Seit Sommer 2017 wird an der Volksschule im Kanton St.Gallen das Fach «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» (ERG) als Wahlpflichtfach geführt. Und zwar in den beiden Varianten «ERG Kirche» und «ERG Schule». Die Erziehungsberechtigten entscheiden sich für eines der beiden, die Varianten werden getrennt unterrichtet. Im Fall von «ERG Schule» ist eine Lehrperson zuständig, bei «ERG Kirche» eine Vertretung einer Landeskirche.
ERG: Der grosse Krampf mit einem Schulfach, Die Ostschweiz, 13.10. von Stefan Millius
Damit sind nicht alle glücklich. Im Mai wurde im Kantonsrat eine Motion
eingereicht, die verlangt, dass das ERG künftig wieder im Klassenverband
unterrichtet wird - und zwar durch die Schule. Daneben gäbe es weiterhin den
eigentlichen Religionsunterricht als Freifach, der von Kirchenvertretern
erteilt würde. In der nächsten Kantonsratsession wird die Motion behandelt.
15 Bildungspolitiker aus fünf Parteien haben nun in einer Stellungnahme
festgehalten, warum sie vom Modell, das 2017 eingeführt wurde, abrücken wollen.
Sie halten es aus pädagogischer Sicht für wichtig, dass ERG in der ganzen
Klasse gemeinsam behandelt wird. Zudem sei es oft so, dass reformierte und
katholische Schüler «ERG Kirche» besuchen, andere - beispielsweise muslimische
oder konfessionslose Kinder - aber «ERG Schule». Das führe zu einer Separation.
Es sei zudem in einer säkularen Gesellschaft nicht mehr zeitgemss, den
Konfessionen ein solches Gewicht zu geben. Ein weiteres Argument ist die
Organisation: Die Zweiteilung verursache einen erheblichen Aufwand für die
Schulen. Und ausserdem seien viele Erziehungsberechtigte mit der Auswahl des
Wahlpflichtfachs überfordert.
Sandro Wasserfallen, SVP-Kantonsrat und Sekundarlehrer, im Gespräch über
die Forderung, die er zusammen mit 14 Parlamentskollegen vertritt:
Die Neuerung wurde 2017 eingeführt. Sind denn die Auswirkungen aus Ihrer
Sicht schon so früh beurteilbar? Oder müsste man nicht länger abwarten?
Die Erfahrungen aus drei Schuljahren haben deutlich genug aufgezeigt, wo
die organisatorischen und pädagogischen Probleme liegen. Tatsache ist,
dass sich die bildungsnahen Verbände bereits damals vehement gegen die
Aufteilung des Fachs ERG in ERG-Schule und ERG-Kirche ausgesprochen
haben.
Sie sprechen von einer Separation zwischen Kindern mit christlichen
Konfessionen und anderen. Diese würden jeweils unterschiedliche ERG besuchen.
Ist das durch Zahlen belegbar? Und wo orten Sie dabei die grössten Probleme?
Grossmehrheitlich ist es so, dass reformierte und katholische
Schülerinnen und Schüler ERG-Kirche besuchen, muslimische und konfessionslose
ERG-Schule. Das ist nichts anderes als Separation in einem hochsensiblen
Bereich und kann Nährboden für Parallelgesellschaften sein. In immer mehr
Gemeinden bilden konfessionslose und einer anderen Religion zugehörige
Schülerinnen und Schüler die Mehrheit. Gesamthaft besuchen in der Primarschule
61% ERG-Schule und 39% ERG-Kirche. In der Oberstufe 45% ERG-Schule und 55%
ERG-Kirche.
Parteiübergreifend engagieren sich zahlreiche Bildungspolitiker mit
pädagogischem Hintergrund für eine Änderung. Welche pädagogischen Argumente
sprechen denn gegen die heutige Lösung?
Das Störende ist die Teilung der Klassen, und dies ausgerechnet in dem
Fach, das Gemeinschaft im Namen trägt. Es ist fruchtbar und auch wichtig,
ethische, religiöse und gemeinschaftliche Themen mit der ganzen Klasse zu
besprechen. Eine Lehrperson der Volksschule, vorzugsweise eine
Klassenlehrperson, welche die gleichen Schülerinnen und Schüler auch in anderen
Fächern unterrichtet, kennt die Klasse und somit auch deren Stärken, Schwächen
und Verhalten besser und kann sie folglich auch gezielter und wirkungsvoller
unterrichten, führen und begleiten.
Sie fordern, dass die konfessionelle Unabhängigkeit der Schulen
wiederhergestellt wird. Es gibt aber auch immer wieder die Gegenforderung, dass
christliche, abendländische Werte nicht aus den Schulzimmern verschwinden. Wie
stehen Sie dazu?
Auch wenn meiner Auffassung nach Religion nicht vermehrt in unserer
Schule platziert werden und der Unterricht konfessionsneutral erfolgen soll, so
basieren unser Staat, unsere Gesellschaft und unsere Kultur nach wie vor auf
christlichen Grundwerten. Zu diesen Werten dürfen und müssen wir stehen. In
Art. 3 des Volksschulgesetzes ist zudem verankert, dass die Volksschule im
Kanton St. Gallen nach christlichen Grundsätzen geführt wird. Genau diese
Grundwerte lassen sich wesentlich besser vermitteln, wenn man die Schülerinnen
und Schüler im ganzen Klassenverband unterrichtet. Die Schülerinnen und Schüler
sollen ihre Erfahrungen austauschen, miteinander und voneinander lernen.
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