Die Frühlingsferien sind vorbei, die Ausnahmesituation dauert an.
Schülerinnen und Schüler haben weiterhin Fernunterricht. Büffeln im Kinder-
statt im Schulzimmer, vor dem Monitor statt der Wandtafel. Erst ab 11. Mai
sollen die Schulen wieder ihre Türen öffnen.
Franz-Wörtli sind wichtig, Minusrechnen nicht so, Blick, 25.4. von Lea Hartmann und Tobias Bruggmann
Doch die Corona-Krise ändert
nicht nur die Art des Unterrichts. Sondern auch die Lerninhalte. Ist der
Lehrplan schon in normalen Zeiten kaum zu schaffen, kommen die Lehrer jetzt
nicht drum herum, den Stoff aufs Nötigste einzudampfen. Der St. Galler
Bildungsdirektor Stefan Kölliker (49) hat die Eltern darauf vorbereitet, dass
«nicht sämtliche Kompetenzbereiche thematisiert und nicht alle regulär
geplanten Lehrplaninhalte vermittelt werden» könnten. Und das Aargauer
Bildungsdepartement stellt klar: Die Zielsetzungen des Lehrplans könnten dieses
Jahr «nur teilweise erreicht werden».
Weniger Zeit für das, was
Spass macht
Roland Zeller (64) ist
Klassenlehrer an der Sek im thurgauischen Aadorf und unterrichtet unter anderem
Deutsch, Mathematik, Englisch und Geschichte. Kapitel, die viele Inputs durch
die Lehrpersonen verlangen, müsse er nun kürzen oder streichen, erzählt Zeller.
«Oft sind es leider die Kapitel, die besonders viel Spass machen würden»,
bedauert er.
Der Unterricht sei trockener und theoretischer geworden.
Der Unterricht sei trockener und theoretischer geworden.
Seine Schüler haben derzeit
nur zwei statt drei Lektionen Englisch pro Woche, auch bei Geschichte muss
Zeller kürzen. Dieses Fach sei im Fernunterricht besonders schwer zu
vermitteln, weil die Themen oft zu komplex für ein reines Selbststudium seien,
erzählt der Lehrer. Das Fach Ethik, Religion und Gesellschaft wurde derweil
kurzerhand zur Klassenstunde umfunktioniert.
Kantone legen Leitplanken
fest
Aber die Corona-Krise hat
auch über die Zeit des Fernunterrichts hinaus Konsequenzen auf den Lehrplan.
Denn bis zu den Sommerferien alles nachzuholen, ist unmöglich. Was weggelassen
wird, entscheiden meistens die Lehrpersonen. Schliesslich wissen sie am besten,
wo sie Abstriche machen können, ohne dass ihre Schüler nachher den Anschluss
verlieren.
Die Kantone lassen den
Lehrern aber nicht komplett freie Hand. «In allen Kantonen wurden kantonale
Weisungen erlassen, wie die Schule nun im Fernunterricht mit den Lernzielen
umgehen muss», sagt Dagmar Rösler (40), Präsidentin des Lehrerinnen- und
Lehrerdachverbands (LCH).
Wie lang die Leine ist, an
die der Kanton die Lehrer nimmt, ist sehr unterschiedlich. Viele Kantone,
beispielsweise Bern, Zürich, Thurgau oder Graubünden, schreiben lediglich fest,
dass sich die Lehrer weiterhin an den Lehrplan halten müssen. Wie sie die
Schwerpunkte setzen, können sie frei entscheiden. Andere Kantone legen
Kernfächer fest, auf die sich die Lehrer konzentrieren sollen – meist Deutsch,
Mathematik und Fremdsprachen.
Um Kommaregeln kommen die
Sek-Schüler nicht herum
Ganz genau nimmt es der
Kanton Luzern. Er hat für praktisch jedes Fach und jedes Schuljahr detaillierte
Pläne ausgearbeitet. Aus ihnen geht hervor, was die Schülerinnen und Schüler
bis zu den Sommerferien trotz Corona-Krise unbedingt lernen müssen – und auch,
was weggelassen werden darf. Je nach Fach handelt es sich eher um Vorschläge
oder um verbindliche Vorgaben. Fast schon mantraartig wiederholt der Kanton in
seinen Unterlagen: «Mut zur Lücke!»
Um das Lernen der Adjektiv-Endungen
im Französisch kommen die Luzerner Primarschüler auch dieses Jahr zum Beispiel
nicht herum. Dafür gibts für die Fünftklässler in Mathe beim Thema Mittelwerte
nur eine Schnellbleiche. Die Drittklässler müssen ausnahmsweise noch nicht
lernen, wie man schriftlich subtrahiert. Das wird auf das nächste Schuljahr
verschoben. Und die Sek-Schüler müssen zwar trotz Corona die deutschen
Kommaregeln lernen, sich dafür im Englisch nicht mit der Zeitform «past
continuous» rumschlagen.
Die Krise hat auch etwas
Positives
Doch die Corona-Krise führe
nicht nur zu Kürzungen im Schulstoff, sondern kann auch eine Bereicherung sein.
«Andere Kompetenzen, die vielleicht im normalen Präsenzunterricht nicht so
intensiv hätten behandelt werden können, werden einen Schub erfahren», sagt die
oberste Lehrerin Dagmar Rösler. Als Beispiele nennt sie den Umgang mit Medien,
selbständiges Lernen oder das Übernehmen von Eigenverantwortung.
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