Gegenwärtig wird wieder häufiger über den Sinn von Hausaufgaben gestritten. Bedauerlich ist, dass oft ohne Bezug auf die wissenschaftliche Forschung diskutiert wird. Eine neuseeländische Gruppe hat in einer umfassenden Studie eine kaum bestrittene Auswertung und Interpretation über die Wirksamkeit von Hausaufgaben vorgelegt. Ausgegangen sind die Forscher von 138 Kriterien guten Unterrichts und haben diese in eine Rangliste gebracht. Die Hausaufgaben liegen im Rang 88 der Kriterien, d. h. Hausaufgaben sind – wenn auch nicht besonders stark – lernwirksam. Dieser Rang stellt einen Mittelwert dar, der infolge der verschiedenen Untersuchungsansätze auf lernwirksamen, weniger lernwirksamen und unwirksamen Ergebnissen beruht, was zur schlechten Rangierung beiträgt. Trotzdem liegt ein Ergebnis vor, das die Lernwirksamkeit bestätigt. Bedeutsam für den Schulalltag ist, welche Faktoren dafür wichtig sind. Folgende seien hier erwähnt: Hausaufgaben müssen vielgestaltig und dürfen nicht nur Routineaufgaben sein; sie sollen schwergewichtig auf dem Unterricht aufbauen und vor allem Grundfertigkeiten und Grundfähigkeiten stärken; der jeweilige Sinn muss begründet werden; sie sollen nie benotet werden; sie müssen so lange kontrolliert werden, bis eine Selbstverantwortung der Schüler wahrgenommen wird; das Wochenende soll frei von Hausaufgaben sein; sie sollen zeitlich nicht überfordern (Faustregel: pro Schuljahr 10 Minuten).
Hausaufgaben sind lernwirksam, Eine Replik auf den Kommentar: «Ufzgi haben ausgedient», St. Galler Tagblatt, 16.2. von Rolf Dubs
Dass Hausaufgaben nicht selten zu Spannungen in der Familie
führen, ist eine Tatsache. Besonders kritisch sind die Hausaufgaben für die
Eltern-Kind-Beziehungen, wenn Eltern ihre Kinder zu unterrichten beginnen und
dabei feststellen müssen, dass ihre Kinder wenig zu guten Schulleistungen
befähigt sind. In solchen Situationen verstärken sich die Spannungen.
Bestätigt ist in der Forschung, dass Eltern ihre Kinder bei
den Hausaufgaben nie unterrichten sollten, denn Kinder reagieren oft negativ,
sei es, weil sie verunsichert werden, oder sei es, weil die Eltern nicht in der
Lage sind, den Kindern zu helfen. Hingegen sollten sie einen geordneten
Arbeitsplatz sicherstellen; die Zeit- und Arbeitsplanung unterstützen; dafür
sorgen, dass die Arbeit an den Hausaufgaben nicht dauernd unterbrochen wird;
nach Beenden der Hausaufgaben die Sorgfalt und den Umgang mit dem Formalen
überprüfen.
Mit Vorsicht zu beurteilen ist die Aussage, dass Eltern aus
höheren sozialen Schichten mit der Hilfe bei den Hausaufgaben ihren Kindern
Lernvorteile bringen und dadurch die Unterschiede vergrössert werden. Die
amerikanische Forschung bestätigt diese Aussage nicht. Die unterrichtliche
Hilfestellung der Eltern hat nicht die grosse Wirkung, weil vielen Eltern die
Voraussetzungen für die Lernförderung fehlen.
Behauptet wird, das selbstständige Lernen erübrige die
Hausaufgaben. Diese Aussage wäre richtig, wenn alles Lernen auf selbstständiges
Lernen ausgerichtet würde. Diese Vorstellung jedoch ist fragwürdig, denn allein
schon aus Zeitgründen ist dies unmöglich. Mit einem guten dialogischen
Frontalunterricht wird man auch künftig die grundlegenden Inhalte und Kompetenzen
mit weniger Zeitaufwand bearbeiten, um dank dem Vorwissen bessere
Voraussetzungen für das selbstständige Lernen zu schaffen. Eine solche
Zweiteilung rechtfertigt Hausaufgaben für die Grundlegung der Themenbereiche.
Ob Hausaufgaben während der Unterrichtszeit lernwirksamer
sind als Hausaufgaben zu Hause, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Die
Lernzeiten können gut sein, wenn Lehrpersonen ihre Lernenden beim
selbstständigen Bearbeiten der «Hausaufgaben» beobachten und individuell
unterstützen wollen. Sie haben aber einen grossen Nachteil: Hausaufgaben tragen
auch zur Förderung der Eigenverantwortung sowie zur Stärkung der Lerndisziplin
bei.
Hausaufgaben bleiben lernwirksam. Sie müssen aber
vielgestaltiger werden. Herausgefordert sind die Lehrpersonen: Sie müssen
sicherstellen, dass die Hausaufgaben auf ihren Unterricht und die Bedürfnisse
der Lernenden ausgerichtet werden, zeitlich nicht überladen und nicht wenig
sinnvoll schematisch gestaltet sind.
Rolf Dubs ist Wirtschaftspädagoge und
ehemaliger Rektor der Universität St. Gallen.
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