7. April 2021

"Als Sekundarlehrer kann ich heute nicht mehr die gleiche Leistung verlangen wie vor zehn Jahren"

Zehn Jahre Starke Schule Baselland, ein Jahr davon Starke Schule beider Basel: Sie haben im Baselbiet den meisten Anliegen, die Sie eingebracht haben, zum Durchbruch verholfen. Kann sich die Starke Schule demnach in den Ruhestand begeben?

Es gibt mehrere offene Baustellen, die wir weiter verfolgen möchten: so etwa den Lehrplan, der bis Mitte 2022 überarbeitet wird. Auch die Digitalisierung mit den neu eingeführten iPads an den Sekundarschulen ist ein Thema, das bei allen Vorteilen nicht ganz unproblematisch verläuft. Zunehmend gelangen Lehrpersonen an uns, die wir in personalrechtlichen Fragen beraten und deren Interessen wir vertreten; deshalb möchten wir uns ab 2022 auch als Berufsverband anerkennen lassen. 

Wie konservativ sind Sie, Herr Wiedemann? Basler Zeitung, 7.4. von Thomas Dähler

Weshalb wollen Sie neuerdings auch in Basel-Stadt aktiv werden? Erziehungsdirektor Conradin Cramer vollzieht ja vieles, was im Baselbiet dank Ihren Initiativen umgesetzt ist. 

Herr Cramer hatte, zwei Tage bevor wir die Initiative für Lehrmittelfreiheit gestartet haben, in einer Medienmitteilung angekündigt, dass die Lehrpersonen wie in Baselland eine Lehrmittelauswahl bekommen sollen. Er hatte offensichtlich den Druck der Initiative gespürt und reagiert. Gut möglich, dass unsere Initiative ausreichend erfüllt wird und damit gar nicht mehr eingereicht werden muss. Dies werden wir auf jeden Fall prüfen. Volksinitiativen sind, wie das Beispiel zeigt, ein wirksames Mittel, um Verbesserungen im Bildungssystem anzustreben. 

In der Bilanz Ihrer zehnjährigen Tätigkeit stellen wir fest, dass Sie vor allem gegen Neuerungen angetreten sind oder Reformen verhindern wollten. Wie konservativ ist die Starke Schule? 

Bei Bildungsreformen muss doch geprüft werden, ob sie einen Gewinn bringen oder nicht. Das beste Beispiel für eine Fehlentwicklung ist der Fremdsprachenunterricht in Französisch und Englisch mit den Lehrmitteln «Mille feuilles», «Clin d’œil» und «New World». Inzwischen belegen alle Studien, dass die Schülerinnen und Schüler die Lernziele mit diesen Lehrmitteln und der dahintersteckenden Ideologie nicht erreichen können. Die Baselbieter Bildungsdirektion und das Amt für Volksschulen haben sich extrem lange geweigert, über die Bücher zu gehen. Wir mussten mit mehreren Initiativen für Druck sorgen. Ebenso gelang es mit vielen Initiativen, Sparmassnahmen im Bildungsbereich zu verhindern und mit der Reduktion der maximalen Schülerzahl pro Klasse bessere Lernbedingungen zu erreichen. Die Starke Schule verhindert lediglich untaugliche Reformvorhaben wie zum Beispiel die Abschaffung der Fächer Biologie, Geografie und Geschichte an den Sekundarschulen. 

War die Schule vor zehn Jahren besser als heute? 

Als Sekundarlehrer kann ich heute nicht mehr die gleiche Leistung verlangen wie vor zehn Jahren. 

Vielleicht liegt das ja auch an gesellschaftlichen Veränderungen. Hat sich die Schule in den letzten zehn Jahren in eine falsche Richtung entwickelt? 

Es hat Reformen gegeben, die zu einem Bildungsabbau führten. Etwa die Ideologie der Frühfremdsprachen oder der rein kompetenzorientierte Lehrplan 21 mit dem selbst organisierten Lernen. Die Schülerinnen und Schüler können Wichtiges und weniger Wichtiges kaum mehr auseinanderhalten. 

Sie verweisen auf landesweite Entwicklungen. Weshalb suchen Sie nicht Verbündete in anderen Kantonen? 

Der Vorstand der Starken Schule ist zu klein. Unsere Stärke reicht für Aktivitäten und Initiativen auf kantonaler Ebene. Zusammen mit Verbündeten auf nationaler Ebene tätig zu werden,würde unser Arbeitsvermögen übersteigen. 

Sie konzentrieren sich auf Strukturen und Rahmenbedingungen, kümmern sich aber wenig um die Praxis in den Schulen.Weshalb reagieren Sie nicht, wenn Vergleichstests den beiden Basel schwache Schulleistungen bescheinigen? 

Wir tauschen uns mit dem Lehrerinnen- und Lehrerverein aus und profitieren so gegenseitig voneinander. BetreffendAuswertung von Vergleichstests leistet der Lehrerinnen- und Lehrerverein eine ausgezeichnete Arbeit, von der wir profitieren können. Wir sehen uns nicht als Konkurrenten, sondern arbeiten eng zusammen und ergänzen uns. Zusammen sind wir stärker. 

Ihre letzte Initiative im Baselbiet ist an der Urne deutlich bachab geschickt worden, obwohl sie von den Lehrerinnen und Lehrern unterstützt wurde. Weshalb wählen Sie den Alleingang und bemühen sich nicht um Unterstützung anderer? 

Kurz vor dieser Abstimmung kündigte die Bildungsdirektion entscheidende Kompromisse an: So können die Lehrpersonen künftig frei wählen, ob sie mit den Kompetenzbeschreibungen des Lehrplans 21 arbeiten wollen oder mit Stoffinhalten und Themen. Ebenso erhielt das Amt für Volksschulen den Auftrag, den Lehrplan zu überarbeiten, insbesondere die Stoffinhalte im Lehrplan klarer zu formulieren. Damit wurden zwei wichtige Forderungen erfüllt, sodass das Abstimmungsresultat an Bedeutung verloren hat. Faktisch waren unsere Anliegen bereits vor der Abstimmung weitgehend erfüllt. 

Ein besserer Lehrplan, die Lehrmittelfreiheit für Lehrer und Lehrerinnen: Können wir jetzt davon ausgehen, dass Baselland bei den nächsten Vergleichstests bessere Resultate erzielt? 

Ich bin überzeugt, dass wir in einigen Jahren wieder die guten Resultate wie vor zehn oder zwanzig Jahren erzielen können. 

In ein paar Jahren treten Sie in den Ruhestand. Wird die Starke Schule beider Basel mit Ihnen in den Ruhestand gehen? 

Davon gehe ich nicht aus. Solange immer wieder junge engagierte Personen aktiv mitarbeiten wollen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, wird es die Starke Schule geben. Möglicherweise also noch eine ganze Weile.

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