Aufmerksamkeitsdefizit-HyperaktivitätsStörungen
(ADHS) erhalten aktuell in Gesellschaft und Politik viel Aufmerksamkeit. Diese
Störungen sind verbreitet und beeinträchtigen nicht nur das Lernen, die
Leistungen und die Schulkarriere der Kinder. Als Jugendliche und junge
Erwachsene kommt es bei vielen Betroffenen zu einer erhöhten Neigung zu
Suchtmittelkonsum und Gewalt. Entsprechend können diese Verhaltensstörungen
den Eintritt in die Berufstätigkeit erschweren. Nicht zuletzt belasten sie Lehrpersonen
im Unterricht. Manchmal werden klinische Diagnosen vorschnell gestellt und die
störenden Symptome medikamentös behandelt. Das kann für die Betroffenen und
ihren späteren Lebenslauf unabsehbare Konsequenzen haben. Längst nicht in allen
Fällen braucht es eine medikamentöse Ritalin-Behandlung. Es gibt pädagogische
Massnahmen, um Kinder mit einer Neigung zu ADHS in der Schule zu fördern.
Pädagogische Lösungen für Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit, Schweiz am Wochenende, 22.4. von Markus Neuenschwander
Wir
gehen davon aus, dass sich diese Massnahmen auch bei Kindern mit
diagnostizierten ADHS positiv auswirken. Je nachdem, wie die Schule mit solchen
Störungen umgeht, lässt sich verhindern, dass Kinder als Störenfriede gelten
und in diesem Sinn stigmatisiert werden.
Weiterbildung auf drei Ebenen
In der
Interventionsstudie «Förderung von Kindern mit Unaufmerksamkeit und
Verhaltensauffälligkeiten in der Schule (FOKUS)» bildeten wir, finanziert vom
Bundesamt für Gesundheit, Lehrpersonen im ersten und zweiten Schuljahr im
Umgang mit «schwierigen» Kindern weiter. In dieser Weiterbildung ging es darum,
Lehrpersonen auf drei Ebenen mit Instrumenten im Umgang mit Hyperaktivität und
Unaufmerksamkeit vertraut zu machen. Auf Ebene der Klasse ging es um
Vermittlung von Konzepten der Klassenführung: Aspekte wie Klassenregeln,
Rituale, die Raumgestaltung, Verbildlichung des Arbeitsplanes standen hier im
Zentrum. Auf individueller Ebene ging es um die Vermittlung von
kinderzentrierten Massnahmen. Diese umfassten etwa Konzentrationstraining,
Bewegungspausen, Einzelarbeit, positive Erwartungshaltung. Auf der dritten
Ebene wurde auf die Zusammenarbeit mit den Eltern fokussiert – Formen des
Austausches, der Wertschätzung und der Koordination galt es zu entwickeln. Die
Weiterbildung wurde in einem Team mit Erziehungswissenschaftern der PH und
Primarlehrpersonen mit langjähriger erfolgreicher Praxis erarbeitet und von den
Primarlehrpersonen durchgeführt. An der drei Jahre dauernden Studie nahmen 137
Lehrpersonen teil.
Kinder sind besser integriert
Die Evaluation der
Weiterbildung zeigte, dass die Lehrpersonen danach über höhere Kompetenzen im Umgang
mit Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten verfügen und dass sie mit der
Situation der Kinder zufriedener waren. Die Kinder waren nach der Weiterbildung
der Lehrpersonen in der Klasse sozial besser integriert. Dass der Stand der
Integration und die Klassenkomposition bei der Entwicklung der
Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität der Kinder ein gewichtiger
Faktor ist, zeigen weitere Ergebnisse. Die FOKUS-Studie belegt, dass es möglich
ist, durch Lehrpersonen-Weiterbildung und mit pädagogischen Massnahmen die
Situation von unaufmerksamen, hyperaktiven und impulsiven Kindern im
Regelunterricht der Grundschule zu verbessern und deren schulisches
Leistungsvermögen zu fördern. Folgern kann man daraus, dass dadurch indirekt
auch eine Prävention gegen Störungen im Jugend- und Erwachsenenalter geleistet
werden kann. Die Weiterbildung wird an der Pädagogischen Hochschule FHNW
derzeit als regulärer Kurs angeboten. Er ist zudem in das
Schulentwicklungsprogramm «Soziales Lernen an Schulen» (SOLE) integriert. Der
FOKUSAnsatz wird zukünftig dank einer Kursleiterweiterbildung auch in anderen
Pädagogischen Hochschulen der Deutschschweiz vermittelt. Zudem werden in den
Studiengängen der Pädagogischen Hochschule FHNW angehende Lehrpersonen mit dem
FOKUS-Ansatz vertraut gemacht.
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