Der im Vorfeld viel zitierte Kampf um die letzte Bastion von Rumantsch
Grischun als Schulsprache ging deutlicher aus, als im Vorfeld erwartet wurde.
Mit 213:141 Stimmen unterstützte die Gemeindeversammlung von Surses am
Freitagabend eine Volksinitiative für die Rückkehr zum Surmiran als
Schulsprache. Sowohl der Gemeindevorstand wie auch der Schulrat hatten sich im
Vorfeld gegen die Initiative ausgesprochen.
Eine klare Antwort und neue Fragen, Südostschweiz, 27.7. von Olivier Berger
Gemeindepräsident Leo Thomann zeigte sich auf Anfrage denn auch
«enttäuscht» über den Ausgang der Abstimmung. «Rumantsch Grischun hat seit der
Einführung vor 13 Jahren gut funktioniert», sagte er auf Anfrage. Allerdings
habe sich schon im Vorfeld der Gemeindeversammlung abgezeichnet, dass sich das
Stimmvolk für die Initiative aussprechen würde.
Freude und Kritik
Ganz anders als bei Thomann war die Gemütslage nach der Abstimmung bei
den Initiantinnen und Initianten. «Wir sind hocherfreut», sagte Martina Ardüser
vom Initiativkomitee auf Anfrage. Der Entscheid zeige, «dass Rumantsch Grischun
in der Bevölkerung nicht akzeptiert» werde. Sie habe nichts gegen Rumantsch
Grischun an sich, betonte Ardüser. Als Amtssprache sei dieses auf allen Ebenen
sinnvoll. «Als Alphabetisierungssprache ist Rumantsch Grischun aber
gescheitert.»
In die Freude mischt sich bei Ardüser aber auch Kritik. «Ich bin
enttäuscht, wie der Gemeindepräsident und der Gemeindekanzlist mit unserem
Anliegen umgegangen sind», sagte sie. «Hier ist nicht alles korrekt
abgelaufen.» Sie sei über den klaren Ausgang der Abstimmung denn auch
überrascht. Angesichts des Widerstands hätte sie ein knapperes Resultat
erwartet.
Der Abstimmungskampf in Surses sei so abgelaufen wie in allen anderen
Regionen davor, in denen das Volk über die Rückkehr zum Idiom befragt worden
sei, sagte Domenic Toutsch. «Die Behörden hatten ganz offensichtlich Angst vor
der Bevölkerung», betonte der Präsident der Engadiner Sektion von Pro Idioms
gegenüber dieser Zeitung. Deshalb sei die Abstimmung über die Sursetter
Initiative auch «ein Jahr lang verzögert worden».
Es dauert noch eine Weile
Nach dem Entscheid vom Freitag kehrt Surses nicht sofort zum Surmiran
als Schulsprache zurück. Auch jene Schülerinnen und Schüler, welche nach den
laufenden Sommerferien in die erste Klasse eintreten, werden noch in Rumantsch
Grischun unterrichtet. «Neun Jahre lang werden bei uns jetzt Rumantsch Grischun
und Surmiran parallel unterrichtet», bestätigte Gemeindepräsident Thomann. Mehr
Lehrpersonen brauche es in der Gemeinde deswegen nicht. Allerdings seien die
heutigen Lehrerinnen und Lehrer gefordert. «Ich hoffe, unsere Lehrpersonen
ziehen jetzt mit, setzen sich mit dem Surmiran auseinander und besuchen
allenfalls auch Kurse.»
Für Thomann liegt der Ball jetzt in erster Linie beim Kanton. Dieser
müsse sicherstellen, dass innert nützlicher Zeit ausreichende Lehrmittel in
Surmiran vorlägen. Deren Erarbeitung sei jetzt eine der grossen
Herausforderungen. «So einfach, wie die Initiantinnen und Initianten gesagt
haben, ist das nicht, das braucht schon noch einiges.»
Initiantin Ardüser ist zwar überzeugt, dass Surses schon auf den
kommenden Schulbeginn hin zum Surmiran wechseln könnte. Hier müssten ihrer
Meinung nach aber wohl die Eltern der Schülerinnen und Schüler aktiv werden.
Allzu schlimm sei es aber nicht, wenn noch neun Jahre lang Rumantsch Grischun
unterrichtet werde.
«Kanton verschwendet Geld»
Pro-Idioms-Präsident Toutsch stellt sich im Zusammenhang mit der
Lehrmittelproduktion des Kantons noch eine weitere Frage. Es gelte die
Regelung, dass keine Schulbücher für romanische Sprachgemeinschaften produziert
würden, die zu wenige Mitglieder hätten. «Meiner Meinung nach trifft dies
inzwischen auf Rumantsch Grischun zu, dass nur noch in drei zweisprachigen
Gemeinden Schulsprache ist», sagte Toutsch. Konsequenterweise müsste der Kanton
auf die Herstellung von Lehrmitteln in Rumantsch Grischun verzichten. «Ich
frage mich, wann der Kanton endlich aufhört, Geld zu verschwenden, sondern nur
noch Schulbücher für das produziert, was die Bevölkerung wünscht.»
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