Finanziell lohnt sich das Führen gemischter,
grosser Klassen für die Gemeinden im Kanton eher. Durch das heutige System
profitieren vor allem grössere Gemeinden, kleinere haben es schwieriger.
Während viele davon berichten, dass das System aufgeht, gibt es auch Kritik.
"Erbärmlich": Gemeinden können mit grossen Schulklassen Geld sparen, Oltner Tagblatt, 5.6. von Noëlle Karpf
Sie erhalte Anrufe von verzweifelten Eltern.
Eltern, die darum bitten, dass ihre Kinder weiterhin mit ihren Gspändli in der
gleichen Klasse bleiben dürfen. Die Klassen würden «auseinandergerissen»,
berichtet die Lehrperson, die anonym bleiben will. Und: Die Schule, die
Gemeinde, tue dies, um zu sparen - auf dem Buckel der Kleinsten, das sei
«erbärmlich».
Sparen können die Gemeinden bei der Klassenplanung
theoretisch, denn: Der Kanton unterstützt die Gemeinden, die für die
Durchführung der Volksschule zuständig sind, finanziell. Während früher die
Löhne der angestellten Lehrpersonen subventioniert worden sind, gibt es heute
Schülerpauschalen – Beiträge pro Schülerin oder Schüler. Damit finanziert der
Kanton 38 Prozent der Unterrichtsleistungen. Es kostet eine Gemeinde
theoretisch weniger, weniger, dafür grössere Klassen zu führen, für die auch
weniger Lehrpersonen eingestellt werden. Damit das aufgeht, kann eine Gemeinde
eben Klassen «auseinanderreissen», neu zusammenmischen. So weit die Theorie.
Anruf bei der Gemeinde Rüttenen, im Vergleich eine
Gemeinde, in der eher weniger Schülerinnen und Schüler Kindergarten und
Primarschule besuchen. Laut Simon Knellwolf, Gemeinderat, sind dies relativ
konstant 110. Aber: Die Anzahl Kinder pro Jahrgang variiert teils stark. «Mal
sind es 20, später 11.» Nach kantonalen Vorgaben sollen mindestens 16, maximal
24 Kinder eine Klasse besuchen. Was je nach Jahrgang eben nicht immer möglich
ist. Die Lösung in Rüttenen: Man hat vier Abteilungen geschaffen – Gruppen, in
welchen Kinder zusammen zur Schule gehen. In diesen Abteilungen werden Klassen
zusammengemischt: So wird in Rüttenen nächstes Jahr die eine Hälfte der
Zweitklässler der 3. Klasse zugeteilt und die andere Hälfte der 1. Klasse.
«Durch das System mit den vier Abteilungen ändert sich die
Klassenzusammensetzung von Jahr zu Jahr – das finden nicht alle gut», so
Knellwolf.
LSO will kleinere Klassen
Um den Lehrpersonen entgegenzukommen, für welche
grössere, durchmischte Klassen mehr Aufwand darstellen, zahle die Gemeinde
Zusatzlektionen, in welchen die Lehrperson von einer weiteren unterstützt wird.
Kleinere Abteilungen, sechs einzelne, nicht durchmischte Klassen würden laut
Knellwolf nicht den erwähnten kantonalen Vorgaben entsprechen. Lieber führt man
in Rüttenen zudem gemischte Klassen, statt Kinder, die zu viel für eine Klasse
– oder zu wenige sind – in ein Nachbardorf schicken zu müssen. Was aber eben
auch eine Rolle spielt: «Es wäre finanziell gesehen nicht sehr attraktiv.» Was
an den eingangs erwähnten Schülerpauschalen liegt – für mehr Abteilungen müssen
mehr Lehrpersonen bezahlt werden; die Höhe der Schülerpauschalen bleibt aber
gleich.
Kleine Gemeinden haben eher Mühe, grosse
profitieren
Die Schule im Dorf behalten will man auch in
Günsberg, in Flumenthal, in Riedholz und in Hubersdorf. Auch hier geht es um
Schulen mit teilweise nur wenig Schülerinnen und Schülern – dementsprechend ist
auch hier die Klassenplanung jeweils eher aufwendig, wie Stefan Liechti,
Hauptschulleiter der gemeinsamen Schule Unterleberberg, berichtet. «Wir spüren
derzeit einen grossen Bevölkerungszuwachs», erklärt Liechti, was zu einigen
grossen Klassen führt. Und: «Die Umverteilung von Kindern auf andere
Schulstandorte wird von Eltern und Behörden meist schlecht akzeptiert.
Andererseits sprengt die kurzfristige Eröffnung einer zusätzlichen Klasse das
Budget und es besteht die Gefahr, dass man Überkapazitäten schafft, sollten nur
wenig Kinder wieder wegziehen.» Zudem würden die Vorgaben des Kantons dafür
sorgen, dass es keine «Zweiklassen-Bildung» gebe, in welcher reichere Gemeinden
in kleineren Klassen unterrichten können, ärmere nicht.
Doch auch mit dem heutigen System gibt es
Unterschiede. Einfacher ist das Thema Klassenplanung für grössere Gemeinden.
Ein Beispiel aus dem unteren Kantonsteil: Trimbach. Schulleiterin Helene Kyburz
erklärt, dass rund 700 Schülerinnen und Schüler sowie 100 Lehrpersonen dazu
gehören. «Wir haben etwas mehr Spielraum», so Kyburz. Pro Jahrgang macht man
hier drei, wenn es mehr Kinder sind, vier Klassen. Klassen mischen müsse man
sehr selten. Und: Auch wenn es einmal eine Klasse weniger oder mehr gibt, hat
man mit der vorhandenen Anzahl Lehrpersonen Manövriermasse; es drohen keine
Entlassungen, wenn eine Klasse wegfällt.
Kann eine Gemeinde die Vorgaben betreffend
Klassengrössen nicht einhalten, erörtert das Volksschulamt mit den Behörden die
Situation. Das kommt aber eher in einzelnen Fällen vor, wie die Statistik
aufzeigt, die Yolanda Klaus, stellvertretende Amtsvorsteherin beim
Volksschulamt, erläutert: Im Kanton gibt es 265 Kindergarten- und 796
Primarklassen. 36 sind zu gross – und 129 zu klein. «Viele haben das Gefühl, es
gebe viele zu grosse Klassen, damit Gemeinden sparen können – dabei haben
kleine Gemeinden viel eher ein Problem damit, genügend grosse Klassen bilden zu
können.» Dass Gemeinden absichtlich Klassen auseinanderreissen, um zu sparen,
glaubt Klaus nicht. Aber auch Klaus erklärt. «Es ist so, dass kleine Gemeinden
mit kleineren Abteilungen eher mehr zahlen; grössere eher optimieren können.»
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