27. Juli 2020

Klares Votum gegen Rumantsch Grischun


Der im Vorfeld viel zitierte Kampf um die letzte Bastion von Rumantsch Grischun als Schulsprache ging deutlicher aus, als im Vorfeld erwartet wurde. Mit 213:141 Stimmen unterstützte die Gemeindeversammlung von Surses am Freitagabend eine Volksinitiative für die Rückkehr zum Surmiran als Schulsprache. Sowohl der Gemeindevorstand wie auch der Schulrat hatten sich im Vorfeld gegen die Initiative ausgesprochen.
Eine klare Antwort und neue Fragen, Südostschweiz, 27.7. von Olivier Berger

Gemeindepräsident Leo Thomann zeigte sich auf Anfrage denn auch «enttäuscht» über den Ausgang der Abstimmung. «Rumantsch Grischun hat seit der Einführung vor 13 Jahren gut funktioniert», sagte er auf Anfrage. Allerdings habe sich schon im Vorfeld der Gemeindeversammlung abgezeichnet, dass sich das Stimmvolk für die Initiative aussprechen würde.

Freude und Kritik
Ganz anders als bei Thomann war die Gemütslage nach der Abstimmung bei den Initiantinnen und Initianten. «Wir sind hocherfreut», sagte Martina Ardüser vom Initiativkomitee auf Anfrage. Der Entscheid zeige, «dass Rumantsch Grischun in der Bevölkerung nicht akzeptiert» werde. Sie habe nichts gegen Rumantsch Grischun an sich, betonte Ardüser. Als Amtssprache sei dieses auf allen Ebenen sinnvoll. «Als Alphabetisierungssprache ist Rumantsch Grischun aber gescheitert.»

In die Freude mischt sich bei Ardüser aber auch Kritik. «Ich bin enttäuscht, wie der Gemeindepräsident und der Gemeindekanzlist mit unserem Anliegen umgegangen sind», sagte sie. «Hier ist nicht alles korrekt abgelaufen.» Sie sei über den klaren Ausgang der Abstimmung denn auch überrascht. Angesichts des Widerstands hätte sie ein knapperes Resultat erwartet.

Der Abstimmungskampf in Surses sei so abgelaufen wie in allen anderen Regionen davor, in denen das Volk über die Rückkehr zum Idiom befragt worden sei, sagte Domenic Toutsch. «Die Behörden hatten ganz offensichtlich Angst vor der Bevölkerung», betonte der Präsident der Engadiner Sektion von Pro Idioms gegenüber dieser Zeitung. Deshalb sei die Abstimmung über die Sursetter Initiative auch «ein Jahr lang verzögert worden».

Es dauert noch eine Weile
Nach dem Entscheid vom Freitag kehrt Surses nicht sofort zum Surmiran als Schulsprache zurück. Auch jene Schülerinnen und Schüler, welche nach den laufenden Sommerferien in die erste Klasse eintreten, werden noch in Rumantsch Grischun unterrichtet. «Neun Jahre lang werden bei uns jetzt Rumantsch Grischun und Surmiran parallel unterrichtet», bestätigte Gemeindepräsident Thomann. Mehr Lehrpersonen brauche es in der Gemeinde deswegen nicht. Allerdings seien die heutigen Lehrerinnen und Lehrer gefordert. «Ich hoffe, unsere Lehrpersonen ziehen jetzt mit, setzen sich mit dem Surmiran auseinander und besuchen allenfalls auch Kurse.»

Für Thomann liegt der Ball jetzt in erster Linie beim Kanton. Dieser müsse sicherstellen, dass innert nützlicher Zeit ausreichende Lehrmittel in Surmiran vorlägen. Deren Erarbeitung sei jetzt eine der grossen Herausforderungen. «So einfach, wie die Initiantinnen und Initianten gesagt haben, ist das nicht, das braucht schon noch einiges.»

Initiantin Ardüser ist zwar überzeugt, dass Surses schon auf den kommenden Schulbeginn hin zum Surmiran wechseln könnte. Hier müssten ihrer Meinung nach aber wohl die Eltern der Schülerinnen und Schüler aktiv werden. Allzu schlimm sei es aber nicht, wenn noch neun Jahre lang Rumantsch Grischun unterrichtet werde.

«Kanton verschwendet Geld»
Pro-Idioms-Präsident Toutsch stellt sich im Zusammenhang mit der Lehrmittelproduktion des Kantons noch eine weitere Frage. Es gelte die Regelung, dass keine Schulbücher für romanische Sprachgemeinschaften produziert würden, die zu wenige Mitglieder hätten. «Meiner Meinung nach trifft dies inzwischen auf Rumantsch Grischun zu, dass nur noch in drei zweisprachigen Gemeinden Schulsprache ist», sagte Toutsch. Konsequenterweise müsste der Kanton auf die Herstellung von Lehrmitteln in Rumantsch Grischun verzichten. «Ich frage mich, wann der Kanton endlich aufhört, Geld zu verschwenden, sondern nur noch Schulbücher für das produziert, was die Bevölkerung wünscht.»


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