Das Abklären, Diagnostizieren und Therapieren hat über die letzten Jahre tatsächlich stetig zugenommen, und die Ursachen dafür sind vielschichtig. Ob man diese Tatsache so sehen möchte, dass mit einem Kind etwas nicht stimmt, oder aber, ob man es in seiner Gesamtheit möglichst gut verstehen will, ist eine Frage der Betrachtung. In der schulpsychologischen Arbeit verstehen wir unsere Aufgabe nicht darin, nach Defiziten eines Kindes zu suchen, sondern die Bezugspersonen zu beraten, wie sie mit seinen Bedürfnissen umgehen können, um es in seiner individuellen Entwicklung zu unterstützen. Erfreulicherweise haben die meisten Eltern und Lehrpersonen diese Sichtweise und nehmen sich Zeit für den interdisziplinären Austausch wie auch für die Reflexion ihrer eigenen Rolle. Mit dieser Haltung entsteht bei einem Kind während des Untersuchungsprozesses auch nicht der Eindruck, dass mit ihm etwas nicht stimmt, sondern es darf sich als Gegenüber erleben, an dem man interessiert ist und deshalb mehr erfahren möchte.
Leserbrief Tages Anzeiger, 9.12. von Bigna Bernet
Bigna Bernet ist Co-Präsidentin der Vereinigten Schulpsychologinnen und Schul psychologen des Kantons Zürich.
AntwortenLöschen