Die sehr starke Gemeindeautonomie im Kanton Graubünden
ist historisch gewachsen und macht es der kantonalen Regierung nicht immer
einfach, eine jeweils kohärente Politik zu führen. Im Fall der Sprachpolitik
manifestiert sich dieses Dilemma ganz besonders. Die Gemeinden entscheiden
autonom über ihre jeweilige Amts-, respektive Alphabetisierungssprache. Die
Ausgabe von Lehrmitteln wird jedoch vom Kanton verantwortet.
2003 hat der
Bündner Grosse Rat beschlossen, ab dem Jahr 2005 romanische Lehrmittel nur noch
in Rumantsch Grischun und nicht mehr in den Idiomen zu produzieren. 2010
formierte sich schliesslich die Bewegung Pro Idioms. Diese fordert eine
komplette Rückkehr zu den Idiomen als Alphabetisierungssprache in den
romanischen Primarschulen. Entgegen der kantonalen Sprachpolitik wurde über
dieses Politikum daraufhin in diversen romanischen Gemeinden abgestimmt. Konsequenz:
diese Gemeinden kehrten mehrheitlich zu den Idiomen zurück.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Regierung hier
federführend die Diskussion geleitet und moderiert und die Entscheide von 2003
weiterhin umgesetzt hätte. Die romanische Sprachwelt besteht in erster Linie
aus den Idiomen. Dies ist eine Tatsache. Aber es geht einfach nicht mehr ohne
Rumantsch Grischun, das unabdingbar geworden ist, wenn man sich auch an ein
romanisches Publikum ausserhalb des eigenen Tales richten möchte.
2. Ist es
sinnvoll, dass Romanen gleich viele Fremdsprachen wie die Deutsch- und die Italienischbündner
lernen sollen? Können die drei Sprachregionen gleich behandelt werden?
Die drei Sprachregionen Graubündens werden de jure bereits gleich behandelt. Im
öffentlichen Leben dieses Kantons ist es jedoch so, dass der deutschen Sprache de
facto eine überragende Rolle zukommt. Dies ist schon seit mehreren
Jahrhunderten der Fall, auch als Romanisch noch von einer Mehrheit der
Bündnerinnen und Bündnern gesprochen wurde.
Heute lernen alle Bündner Primarschüler Englisch als
zweite Fremdsprache ab der 5. Primarschulklasse. Die erste Fremdsprache bei den
Italienischbündnern ist Deutsch, bei den Deutschbündnern eine andere
Kantonssprache, was häufig Italienisch ist. Bei den Rätoromanen ist die erste
Fremdsprache natürlich Deutsch, wobei Italienisch von vielen als Freifach auf der
Sekundarstufe I belegt wird. Grösste Verliererin in diesem Sprachenangebot ist
eigentlich die französische Sprache. In einem dreisprachigen Kanton ist das
Fuder halt nolens volens überladen.
3. Wie könnte Ihrer Meinung nach das Romanische in der Schule am besten
gefördert werden?
Ich bin nicht Rektor einer Pädagogischen Hochschule, sondern leite ein Medienhaus. Aus meiner Sicht ist jedoch entscheidend, dass der Romanischunterricht als positives Erlebnis erfahren werden kann. Romanische Grammatik soll gebüffelt werden. Romanische Literatur soll gelesen werden. Vor allem aber soll der Unterricht Spass machen und den Schülern vermitteln können, dass Romanisch kein Hemmschuh ist, sondern ein linguistischer Türöffner und Horizonterweiterer. Man kann mit Romanisch eigentlich nur gewinnen.
Ich bin nicht Rektor einer Pädagogischen Hochschule, sondern leite ein Medienhaus. Aus meiner Sicht ist jedoch entscheidend, dass der Romanischunterricht als positives Erlebnis erfahren werden kann. Romanische Grammatik soll gebüffelt werden. Romanische Literatur soll gelesen werden. Vor allem aber soll der Unterricht Spass machen und den Schülern vermitteln können, dass Romanisch kein Hemmschuh ist, sondern ein linguistischer Türöffner und Horizonterweiterer. Man kann mit Romanisch eigentlich nur gewinnen.
4. Sie fordern, dass man „ernsthaft“
über die Schulpolitik nachdenken müsse. Was steht dabei bei Ihnen im
Vordergrund? Was muss der nächste Schritt in der Schulpolitik sein?
Die Parallelität von den Idiomen und Rumantsch Grischun soll mit dem Koexistenz-Modell
Wirklichkeit werden. Die Bündner Erziehungsdirektion muss sich nun Gedanken
darüber machen, wie dieser Kompromiss konkret umgesetzt werden kann. Rumantsch
Grischun darf nicht zu einer lästigen Beilage oder Garnitur des
Romanischunterrichts werden. Die Lehrer sollen dazu ermutigt und bisweilen gar
verpflichtet werden, Rumantsch Grischun nach Augenmass in den Unterricht
einzubauen.
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