8. Januar 2016

Grüne Pädagogik mit bescheidenem Erfolg

Wir beginnen den Tag mit einem Lied. «Wir fah-ren mit dem Fahr-rad o-der geh'n zu Fuss, mit Bus und Zug geht's auch, das Auto bleibt zu Haus.» Und weiter: «Die Abgase sind schädlich, für Mensch und Natur, das Treibhaus wird verstärkt und die Erde warm.» Auch bei der letzten Strophe singen alle mit, denn die ist ganz wichtig: «Deshalb bemüh'n wir uns, und wollen Vorbild sein, erzählen allen Leuten gross oder klein. Das Motto ist klar, umweltfreundlich sein.» Das Lied gibt es tatsächlich, gedichtet wurde es nicht etwa für den Parteitag der Grünen, sondern für öffentliche Schulen. Es nennt sich «Grüne Meilen Lied» und findet sich im Unterrichtsprogramm «Kleine Klimaschützer unterwegs». Das funktioniert so: Wenn sich die Kinder brav verhalten, also etwa Velo fahren statt im Geländewagen mitfahren, erhalten sie grüne Meilen, mit denen sie dann an die nächste Uno-Klimakonferenz pilgern. Damit soll den Politikern gezeigt werden, «dass Kinder schon prima Umweltschützer sind». Ginge es nach dem Zürcher Stadtrat, würde das Meilen-Lied in möglichst vielen Schulzimmern erschallen. Denn «Kleine Klimaschützer» ist eines von mehreren grünen Erziehungsprogrammen, welches das Gesundheits- und Umweltdepartement (GUD) von Claudia Nielsen (sp.) auf seiner Website anpreist.













In Zürcher Schulzimmern sollen die Vorzüge des Verzichts gepredigt werden, Bild: Christian Beutler
Spiel mir das Lied vom Klimawandel, NZZ, 8.1. von Lucien Scherrer


Der Hintergrund ist einfach: Seit die Zürcher Stimmbürger mit grosser Mehrheit das Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft in der Gemeindeordnung festgeschrieben haben, fühlt sich die rot-grüne Mehrheit dazu berufen, den Leuten einen 2000-Watt-Lifestyle «in die Köpfe zu pflanzen», wie es der «Züri-tipp» einst ebenso begeistert wie ironiefrei ausdrückte. Tatsächlich dürfte der ehrgeizige Plan nur realisierbar sein, wenn man die Menschen über strenge Vorschriften und Verbote zum Verzicht auf Energie, Wohnfläche oder gewisse Essgewohnheiten zwingt, was wohl auch der rot-grünen Klientel zu viel des Guten wäre. Also versucht man eben, die Menschen selber zu ändern und ihnen eine Art grünen Staatstrojaner einzupflanzen. Und wo sonst geht das besser als in der Schule?
Im Jahr 2010 ist der Stadtrat in einem Postulat von Christina Hug (gp.) und Claudia Rabelbauer-Pfiffner (evp.) dazu aufgefordert worden, das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft vermehrt in den Schulen zu vermitteln. Damit ihre Ziele erreicht werden können, so heisst es in der Begründung, «muss die ganze Bevölkerung und insbesondere die Kinder und Jugendlichen (sic!) einbezogen werden». In der Folge beauftragte die Verwaltung die Naska GmbH - eine Beratungsfirma, die im staatsaffinen Sektor der «grünen Wirtschaft» gedeiht - mit der Entwicklung einer Unterrichtseinheit, die von den Schulen gebucht werden kann.

Wie der Titel «Unser Leben auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft» vermuten lässt, ist das Werk nicht bloss eine Anleitung zum richtigen Glühbirnen-Kauf. Vielmehr ist es eine umfassende Anweisung für ein korrektes, also grünes Leben. Mit Parolen wie: «Wir leben auf grossem Fuss» soll den Kindern zuerst ein schlechtes Gewissen eingeimpft werden. Dann wird ihnen gesagt, was sie zu tun, zu lassen und zu denken haben. Bio-Hemden und heimisches Gemüse kaufen, so steht in den Lehrmitteln geschrieben, ist brav, genauso wie Zug und Bus fahren; zu viel Fleisch essen ist nicht gut, und die «Macht der Marken» und der Konzerne ist unheimlich. Das umstrittene Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft gilt es dagegen nicht zu hinterfragen - es wird den Schülern als «technisch machbare» und «global gerechte» Notwendigkeit verkauft, bei der alle mitzumachen haben.

Dem Lehrpersonal steht es frei, ob es mitmachen will oder nicht. Wie gut die Öko-Offensive dort ankommt, weiss niemand so genau. Laut Christine Bächtiger vom GUD ist das Interesse am Meilen-Sammeln in den letzten vier Jahren derart abgeflaut, dass die Zürcher an der jüngsten Klimakonferenz in Paris mit Abwesenheit glänzten. Das erwähnte Programm zur 2000-Watt-Gesellschaft werde pro Jahr 200- bis 300-mal heruntergeladen. Von wem, sei bis dato unbekannt. Eine kleine Umfrage in der Lehrerschaft zeigt jedenfalls, dass sich die Bekanntheit des Angebots in Grenzen hält. Inhaltlich kommt es unterschiedlich an. Mathias Habegger, ein Sek-B-Lehrer, begrüsst die Bemühungen der Stadt. «Meinen Schülern ist das Schicksal der Erde herzlich egal», sagt er, «die würden sich erst Gedanken machen, wenn es für ihr Handy keinen Strom mehr gibt.» Dass das Material reichlich ideologisch daherkommt, stört ihn nicht: «Das ist meiner Meinung nach nötig, sonst lernen sie es nie.»

Der Öl-König wird bekehrt
Andere Lehrer sind kritisch: Solange man bei derartigen Übungen nicht mitmachen müsse, gebe es kein Problem. Andernfalls schon. Fest steht, dass es bei der Umsetzung der 2000-Watt-Gesellschaft nach jüngsten Erkenntnissen harzt. Und dies, obwohl sich mittlerweile eine ganze Reihe von grünen Pädagogen darüber Gedanken machen darf, wie man den Nachwuchs auf den richtigen Weg bringen könnte.

Unter anderem hat der Gemeinderat einen jährlichen Kredit von 300 000 Franken für «Energieunterricht» bewilligt. Damit betraut war in den letzten Jahren die Stiftung Pusch, die sich im Namen eines «ökologischen Umbaus» der Wirtschaft für die staatliche Förderung erneuerbarer Energien einsetzt. Entsprechend geht es auch hier nicht nur ums Sparen, sondern um die Vermittlung bestimmter Ansichten. So halten die Pusch-Pädagogen die Geschichte von König Ölfried bereit, der beinahe im Smog krepiert, bis ihn Retterin Solaria darüber aufklärt, dass er seinen Energiehunger mit Sonnen-, Wind- und Wasserkraft stillen könne. Was zumindest im Märchen funktioniert.


In der Realität ist es fraglich, ob man Kinder mit pathetischen Liedern, quasireligiösem Eifer und altersgerecht verpackten politischen Forderungen wird bekehren können. Selbst in autoritären Staaten hat das nie funktioniert. Doch das kann den Anhängern einer wohlwollenden Erziehungsdiktatur, wie sie von Jean-Jacques Rousseau ersonnen wurde, egal sein: Je uneinsichtiger ihre Zielobjekte, desto mehr gibt es zu tun.

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