In Therwil dürfen muslimische Schüler sich weigern,ihrer Lehrerin die Hand zu schütteln. Dass die Therwiler Schulleitung es
offenbar in Ordnung findet, wenn man einer Frau aus religiösen Gründen nicht
die Hand gibt, ist ein krasses Beispiel für völlig falsch verstandene Toleranz.
Verständnis muss auch Grenzen haben, Basellandschaftliche Zeitung, 4.4. von Nicolas Drechsler
Die Geschichte der «Schweiz am Sonntag» macht
Furore: In Therwil hat die Schulleitung mit muslimischen Schülern eine
Vereinbarung getroffen: Aus Rücksicht auf ihre religiösen Gefühle müssen die
Halbwüchsigen der Lehrerin nicht mehr die Hand geben. Nicht etwa, weil die
Lehrerin schmutzige Hände hätte, sondern weil sie eine Frau ist. Die Reaktionen
auf den Beitrag sind eindeutig und voraussehbar: «Geht gar nicht», ist der
Grundtenor bei den Internetkommentatorinnen und Leserbriefschreibern. Und sie
haben recht.
Was
Integration genau zu beinhalten hat, darüber lässt sich diskutieren. Aber dass
man sich an die grundlegendsten Anstandsregeln des Gastlandes hält, ist
selbstverständlich. Oder sollte es sein. In einem orthodoxen Kloster in
Griechenland verhüllt die Touristin ihre Beine, auf einer Parkbank in Teheran
trinkt der durstige Reisende kein Bier. Wer aus religiösen – oder was für
Gründen auch immer – meint, er könne sich nicht an lokale Grundregeln halten,
der soll auf die Reise verzichten. Ob es nun eine Ferienreise ist oder eine
Auswanderung. Darum sind beispielsweise Bussen für
Schwimmunterrichts-Verweigerer, wie sie in Basel-Stadt verhängt wurden,
richtig. Die Schulpflicht gilt bei uns für alle und für alle Fächer.
Es geht um hart erkämpfte Werte und Rechte
Dass
die Therwiler Schulleitung es offenbar in Ordnung findet, wenn man einer Frau
aus religiösen Gründen nicht die Hand gibt, ist ein krasses Beispiel für völlig
falsch verstandene Toleranz. Dabei ist absolut unerheblich, ob es nun
irgendwelche Rechtsschulen im Islam gibt, die den Handschlag mit Frauen
ablehnen – im Koran steht das nämlich nirgends geschrieben. In unseren
Breitengraden sind Frauen und Männer gleichberechtigt, werden mit der gebotenen
Höflichkeit behandelt und das lernt man, wenn es schon zu Hause nicht
geschieht, dann wenigstens in der Schule. Dass eine Schulleitung hier
einknickt, zeigt, sie hat ihren grundlegenden Auftrag nicht erkannt: Mündige,
kritische Bürger heranzuziehen, die sich in unseren Rechts- und
Gesellschaftsnormen zu bewegen wissen.
Sonst
muss man sich die Frage stellen, wie weit die Rücksichtnahme im Namen der
Toleranz denn gehen soll. Ist es auch in Ordnung Frauen zu schlagen? Sollen
reine Knabenklassen mit ausschliesslich männlichem Lehrpersonal eingerichtet
werden?
Es
geht hier nicht um den Islam, sondern um moderne Werte. Auf der Suche nach
frauenverachtenden Stellen wird man auch in der Bibel rasch fündig. «Die Weiber
seien untertan ihren Männern als dem Herrn», schreibt Paulus an die Epheser
(5,22). Das kann ihm auch niemand verübeln, er tat das im ersten Jahrhundert
und seine Aussage entsprach dem gesellschaftlichen Normativ. Wir aber leben im
21. Jahrhundert. Unsere Gesellschaft hat sich entwickelt. Nicht zuletzt dank
Bildung, Aufklärung und Regeln, die in der Schule gelehrt werden. Wer hier
nachgibt, tritt hart erkämpfte Werte und Rechte mit Füssen und bereitet den Weg
für eine Rückkehr in finstere Zeiten.
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