zu verstehen. «Viele Schulgebäude befinden sich momentan im Umbau», sagt Baur. Die räumlichen und personellen Umstellungen hätten Unsicherheiten zur Folge. Die unstabile Situation im Lehrerzimmer werde noch einige Jahre andauern, sagt Baur.
Weiter bemerkenswert an der ersten grossen Schulleiter-Studie ist der Vergleich mit Deutschland. Während in der Schweiz in den Top Ten der unbeliebtesten Aufgaben gleich dreimal der Bereich Konfliktmanagement genannt wird, fallen diese Aufgaben den deutschen Schulleitern offenbar nicht so schwer - sie fehlen ganz in den Top Ten der unbeliebtesten Aufgaben. «Deutsche streiten eben lockerer als wir», sagt Gertsch dazu, «und Schweizer leiden schneller im Streit.»
Quelle: NZZaS, 21.4. von Katharina Bracher
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