Eine These: Zu den grossen Verliererinnen der Coronapandemie werden die Befürworterinnen von Homeschooling gehören. Warum? Weil nach fast zwei Monaten Unterricht zu Hause keine Mutter und kein Vater mehr sagen wird: «Wow, Homeschooling, so lääss! Das machen wir jetzt immer so!»
Ich jedenfalls habe mich in den
vergangenen Tagen oft still schreien gehört: «Öffnet die Schulen! Jetzt!»
Am Anfang wars ja noch lustig.
Homeschooling, das klang nach einem kleinen Familienabenteuer: Alle immer zu
Hause und keine Schule mehr! Sogleich blühten auch die Homeschooling-Mütter im
Land auf. Endlich waren sie nicht mehr die skeptisch beäugte Minderheit,
sondern gefragte Expertinnen! Kaum hatte der Bundesrat die Schliessung der
Schulen verkündet, stellten erste Homeschoolerinnen ihre Tipps online.
Öffnet die Schulen! Jetzt! – Weshalb Homeschooling eben doch nicht so lääss ist, Aargauer Zeitung, 8.5. von Roger Berhalter
Der Tenor: Ja, es würde ungewohnt
und schwierig werden. Aber hey: So viel Zeit mit den Kindern, unberührt vom
bösen Bildungssystem! Quality time à gogo! Die Krise als Chance! Der
Pandemie sei Dank würden wir zu Hause im Familienidyll zusammen lernen und
lachen! Die Kinder würden in Ruhe ihre Aufgaben lösen, während ich auf dem Sofa
ein Buch lese. Homeschooling, so lääss!
Totale
Verweigerung und mittlere Nervenkrisen
Aber schon am zweiten Tag wurde
es mühsam – und fortan nicht mehr besser. Mein älterer Sohn wollte partout
nicht einsehen, warum er jetzt plötzlich zu Hause, wo er sonst spielt und tobt,
für die Schule arbeiten sollte. Der Jüngere hörte irgendwann auf, Kleider zu
tragen... Regelmässig kam es zu totaler Verweigerung (bei den Kindern) und
mittleren Nervenkrisen (bei den Eltern).
Ein emotionaler Tiefpunkt war der
Moment, als der Ältere ein Glas Wasser über seinem Aufgabenheft
verschüttete, während mich der Jüngere fragte, warum ich den neusten
Star-Wars-Film so schlecht finde. Innerlich kochend holte ich den Putzlappen
aus der Küche, zischte einen Halbsatz mit «Luke Skywalker» und verzog mich für
eine Weile nach draussen, allein. Homeschooling, so blöd!
Verständnisvolle
Blicke und aufmunternde Kommentare
Erkundungen in unserem Freundeskreis
ergaben, dass es allen Eltern gleich geht. Naja, fast allen: Ein Vater findet
den Lockdown ganz gut, weil seine Kinder so endlich mal etwas lernen würden;
sie hätten grosse Fortschritte gemacht. Aber sonst?
Verständnisvolle Blicke und
aufmunternde Kommentare: «Bei uns ist's im Fall auch nicht immer
einfach.»
Noch ein paarmal Schlafen, dann
ist es überstanden. Dann verteile ich pädagogisch unkorrekte Ohrfeigen an alle,
die das Wort Homeschooling in meiner Nähe laut aussprechen. Und am Montag, wenn
die Kinder aus dem Haus und in der Schule sind, werde ich nach draussen gehen
und lange und laut klatschen. Für alle Lehrerinnen und Lehrer. Schule, so
lääss!
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