Hunderte Schülerinnen und Schüler in der Quarantäne, eine Kantonsschule in Olten, die besonders hart getroffen wurde, und viele Unsicherheiten: Der Schulstart nach den Ferien steht im Zeichen von Corona. Politiker bringen nun neue Ideen ins Spiel, etwa: Unterricht am Mittwochnachmittag und Samstag, um Rückstände aufzuholen.
Der Schulstart in allen Kantonen fällt zusammen mit
steigenden Corona-Fallzahlen. Nirgends in der Schweiz bekommen sie das mehr zu
spüren als an der Kantonsschule Olten: Drei Klassen befinden sich dort derzeit
in Quarantäne. Es ging los mit einer infizierten Lehrperson. Als auch noch eine
Schülerin erkrankte, wurde für drei Klassen und zwei Lehrpersonen eine
Quarantäne verordnet.
Keine
Schule in der Deutschschweiz hat derzeit mehr Klassen in Quarantäne als die
Kantonsschule Olten. Doch auch anderswo bleiben Schulzimmer verwaist. Das zeigt
eine Umfrage dieser Zeitung (sie gibt den Stand Mitte Woche wieder): Im Kanton
Schwyz waren 58 Kinder und 10 Betreuungspersonen der erweiterten Tagesbetreuung
der Tagesschule Schindellegi betroffen; im Kanton Bern zwei Primar- und eine
Kindergarten-Klasse. Dazu kommen drei weitere Klassen verschiedener Schulstufen
im Kanton Solothurn.
Am Ursprung standen meist infizierte Lehr- oder
Betreuungspersonen. Für Schlagzeilen sorgte auch der Kanton Aargau: Nachdem in
Aarau eine Oberstufenschülerin positiv getestet worden war, muss diese selber
zwar in Quarantäne, eine ihrer Lehrpersonen ebenfalls – der Rest der Klasse aber geht
weiterhin normal zur Schule.
Quarantäne
nach Rückkehr aus den Sommerferien
Meist
aber stehen ganze Klassen unter Quarantäne, hinzu kommen hunderte weitere
Schüler auf verschiedenen Stufen, die derzeit zu Hause bleiben müssen. Zum
Beispiel, weil sie nach den Sommerferien aus einem Risikoland eingereist sind.
Allein im Kanton Zürich gibt es 700 solche Fälle.
Im
Verhältnis zur gesamten Schülerzahl ist der Anteil jener, die derzeit zu Hause
sitzen, zwar verschwindend klein. Doch die aktuelle Situation ist vielleicht
nur ein Vorgeschmack darauf, was sich im Herbst und im Winter abspielen wird.
Experten vermuten, dass die Infektionszahlen dann wieder ansteigen. Der courant
normal dürfte für die Schulen also noch länger bloss ein Wunschtraum sein.
Oltner
Rektor spricht nicht von «courant corona»
Das
ist in den letzten Tagen auch Samuel Batzli, dem Rektor der Kantonsschule
Olten, bewusst geworden. Er spricht jetzt lieber vom «courant corona». An
seiner Schule werden die drei Quarantäne-Klassen derzeit aus der Ferne betreut.
Die Schülerinnen und Schüler lernen vermehrt selbstorganisiert. Eine Art
«Wochenplan» gibt die Aufträge vor, die zuhause erledigt werden – und auch,
wann digital direkt kommuniziert wird. Gesteuert wird alles über die Homepage
der Schule. Das alles, sagt Rektor Batzli, bedeute eine «massive Mehrbelastung»
für die ganze Schule und ihre Lehrpersonen.
Der
Corona-Lockdown hat Spuren hinterlassen in der Schweiz. Die Schere zwischen
guten und schlechten Schülern ist weiter aufgegangen. Das sagt der
Lehrerverband LCH, und auch das Schulbarometer der Pädagogischen Hochschule Zug
kommt zu diesem Schluss. Margrit Stamm sagt:
Gerade schwache Schüler mit schwierigem familiären Hintergrund leiden unter dem Fernunterricht.
Stamm ist
emeritierte Professorin für Erziehungswissenschaften. Für diese Schüler sei die
Rückkehr zum Präsenzunterricht zentral, sagt sie.
Doch wie sollen die Löcher gestopft werden, die
sich in den vergangenen Monaten aufgetan haben. Und jene, die sich in Zukunft
auftun, wenn Quarantänen notwendig werden – oder gar eine dauerhafte Rückkehr
zum Fernunterricht? In Deutschland läuft derzeit eine Debatte darüber, ob
künftig auch an Samstagen wieder unterrichtet werden soll, um verpassten
Unterricht nachzuholen und den Schulen mehr Flexibilität zu geben.
Bürgerliche Bildungspolitiker sind gegenüber einer solchen Regelung auch in der Schweiz nicht abgeneigt. Peter Keller, SVP-Nationalrat und ausgebildeter Lehrer, sagt, man müsse den Schulen nun alle Freiheiten lassen, um die besondere Situation zu bewältigen.
Der Nidwaldner zählt einen Strauss von Massnahmen auf, von Halbklassen über verschobene Unterrichtszeiten bis hin «zum Einbezug des Mittwochnachmittags oder des Samstags». Es gehe nicht darum, nationale Vorgaben zu machen, «doch man muss den Schulen Spielraum geben», so Keller. Auch Christian Wasserfallen gibt sich offen für den Samstagsunterricht, gerade in der obligatorischen Schule, wo der Präsenzunterricht «grosse Bedeutung» habe. Der Berner FDP-Nationalrat sagt:
Unterricht am Samstag wäre – wie am Mittwochnachmittag – eine der
Möglichkeiten, um das zu gewährleisten. Der Samstag darf keine heilige Kuh sein
in dieser besonderen Situation.
Bis in die
1990er-Jahre hinein war der Samstagsunterricht in vielen Kantonen gängig. Die
Bildungsexpertin Margrit Stamm warnt nun aber davor, die Lehrerschaft «noch
stärker an die Kandare» zu nehmen. Diese seien in den Fernunterrichts-Monaten
schon genug gefordert gewesen – und dabei von den Kantonen «zum Teil relativ
wenig unterstützt» worden. Die Professorin an der Universität Freiburg sagt, es
brauche vor allem mehr Ressourcen, um die Corona-Lücken zu füllen – zum
Beispiel mit Mentoren für schwächere Schüler. «Hier ist die Bildungspolitik
gefordert», sagt sie.
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