6. November 2011

"Bildung ist kein A-la-carte-Menu"

Schweizer und sesshafte Ausländer dürfen ihre Kinder im Kanton Zürich nicht mehr an internationale Schulen schicken. Dieser Entscheid sorgt weiterhin für Unruhe.
Unzählige Anrufe internationaler Firmen kamen bei der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer in den letzten Wochen herein: IBM, Zurich Financial, Dow Chemical, CS. Die Liste ist nicht abschliessend. Die Anrufer waren alle besorgt über die Schlagzeilen, die sie in ausländischen Zeitungen und auf Webseiten lesen mussten: «Zürich weist Ortsansässige von internationalen Schulen ab».
Die Zürcher Bildungsdirektion hat entschieden, dass Eltern, die in der Schweiz sesshaft sind, ihre Kinder nicht mehr an internationale Privatschulen schicken dürfen. Diese Schulen bilden nicht nach dem Zürcher Lehrplan aus, sondern nach einem System, das international kompatibel ist - ideal für Familien, die aus beruflichen Gründen öfters in ein anderes Land umziehen. Mittlerweile schicken aber auch zunehmend ansässige Eltern - Schweizer und Ausländer - ihre Kinder dorthin. Neu ist der Schulbesuch nur noch für die erste Gruppe erlaubt, eine Einschränkung, die es in ähnlicher Form schon einmal gab, die aber 1998 aufgehoben wurde, weil man sie für zu wenig weltoffen und liberal hielt.
«Ein ganz schlechtes Signal» findet Martin Naville von der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer die erneute Einschränkung. Dem Ruf des Wirtschaftsstandorts Zürich diene das kaum, zumal die anderen Kantone keine solchen Regeln kennen. Zürich habe sich damit «in den eigenen Fuss geschossen». Ähnlich sieht es Peter Mott von der Zurich International School. Die Regelung zeuge von einer Haltung, die der modernen Welt nicht mehr entspreche. Heikel ist die Sache in der Tat. Eine Schulkarriere dauert in Zürich bis zu 15 Jahre. Welche Schule ein Kind besuchen soll, ist also ein eher langfristiger Entscheid. Doch Angestellte internationaler Firmen wissen nicht auf derart lange Zeit hinaus, ob und wann sie die Koffer packen müssen.
Bildungsdirektorin Regine Aeppli verweist auf das Volksschulgesetz, das eine Regelung der Internationalen Schulen verlangt. Eine Zulassungsbeschränkung entspreche dem Willen des Stimmvolks, sagt sie. Internationale Schulen seien erwünscht. Aber es gelte der Grundsatz, dass die sesshaften Kinder nach dem Zürcher Lehrplan zu unterrichten seien, um den Anschluss an die weiteren Bildungsstufen zu garantieren. «Wir wollen nicht, dass Eltern selbst bestimmen, was die Kinder lernen. Bildung ist kein A-la-carte-Menu», sagt Aeppli.
Darüber wird noch diskutiert werden. Die FDP hat diese Woche im Kantonsrat einen Vorstoss eingereicht, um die umstrittene Passage aus dem Gesetz zu streichen. Vorher wird Aeppli Besuch bekommen von Gerhard Pfister, Präsident des Verbands Schweizerischer Privatschulen. Er will wissen, was hinter diesem «wettbewerbsfeindlichen» Entscheid steckt.
NZZaS, 6.11. von Michael Furger

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