Das Theresianum Ingenbohl im Kanton Schwyz ist eine der letzten reinen Schweizer Mädchenschulen. Halten sich die angeblichen Vorteile und der Zeitgeist noch die Waage?
Im Theresianum Ingenbohl gibt es eine Sekundarschule, ein Gymnasium und Internat ausschliesslich für Mädchen, Bild: Theresianum Ingenbohl
Wie zeitgemäss ist geschlechtergetrennter Unterricht, SRF, 8.10.
Das Theresianum Ingenbohl in Brunnen ist eine
Schule mit langer Tradition: Seit 1860 werden hier junge Frauen ausgebildet.
Die Schule ist eine der letzten Mädchenschulen der Schweiz.
Nun soll das Theresianum Ingenbohl aber mit der
Kantonsschule Kollegium Schwyz zusammengelegt werden. Ob die Mädchen dann noch
getrennt unterrichtet werden, ist ungewiss.
Keine «nervenden Männer»
In vielen Ohren mag das Konzept des getrennten
Unterrichts ohnehin gestrig klingen. Die Schülerinnen aber sind überzeugt von
ihrer selbstgewählten Unterrichtsform, erzählt die Rektorin Christine Hänggi.
«Viele Schülerinnen sagen, dass sie sich hier besser konzentrieren könnten,
weil die Männer sie nicht nerven würden.»
Andere seien froh, sich nicht stylen zu müssen,
weil sie nicht nach Äusserlichkeiten bewertet würden. «Eine junge Frau meinte
auch mal, dass es weniger Zickenkrieg gebe.»
Unterschiedlicher Entwicklungsstand
Die Schülerinnen am Theresianum Ingenbohl sind
mehrheitlich zwischen 14 und 19 Jahre alt. Christine Hänggi ist überzeugt, dass
gerade in diesem Alter eine geschlechtergetrennte Schule sinnvoll ist: «In
dieser Zeit kann der Entwicklungsstand von jungen Männern und jungen Frauen
sehr unterschiedlich sein.» An einer Mädchenschule könne man dem speziell
Rechnung tragen.
Für die Rektorin ist aber noch etwas wichtig: «Die
Mädchen werden hier nicht gestört von Jungen, die vielleicht lauter, schneller
und lebendiger sind. Sie können sich wirklich unter sich entwickeln», sagt
Christine Hänggi.
Veraltetes Konzept?
So attraktiv das auch klingen mag – sehr beliebt
ist es nicht. Reine Mädchenschulen gibt es praktisch keine in der Schweiz. Auch
in der Forschung sind sie kein Thema mehr.
Mädchen und Buben in der Schule komplett zu
trennen, sei passé, bestätigt Katharina Maag Merki, Professorin am Institut für
Erziehungswissenschaft der Uni Zürich. «Im Kleinen gibt es aber eine Debatte
über geschlechtergetrennten Unterricht. Zum Beispiel, wenn es um einzelne
Fächer geht oder um punktuelle Dinge, die man während des Unterrichtes nur mit
Mädchen oder Knaben bearbeitet.»
Setting für mehr Freiraum
Die Professorin spricht von den sogenannten
MINT-Fächern: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. «Mädchen
interessieren sich dafür weniger und trauen sich da oft auch weniger zu.» Wenn
die Jungs weg sind, sei das mitunter anders.
Deshalb brauche es ein spezielles Setting, in dem
Mädchen sich getrauen, mathematische Probleme zu lösen oder sich mit Physik
auseinanderzusetzen, so Maag Merki.
Individuell stärken statt Separieren
Geschlechtergetrennt zu unterrichten, kann also
punktuell immer noch sinnvoll sein. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen von Mädchen
und Knaben gerecht zu werden, setze man heute aber weniger aufs Separieren,
sondern auf besseren Unterricht.
«Innerhalb eines Unterrichts, den ich als gut
bezeichnen würde, wird individualisiert und nach Interessen unterrichtet», hält
die Pädagogikprofessorin fest. In so einem Unterricht müssten sowohl Interessen
der Schülerinnen, aber auch Interessen der Schüler abgedeckt werden können.
Ausserdem hätten die meisten Mädchen heutzutage
auch untereinander völlig unterschiedliche Interessen. Das Gleiche gelte für
Knaben. Bei so viel Vielfalt macht eine Geschlechtertrennung also kaum mehr
Sinn.
«Innerhalb eines Unterrichts, den ich als gut bezeichnen würde, wird individualisiert und nach Interessen unterrichtet», hält die Pädagogikprofessorin fest.
AntwortenLöschenSoso... Die Professorin hält es also für möglich, individuelle Programme für die jeweils persönlichen Interessen der Schüler zu schaffen und das gleichzeitig guten Unterricht zu nennen. Mal abgesehen davon, dass dies eine totale Überforderung jeder Lehrperson bedeutet, frage ich mich, weshalb wir dann noch Lehrpläne brauchen. Aus der Biografie von Maag Merki sehe ich nicht, ob sie auch einmal im Leben vor einer Klasse gestanden ist. Ihre Qualifikation von "gutem Unterricht", die sich ausschliesslich auf das Abdecken von individuellen Lernbedürfnissen stützt, ist warme Luft. Maag Merki sagt ja nicht, in welchem Umfang man die individuellen Interessen berücksichtigen müsse. Da gibt es wohl niemanden, der völlig danebenliegt, aber auch niemanden, der diese Forderung voll umsetzen kann oder darf.