4. April 2016

"Männliche Vorbilder sind wichtig für Mädchen und Jungen"

Beat Ramseier ist Sozialarbeiter und Koordinationsstellenleiter des Vereins Männer an der Primarschule. Er hat einen zehnjärhigen Sohn.
Interview mit Beat Ramseier, Migros Magazin, 4.4. von Yvette Hettinger


Beat Ramseier, warum wollen Männer nicht mehr Primarschullehrer oder Kindergärtner werden?
Seit etwa 50 Jahren ist der Beruf für Frauen sehr attraktiv, weil er sich für Teilzeit arbeitende Mütter und Wiedereinsteigerinnen eignet. So entstand das Klischee, dass Frauen lieber mit Kindern arbeiten als Männer. Dazu kommt das leider immer noch weitverbreitete, aber falsche Image der «Chegelischule», in der man nur singt, malt und spielt. Das schreckt Männer ab, sie flüchten in Berufe, die sie attraktiver finden.
Und in denen sie mehr verdienen.
Der Lohn ist für Männer das stärkere Kriterium als für Frauen. Die Kantone haben das erkannt. Zürich etwa hat die Löhne in den Primarschulen angehoben und zahlt jetzt als Schweizer Spitzenreiter einem Berufs­einsteiger 90'000 Franken pro Jahr.
Dennoch werden Primarschulen auch in Zürich nicht gerade von männlichen Bewerbern überrannt.
Es gibt noch mehr Hürden. Im Umgang mit kleinen Kindern stehen Männer immer noch ein wenig im ­Generalverdacht, zu Übergriffen zu neigen. In manchen Krippen dürfen sie ein Baby nicht alleine wickeln. Sie wissen nicht, ob sie ein kleines Kind zum Trösten in den Arm ­nehmen dürfen, wenn es weint. Mit solchen Unsicherheiten müssen sich nur Männer herumschlagen.
Warum gibt es in der Oberstufe keinen Männermangel?
Dort ist er nur weniger dramatisch: In der Sek I liegt der Männeranteil bei 45,8 Prozent und ist sinkend. ­Dennoch, Oberstufenlehrer zu sein, reizt Männer immer noch mehr. Sie glauben, erst dort seien die Schüler gross genug, dass man sie unterrichten und ihnen Stoff vermitteln kann.
Wer will jetzt mehr Männer auf der Primarstufe?
Wenn man mit Lehrern und Eltern spricht, hört man immer wieder, es sei schade, dass es an Primar­schulen und Kindergärten nicht mehr Männer gebe. Studien aus der Privatwirtschaft zeigen, dass ­gemischte Teams effizienter sind und besser zusammenarbeiten. Das könnte auch für Schulen gelten. Der Austausch der Geschlechter ist wichtig.
Was können Männer besser als Frauen?
Nichts. Das ist auch nicht der Punkt. Männliche Vorbilder sind einfach wichtig für Mädchen und Jungen. ­Buben im Speziellen brauchen das, um ein realistisches Männerbild zu entwickeln. Gerade bei der ­Berufswahl ist die Vorbildfunktion enorm. Buben, die die Schule als weiblich erleben, kommen kaum auf die Idee, Lehrer zu werden.
Wie will Ihr Verein dieses Interesse wieder wecken?
Einerseits organisieren wir für ­Gymischüler Schnupperangebote an Primarschulen. Dann machen wir Lehrern, die schon unterrichten, Weiterbildung schmackhaft, etwa in Genderkompetenz. Potenzielle ­Berufsumsteiger unterstützen wir mit Informationen. Und an den ­Pädagogischen Hochschulen ver­mitteln wir Mentoren für Studenten und machen Werbung für den Beruf.
Mit welchen Argumenten?
Dass ein Primarschullehrer dank ­eines Teilpensums Zeit für die ­Familie schaffen kann, dass man ­selbständig arbeitet und ein wenig ein Manager ist. Männer brauchen halt andere Argumente als Frauen. Immerhin ist die Arbeit mit ­Kleinkindern bei Männern nicht mehr verpönt.
War das mal so?
Ich habe vor zehn Jahren einen Vätertreff aufgebaut. Viele der Männer, die kamen, konnten sich nicht vorstellen, beruflich mit Klein­kindern zu tun zu haben. Man fand allgemein, das seien komische ­Männer, die das machten. 

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