6. Juni 2020

Geld sparen mit grösseren Klassen

Finanziell lohnt sich das Führen gemischter, grosser Klassen für die Gemeinden im Kanton eher. Durch das heutige System profitieren vor allem grössere Gemeinden, kleinere haben es schwieriger. Während viele davon berichten, dass das System aufgeht, gibt es auch Kritik.

"Erbärmlich": Gemeinden können mit grossen Schulklassen Geld sparen, Oltner Tagblatt, 5.6. von Noëlle Karpf

Sie erhalte Anrufe von verzweifelten Eltern. Eltern, die darum bitten, dass ihre Kinder weiterhin mit ihren Gspändli in der gleichen Klasse bleiben dürfen. Die Klassen würden «auseinandergerissen», berichtet die Lehrperson, die anonym bleiben will. Und: Die Schule, die Gemeinde, tue dies, um zu sparen - auf dem Buckel der Kleinsten, das sei «erbärmlich».

Sparen können die Gemeinden bei der Klassenplanung theoretisch, denn: Der Kanton unterstützt die Gemeinden, die für die Durchführung der Volksschule zuständig sind, finanziell. Während früher die Löhne der angestellten Lehrpersonen subventioniert worden sind, gibt es heute Schülerpauschalen – Beiträge pro Schülerin oder Schüler. Damit finanziert der Kanton 38 Prozent der Unterrichtsleistungen. Es kostet eine Gemeinde theoretisch weniger, weniger, dafür grössere Klassen zu führen, für die auch weniger Lehrpersonen eingestellt werden. Damit das aufgeht, kann eine Gemeinde eben Klassen «auseinanderreissen», neu zusammenmischen. So weit die Theorie.

Anruf bei der Gemeinde Rüttenen, im Vergleich eine Gemeinde, in der eher weniger Schülerinnen und Schüler Kindergarten und Primarschule besuchen. Laut Simon Knellwolf, Gemeinderat, sind dies relativ konstant 110. Aber: Die Anzahl Kinder pro Jahrgang variiert teils stark. «Mal sind es 20, später 11.» Nach kantonalen Vorgaben sollen mindestens 16, maximal 24 Kinder eine Klasse besuchen. Was je nach Jahrgang eben nicht immer möglich ist. Die Lösung in Rüttenen: Man hat vier Abteilungen geschaffen – Gruppen, in welchen Kinder zusammen zur Schule gehen. In diesen Abteilungen werden Klassen zusammengemischt: So wird in Rüttenen nächstes Jahr die eine Hälfte der Zweitklässler der 3. Klasse zugeteilt und die andere Hälfte der 1. Klasse. «Durch das System mit den vier Abteilungen ändert sich die Klassenzusammensetzung von Jahr zu Jahr – das finden nicht alle gut», so Knellwolf.

LSO will kleinere Klassen

Um den Lehrpersonen entgegenzukommen, für welche grössere, durchmischte Klassen mehr Aufwand darstellen, zahle die Gemeinde Zusatzlektionen, in welchen die Lehrperson von einer weiteren unterstützt wird. Kleinere Abteilungen, sechs einzelne, nicht durchmischte Klassen würden laut Knellwolf nicht den erwähnten kantonalen Vorgaben entsprechen. Lieber führt man in Rüttenen zudem gemischte Klassen, statt Kinder, die zu viel für eine Klasse – oder zu wenige sind – in ein Nachbardorf schicken zu müssen. Was aber eben auch eine Rolle spielt: «Es wäre finanziell gesehen nicht sehr attraktiv.» Was an den eingangs erwähnten Schülerpauschalen liegt – für mehr Abteilungen müssen mehr Lehrpersonen bezahlt werden; die Höhe der Schülerpauschalen bleibt aber gleich.

Kleine Gemeinden haben eher Mühe, grosse profitieren

Die Schule im Dorf behalten will man auch in Günsberg, in Flumenthal, in Riedholz und in Hubersdorf. Auch hier geht es um Schulen mit teilweise nur wenig Schülerinnen und Schülern – dementsprechend ist auch hier die Klassenplanung jeweils eher aufwendig, wie Stefan Liechti, Hauptschulleiter der gemeinsamen Schule Unterleberberg, berichtet. «Wir spüren derzeit einen grossen Bevölkerungszuwachs», erklärt Liechti, was zu einigen grossen Klassen führt. Und: «Die Umverteilung von Kindern auf andere Schulstandorte wird von Eltern und Behörden meist schlecht akzeptiert. Andererseits sprengt die kurzfristige Eröffnung einer zusätzlichen Klasse das Budget und es besteht die Gefahr, dass man Überkapazitäten schafft, sollten nur wenig Kinder wieder wegziehen.» Zudem würden die Vorgaben des Kantons dafür sorgen, dass es keine «Zweiklassen-Bildung» gebe, in welcher reichere Gemeinden in kleineren Klassen unterrichten können, ärmere nicht.

Doch auch mit dem heutigen System gibt es Unterschiede. Einfacher ist das Thema Klassenplanung für grössere Gemeinden. Ein Beispiel aus dem unteren Kantonsteil: Trimbach. Schulleiterin Helene Kyburz erklärt, dass rund 700 Schülerinnen und Schüler sowie 100 Lehrpersonen dazu gehören. «Wir haben etwas mehr Spielraum», so Kyburz. Pro Jahrgang macht man hier drei, wenn es mehr Kinder sind, vier Klassen. Klassen mischen müsse man sehr selten. Und: Auch wenn es einmal eine Klasse weniger oder mehr gibt, hat man mit der vorhandenen Anzahl Lehrpersonen Manövriermasse; es drohen keine Entlassungen, wenn eine Klasse wegfällt.

Kann eine Gemeinde die Vorgaben betreffend Klassengrössen nicht einhalten, erörtert das Volksschulamt mit den Behörden die Situation. Das kommt aber eher in einzelnen Fällen vor, wie die Statistik aufzeigt, die Yolanda Klaus, stellvertretende Amtsvorsteherin beim Volksschulamt, erläutert: Im Kanton gibt es 265 Kindergarten- und 796 Primarklassen. 36 sind zu gross – und 129 zu klein. «Viele haben das Gefühl, es gebe viele zu grosse Klassen, damit Gemeinden sparen können – dabei haben kleine Gemeinden viel eher ein Problem damit, genügend grosse Klassen bilden zu können.» Dass Gemeinden absichtlich Klassen auseinanderreissen, um zu sparen, glaubt Klaus nicht. Aber auch Klaus erklärt. «Es ist so, dass kleine Gemeinden mit kleineren Abteilungen eher mehr zahlen; grössere eher optimieren können.»

 


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