These
1: Hurra, hurra, die Schulen öffnen
Es ist
die Zeit für Geständnisse. Von Primarschülern etwa. Sie rufen der Lehrperson
vom Balkon zu: «Ich hätte es ja nie gedacht, aber ich gebe zu, ich freue mich, wiede
rin die Schule zu dürfen.» Natürlich sehnen sich die Kinder aller Stufen nach
ihren Gspänli, nach analoger Kommunikation von Mensch zu Mensch. Luna Lanz, Klassensprecherin
der Oberstufenschule Orpund bei Biel, beschreibt es in einem Blogbeitrag auf
www.condorcet.ch so: «Endlich wieder an meinem Pult zu sitzen, wieder Sport in
der Schule zu haben, endlich die Chemieexperimente durchzuführen und die
wechselnden Launen meines Klassenlehrers zu ertragen. Ja, das alles vermisste
ich in der Coronaphase sehr.»
These
2: Der Homeschooling-Boom bleibt aus
Die
Coronakrise hat keinen Boom beim elterlichen Privatunterricht ausgelöst, wie Willi
Villiger, Präsident von Bildung zu Hause, sagt. Der Verein verzeichne bloss
eine minimale Zunahme an Vereinsbeitritten. Gründe für das Interesse sind etwa:
Daheim werden die Kinder nicht gemobbt. Oder: Sie lernen besser zu Hause. Die
Nachfrage nach Tipps hingegen war gross. So wurde der Blog einer erfahrenen
Homeschool-Mutter tausendfach geklickt. Derzeit werden in der Schweiz rund 2500
Kinder dauerhaft in den eigenen vier Wänden beschult.
These
3: Eltern staunen, was die Schulen leisten
Mit dem
Lockdown ist der Unterricht vom Schulhaus ins Wohnzimmer gewandert. Womit die
Eltern realisieren, welche Schwierigkeiten es beim Lernprozess zu meistern
gilt. Oder wie schnell die Kinder abgelenkt sind. Dass sie immer wieder aufs
Neue motiviert werden müssen. Dass nicht der Lehrer schuld ist an den Lernschwierigkeiten.
Dass Unterrichten anspruchsvoll ist, weil die Lehrer die ganze Klasse, aber
auch den individuellen Lernfortschritt im Blick haben müssen. Dass es
pädagogisch-didaktisches Geschick braucht, gut rhythmisierten Unterricht mit Übungs-
und Korrekturphasen. Viele über Nacht zu Hilfslehrern mutierte Eltern sehnen
sich die Wiedereröffnung der Schule herbei.
These
4: Digitalisierung steckt noch in den Kinderschuhen
Seien wir
ehrlich. Wir waren generell suboptimal auf die Pandemie vorbereitet. Und all die
damit verbundenen Herausforderungen. Siehe Maskenmangel. Können wir es den
Schulen und Lehrern verübeln, dass sie am Tag 1 nach dem Lockdown nicht
flächendeckend startklar waren für Fernunterricht? Dass alle nach eigenem
Gutdünken herumwurstelten angesichts einer fehlenden Strategie? Nicht wirklich.
Fest steht: Die Anwendungskompetenz ist gestiegen. Beat Döbeli, Leiter des
Instituts für Medien und Schule der Pädagogischen Hochschule Schwyz, formuliert
es so: «Viele Lehrerinnen und Lehrer wuchsen in dieser Zeit digital über sich
hinaus und schafften, was sie sich vor kurzem nicht zugetraut hätten: eine
Videokonferenz mit der ganzen Klasse führen, Arbeitsaufträge für eine ganze Woche
auf einer Website zur Verfügung zu stellen oder Arbeiten von Schülerinnen und
Schülern in Empfang nehmen und individuelle digitale Rückmeldungen geben.» Die
von Döbeli mitinitiierte Seite www.lernentrotzcorona.ch
wurde seit der Schulschliessung fast eine halbe Million Mal angeklickt. Die
Plattform bietet so etwas wie eine digital-didaktische Rundumversorgung:
praktische Anwendungstipps, aber auch konkretes Unterrichtsmaterial.
These
5: Digitaler Unterricht ist kein Ersatz fürs Klassenzimmer
Schafft
sich die traditionelle Schule gerade ab? Sind die Lehrer überflüssig geworden,
wenn die Kinder Lösungen in den Computer eintippen und dieser die Korrekturen
ausspuckt? Manche Politiker versprechen sich einen digitalen Schub für die
Post-Lockdown-Zeit. Das wird teilweise gelingen, weil sowohl Lehrer und Schüler
den Umgang mit Computern besser beherrschen. Bloss: Der analoge Unterricht
bleibt unersetzbar. Matchentscheidend für den Lernerfolg, das belegt etwa die
berühmte Studie des Bildungsforschers John Hattie von der Universität
Melbourne, ist nicht die technische Ausrüstung einer Schule, sondern die Lehrer-Schüler-Beziehung.
Die Interaktion zwischen den Menschen ist zentral. Die aufbauenden
Rückmeldungen an Schüler, die dialogische Begleitung im Lernprozess vermag eine
anonyme Maschine nicht zu leisten. Zu dieser Erkenntnis gelangten übrigens
ausgerechnet digitale Pioniere. So erzogen Microsoft-Gründer Bill Gates und
Apple-Gründer Steve Jobs ihre Kinder weitgehend technikfrei. Diese besuchten
digitalfreie Waldorf-Schulen.
These
6: Der Graben zwischen engagierten und eher faulen Lehrern akzentuiert sich
Ja, es
gibt sie. Wie vermutlich in jedem Betrieb. Die Minimalisten. Es sind Lehrer,
die wenig mit ihren Schülern interagierten, sie Anfang Woche mit einem Stapel
Arbeitsblätter eindeckten und dann quasi sich selber überliessen. Im
Ausnahmezustand mögen sich die Defizite noch stärker manifestieren. In
Gesprächen mit Eltern, Schülern und Experten zeigt sich aber: Die überwiegende Mehrheit
der Lehrer leistete grossen Einsatz. Und erhielt dafür lobendes Feedback von Eltern.
Manche pedalten von Haus zu Haus, um vor allem den jüngeren Primarschülern die Aufgaben
persönlich vorbeizubringen. Sie hielten mit ihnen einen kurzen Schwatz, riefen
sie regelmässig an, besprachen und korrigierten die Arbeiten, bereiteten den
Stoff didaktisch einwandfrei auf.
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